Konstanzer Verkehrspolitik: Ein Schritt vor, einer zurück

Während der Gemeinderat in einer Klausurtagung erneut darüber debattierte, wie man den Verkehr in Zukunft reduzieren könne, spielte sich in der Stadt ab, was allmählich zur traurigen Gewohnheit wird: Endlose Blechschlangen wälzten sich über die Straßen, und am Samstag geht dann rein gar nichts mehr. Da helfen auch zeitlich ausgedehnte Mobilitätsforen nicht viel. Der Ruf nach sofortigen Maßnahmen wird lauter

2. November, Samstag vormittag gegen 10.30 Uhr. Am Zoll haben die Beamten nur noch eine Aufgabe: Die Einfuhrzettel abstempeln, mit denen sich die Schweizer Kundschaft die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen kann. Ein überlanger Blechwurm bewegt sich von Kreuzlingen aus der Nachbarstadt Konstanz zu. Im Schritttempo geht es zum Döbelekreisel. Dort trifft die Blechkarawane auf Automobilisten, die von der anderen Seite kommen. Sie alle haben ein Ziel: Richtung Bodanstraße, möglichst dicht heran an das Lago-Einkaufswunderland. Die eingesetzten Verkehrswächter sind am Limit: „Es wird von Woche zu Woche schlimmer“, sagt eine junge Uniformierte, „und die Stimmung ist aggressiv, Beleidigungen und Beschimpfungen sind mittlerweile an der Tagesordnung“.

Über die Laube rücken diejenigen an, die über die alte Rheinbrücke gekrochen sind. Stillstand auf der Bodanstraße. Das Parkhaus am Augustinerplatz ist voll, dennoch bilden sich Schlangen. Ebenso vor dem Parkhaus im Lago. Rückstau. Die Busse kommen nicht mehr durch, die Fahrpläne brechen zusammen, die Busfahrer sind genervt. Schon seit rund zwei Stunden wird den PKW-Anreisenden über Signaltafeln bedeutet, dass alle Parkhäuser in der Innenstadt besetzt sind. Egal, irgendwo wird sich irgendwann schon ein Plätzchen finden, vor allem dann, wenn die Erweiterung des Parkhauses am Lago, die sich der Gemeinderat hat abkaufen lassen, abgeschlossen sein wird. Konstanzer Verkehrspolitik: Ein Schritt vor, dann wieder einer zurück.

Gegen 11 Uhr ist das Chaos perfekt.  Das Paradies ist zugeparkt, Stadelhofen ebenso. Parkplatzsuchende kurven dennoch durch die Viertel, verstellen Einfahrten und blockieren Fußwege. Eine Woche später, am 9. 11., das gleiche, völlig unsinnige Spektakel. Wie lange will man den Bewohnern dieser Stadtteile das noch zumuten? Wie lange lassen die sich das noch gefallen? Wann endlich begreifen die Verantwortlichen, dass sich das Problem nicht endlos in die Länge ziehen lässt und auch teure Quasselrunden nicht weiter helfen, wenn man die dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht zügig umsetzt?

Ein Besuch gegen die Mittagszeit auf dem P+R-Platz am Schänzlebrückenkopf Nord ist ernüchternd. Von rund 500 Parkplätzen sind nicht mal 100 belegt. Wie klang das noch vor wenigen Wochen, als genau dieses Thema im Gemeinderat zur Sprache kam? Oberbürgermeister Uli Burchardt erklärte, würde das P+R-Angebot weiterhin nicht angenommen, könne er sich auch „brachialere Methoden“ vorstellen. Damit kann er eigentlich nur gemeint haben, die Stadteingänge für Autofahrer abzusperren, wenn die Innenstadt aus allen Nähten platzt. Wohl erschrocken über seinen spontanen Radikalitätsausbruch, kam er wenige Tage später mit dem Seilbahnjux und verlagerte das Problem auf einen fasnächtlichen Nebenschauplatz. Somit wurde aus der P+R-Idee ein geschickter PR-Gag, mit dem sich aktuelle Missstände locker deckeln lassen.

Bis zur Umsetzung des Masterplans Mobilität sind schnelle Teillösungen gefragt. Es dürfte ja kein großes Problem sein, die gestückelte Busspur Richtung Zentrum endlich durchgehend zu gestalten. Dem Vernehmen nach hat Baubürgermeister Kurt Werner noch etwas grüne Farbe übrig, mit der er die sogenannte Begegnungszone künstlerisch aufwerten ließ. Genauso vorstellbar ist natürlich, an Spitzentagen tatsächlich die Innenstadt abzuriegeln und die Parkgebühren in den KFZ-Aufbewahrungskästen mindestens zu verdoppeln. Das wäre für den Anfang ein kleines Signal. Doch leider ist eher zu befürchten, dass man der heiligen Kuh Automobil nur mit flauschigen Samthandschuhen ans Euter gehen will. Der weihnachtliche Einkaufstaumel scharrt schon jetzt vernehmlich mit den Hufen. Den Einzelhandel freut´s, wenn alsbald die Kassen noch schriller klingeln. Ein Geräusch, das aber bei den geplagten Menschen vor Ort nur wenig Freude aufkommen lassen wird.

Autor: H.Reile