Konzert- und Theaterhaus: Ende der Fahnenstange

Eine volle Spiegelhalle und schon fabuliert die örtliche Tageszeitung, dass sich Konstanz aus der „Schockstarre“ gelöst habe und erneut bereit sei, über ein wie auch immer geartetes Musik- oder Konzerthaus nachzudenken. Angeblich, so der Tenor der anwesenden Claqueure, seien die Finanzen kein allzu großes Thema, denn der Stadt ginge es verhältnismäßig gut. Ein Abend also, an dem die Bevölkerung von Kulturlobbyisten ungefragt in Sippenhaft genommen wurde. Dazu ein Kommentar von seemoz-Mitherausgeber und LLK-Stadtrat Holger Reile


Ich erfuhr nachhaltige Läuterung angesichts der brisanten Nöte derer, denen der Sinn nach einer neuen Kulturstätte steht. Ich wusste nicht, dass uns das Wasser bis zum Halse steht, nun bin ich schlauer. Durfte ich rückwärts gewandter Kulturbolschewist doch von Christoph Bauer, dem Ortsvorsitzenden der „Freien Wähler“, hören, dass die Konstanzer Abiturienten ihre Abschlussfeier in der Singener Stadthalle feiern mussten, da es in Konstanz an geeigneten Räumlichkeiten fehlt. Das ist wirklich bitter und geht einem durch Mark und Bein. Auch das Wehklagen von Müller-Fehrenbach (CDU), die KKH-Gegner hätten es bösartigerweise unterlassen, nach dem Bürgerentscheid gegen das Projekt geeignete Standortvorschläge für einen neuen Anlauf zu unterbreiten, öffnete mir die Augen für die grundsätzlichen Probleme, die uns seiner Meinung nach gefälligst täglich beuteln sollten. Danke, Opa Hoppenstedt. Die Einlassung von SPD-Stadtrat Jürgen Leipold, die Stadt könne ein Musik- oder Konzerthaus durchaus finanzieren, gab mir renitenten Wurm dann den Rest. Er kenne Kommunen, die weitestgehend pleite seien, aber sich dennoch einen teuren Kulturtempel geleistet hätten. Ein überzeugendes Argument, nur ich habe es mal wieder nicht kapiert. Meine Forderung, die nicht gerade üppigen Finanzmittel doch besser in soziale Projekte – allgemeine Grundversorgung der Bevölkerung oder sozialen Wohnungsbau – einzubringen, konterte der Sozialdemokrat souverän: „Alles Gerede“.

Ganz im Ernst: Es gibt Veranstaltungen, die sind so unnötig wie der sprichwörtliche Kropf. Diese gehörte eindeutig dazu. Dass der Südkurier einstimmte in den Chor der Befürworter eines neuen Anlaufs, verwundert nicht. Bereits einen Tag nach der KKH-Klatsche vor knapp drei Jahren erklärte Lokalchef Jörg-Peter Rau sinngemäß, die Projektgegner hätten die Bedeutung der Angelegenheit nicht begriffen und eine Chance vergeben. Er ist immer noch beleidigt mit den dummen BürgerInnen und schickt nun Mitarbeiter vor, die mit vollen Backen in sein altes Horn blasen.

Nahezu grotesk auch, dass Stadttheater-Intendant Christoph Nix in weitgehend eigener Sache als Moderator auftrat. Sein persönlicher Redeanteil nebst bemühter Ulkeinlagen übertraf sogar den der restlichen Mitdiskutanten. In der Regel amüsieren mich Nixens intellektuelle Purzelbäume, an diesem Abend aber waren sie deplatziert und gerieten zur überflüssigen Bauchpinselei. Als er dann noch anmerkte, meine Einwände gehörten nicht zum Thema, war mir klar, worum es ihm ging: Jeder Widerstand gegen das von ihm initiierte Vorhaben ließ ihn Majestätsbeleidigung wittern, war grundsätzlich nicht gewünscht und wurde vom Theater-Zampano rüde abgekanzelt. Ein vernünftiger und auch zielführender Diskurs sieht völlig anders aus.

Sowohl die Philharmonie als auch das Stadttheater sind hoch subventionierte Betriebe, deren Überleben durch Steuergelder gewährleistet wird. Auch die Stadt Konstanz geht für den Erhalt dieser Institutionen oft an die Schmerzgrenze und manchmal auch weit darüber hinaus. Ich bin dennoch der Meinung, dass wir uns diese kulturelle Grundversorgung, zu der selbstverständlich auch Initiativen wie Kula, K9, Zebra-Kino und andere gehören, leisten sollten. Darf ich aber daran erinnern, dass beispielsweise das aktuelle 600 000-Euro-Loch der Philharmonie mit Steuergeldern gestopft wird? Zudem genehmigte der Gemeinderat der Abteilung Klassik auch noch einen neuen Konzertflügel für mehrere zehntausend Euro. Nun, werte Liebhaber der feinen Klänge, ist aber langsam das Ende der Fahnenstange erreicht und meiner Meinung nach verbieten sich zumindest die kommenden Jahre, in denen die Schere zwischen Arm und Reich ständig weiter auseinander gehen wird, die Kinderarmut auch hier am See steigt und die Schlangen vor den Tafelläden länger werden, weitere Begehrlichkeiten zu Lasten des Haushalts und damit der BürgerInnen dieser Stadt.

Die wohlgenährte Kulturschickeria hängt seit Jahrzehnten weitgehend am Subventionstropf und sollte sich mit dem Status quo zufrieden geben. Laute und bisweilen arrogant tönende Klänge aus dieser Ecke sind unangebracht und vergiften das Klima. Daran kann niemandem gelegen sein. Zudem ist es auch taktisch unklug, den Bogen weiter zu überspannen. Damit füttert man nur die wachsende Schar derer, die der Meinung sind, wir bräuchten weder ein eigenes Theater noch eine Philharmonie. Ich bleibe dabei: Sichern wir den Bestand unserer kulturellen Vielfalt, wie sie in Konstanz über die Jahre hinweg gewachsen ist. Damit haben wir genug zu tun.

Kommenden Donnerstag wird der Betriebsausschuss Konzil darüber beraten, ob aus dem Stadtsäckel mindestens fünf Millionen Euro für das kommende Konziljubiläum ausgegeben werden sollen, dessen Start ab 2014 angeblich jetzt schon den halben Erdball mit den Hufen scharren lässt. Auch hier zeigt sich, wohin es führen kann, wenn man die gesellschaftlichen Realitäten ignoriert. Weiterhin plädiere ich dafür, nicht nur das abgehobene Programm, sondern auch den Finanzrahmen deutlich einzudampfen und die Veranstaltung auf maximal zwei Jahre zu beschränken. Denn auch hier gilt: Eine Neuordnung der kommunalpolitischen Prioritätenliste ist längst überfällig. Alles Gerede? Darüber wird zu reden sein.

Autor: H.Reile