Nun singet und seid froh: In dulci jubilo
Das Organisationskomitee des Konstanzer Konziljubiläums hatte vergangenen Montag zur Pressekonferenz ins ehrwürdige Konzil geladen. Rund 40 KollegInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen, um sich erläutern zu lassen, wie es um das Programm bestellt sei. Manche dachten, anschließend könne man in großer Runde Fragen stellen und debattieren. Doch das war von Anfang an gar nicht geplant
Oberbürgermeister Uli Burchardt begrüßte die Gäste und griff tief in die städtische Hoffnungskiste. Das bevorstehende Konziljubiläum mit geschätzten Kosten von mindestens 12 Millionen Euro sei für Konstanz „eine Jahrhundertchance“. Warum und vor allem für wen, wollte er nicht verraten. In ähnliche Fantasien hat sich schon sein Vorgänger Horst Frank verrannt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Seitdem „Seilbahn-Uli“ über den Dächern der Stadt schwebt, ist ihm die Bodenhaftung verloren gegangen. Ein wenig mehr Realitätssinn und Bescheidenheit stünde ihm gut zu Gesicht. Dass der Südkurier anderntags die oberbürgermeisterliche Botschaft brav transportierte, ist leicht erklärbar: Als Medienpartner des herbei gesehnten Jubiläumstaumels geht man lieber artig bei Fuß und stellt keine kritischen Fragen.
Ruth Bader, Programmchefin der Feierlichkeiten, moderierte die Veranstaltung, und alle am Jubiläum beteiligten Personen beteten das herunter, was man eh schon wusste. „Die Landesausstellung soll ein Weltereignis werden“, so die Hoffnung von Harald Siebenmorgen, Direktor des Badischen Landesmuseums, das für die Konstanzer Ausstellung zuständig ist. Von „Dialog, Begegnung und Impulsen“ während des Jubiläums war ständig die Rede und die geballt versammelte Geistlichkeit freut sich schon weit im Vorfeld auf „schöne ökonomische Gottesdienste“.
Man warf sich gegenseitig artig die Bällchen zu und es herrschte eitel Freude darüber, was da alsbald über die Stadt herein bricht und sie ins Zentrum des weltweiten Interesses rücken soll. Zum Beispiel wird ein Stückchen Stoff ausgestellt, das angeblich aus Jan Hus´ Kleiderkammer stammt und – Wunder über Wunder – die letzten 600 Jahre unbeschadet überstanden hat. Ja, damals hatten die Kutten noch Qualität und katholischer Reliquienwahn bricht sich im 21. Jahrhundert neue Bahn. Gut möglich, dass bis zur Eröffnung des Jubiläums noch irgendwo in einem Konstanzer Speicher ein Bart- oder Schamhaar von König Sigismund gefunden wird oder etwas Ohrenschmalz von Baldassare Cossa, einem der drei Päpste zu jener Zeit. Das müsste doch irgendwie zu machen sein.
Nach dem rund 90-minütigen Worthülsenaustausch über das bevorstehende Jubiläum waren einige JournalistInnen der Meinung, man könne nun konkrete Fragen stellen und sich über einzelne Programmpunkte detaillierter austauschen. Falsch gedacht. Darauf wolle man heute verzichten, erklärte Ruth Bader. Wer Näheres wissen möchte, solle sich doch in Einzelgesprächen mit Kennern des Jubiläumsprogramms an kleinen Tischen unterhalten. Das war den meisten dann doch zu mühsam, außerdem lockte der reichlich gedeckte Mittagstisch. Schön, wenn Pressekonferenzen mal etwas anderes zu bieten haben als nur spröde Information.
Autor: H.Reile
Geldvermehrung schon, aber wundersam ist die nicht, sondern ganz weltlich…
Vielleicht sollte man mal hinterfragen, ob Bürgers oberer Meister inzwischen bei seinem Wahlvolk angekommen ist. Enttäuschend sind solche Sprüche wie „Jahrhundertchance“ oder seine eher spinnige Idee von einer Seilbahn über das mittelalterliche Konstanz. Wo bleibt der Aufschrei des sich sonst beim Bürger in der Gaupenfrage besonders profilsüchtigen Denkmalschutz, oder hier alles Behörde?
Wenn der OB in dem Jubiläum (jubelt der verkommenen Kultur von vor 600 Jahren) eine Jahrhundertchance sieht, bin ich bange, dass ernstzunehmende reale Chancen auf der Strecke bleiben, denn Aufgaben könnte man genug aufzuzählen.
Hätte Ottonormalbürger das mit der Seilbahn angesprochen, wäre die „Idee“ noch nicht mal eine Sekunde im Kopf hängengeblieben. Wenn es aber der städtische Obermeister von sich gibt, wird sogar mal darüber nachgedacht und er befruchtet tage-, ja sogar wochenlang, wertvolle Pressezeilen und beflügelt so manches Kopfschütteln bei seinen Bürgern. Und solche spinnige Idee, muss dann sogar noch überregional wahrgenommen werden. Ja, auf solche Ideen muss erst ein Ober-Bürger-Meister kommen.
hallo hele,
woran es wohl liegt, dass ich – geht es um gottesdienste aller art – sofort an wundersame geldvermehrung denke…?
schönes wochenende
„schöne ökonomische Gottesdienste“?
Ich vermute, die Geistlichkeit dachte eher an „ökumenische“.
Also wenn Einzelgespräche für Journalisten zu anstrengend sind, dann weiß ich auch nicht…