Journalisten-Streit/k

Es rumort beim Südkurier und in vielen anderen Redaktionen im Ländle. Das hat seemoz in den letzten Monaten immer wieder berichtet. Dabei geht es um mehr als höhere Gehälter. Die Hintergründe für Streit und Streik beleuchtet Wolfgang Storz und erklärt auch, warum dieser Konflikt uns alle angeht.

Es sieht auf den ersten Blick aus wie eine Demonstration der Macht und ist doch nur verzweifelte Gegenwehr: Die Gewerkschaften rufen die rund 14 000 Tageszeitungs-Journalisten in Deutschland zum Streik auf. Es wird aber kein Streik für etwas sein: für bessere materielle Bedingungen, für mehr Arbeitsplätze; ja, die Deutsche Journalisten-Union fordert offiziell vier Prozent mehr Gehalt.

Es wird vor allem ein Streik gegen etwas sein: gegen die frechen Forderungen der Verleger, die endgültig diesen Berufsstand materiell und mental degradieren wollen. Deren Vorstellungen: 400 Euro Einmalzahlung, 2013 eine Gehalts-Erhöhung um 1,5 Prozent, eine schlechtere Altersversorgung, längere Arbeitszeiten, kein Urlaubsgeld mehr, schlechtere Bedingungen für die Jungen und Neuen. Um bis zu 25 Prozent wollen die Verleger nach Angaben der Gewerkschaft die Einstiegsgehälter kürzen. Bisher erhält ein Berufsanfänger, nach Studium und Volontariat, im ersten Jahr knapp 3000 Euro brutto im Monat. Künftig soll er nach Verleger-Wunsch im ersten Berufsjahr knapp 2 700 Euro verdienen, im siebten Jahr 3 100 Euro.

Um die Tragweite der Auseinandersetzung zu verstehen, müssen wir zurückschauen: Seit zehn bis 15 Jahren werden die Löhne kaum erhöht, Zulagen gestrichen, Stellen gestrichen, die prekären unsicheren Jobs ausgebaut, das Zeilen-Honorar reduziert, Redaktionen und Zeitungen zusammengelegt – zuletzt wurde die „Frankfurter Rundschau“ vom Verlag Neven-DuMont so zusammengestrichen, dass sie ohne eigene Chefredaktion und eigenständigen überregionalen Teil nur noch als publizistischer Torso weiter vegetiert. Und viele Verlage nützen alle Möglichkeiten zur Tarifflucht, damit sie machen können, was sie wollen. So geschehen auch beim „Südkurier“, wo die Beschäftigten seit Wochen für einen Haustarif streiten und streiken.

Die Entwicklung kennt also – unter dem Druck von Auflagen- und Anzeigenschwund und Renditeerwartungen der Verlage – nur eine Richtung: bergab. Das zermürbt, macht Solidarität zur Ausnahme, nimmt Hoffnung, Selbstvertrauen und Motivation, vermittelt das Gefühl, meine Arbeit ist nichts mehr Wert. Trotzdem: Mehrere tausend Journalistinnen und Journalisten haben sich bisher an öffentlichen Protesten und kurzen Streiks beteiligt.

Für flächendeckende Streiks wird die Kraft jedoch nicht reichen: Das Zentrum der Streiks wird vermutlich in Baden-Württemberg liegen. Mit diesem Jahrzehnt Vorgeschichte wundert, was die oft genug zerstrittenen, aber von der Krise zusammengeschweißten Gewerkschaften noch an Gegenwehr auf die Beine bringen. Eine Gegenwehr, die alle Unterstützung verdient hat – aber nicht bekommt.

Der Tageszeitungs-Journalismus bildet das Herzstück der öffentlichen Kommunikation. Auf ihn muss sich eine Bevölkerung verlassen können. Darauf, dass sie von ihm mit brauchbaren Nachrichten, fundierten Meinungen und realitätstüchtigen Deutungen verlässlich versorgt wird. Bereits unter den heutigen Bedingungen ist dies kaum noch möglich. Schon heute ist die Schwäche des Journalismus, mental wie materiell, die Stärke der PR- und Öffentlichkeitsarbeiter. Setzen sich die Verleger durch, dann können wir Ansprüche, wie die hier formulierten, gleich ganz beerdigen.

Insofern führen diese Journalisten einen Kampf für ihre Belange – und zugleich für die der Öffentlichkeit. Es gibt bisher keine Anzeichen, dass Politik und Öffentlichkeit sich dafür interessierten.

Autor: Wolfgang Storz/WOZ