Religiöse Hirnblähungen

Zuviel Religion ist ungesund und führt zu massiven Verdauungsstörungen. Das ist seit Wochen bei der Causa Lenk zu beobachten. Der lächerliche Skulpturenstreit ist längst zu einer Politposse verkommen, die ihresgleichen sucht und deren Ende noch nicht in Sicht ist.Ein Blick zurück in diesem Mehrakter: Der Konstanzer Touristenchef Norbert Henneberger bekniet den Künstler Peter Lenk, ihm doch für die Mobilitätszentrale einen Abguss des gaukelnden Päpstleins zu überlassen, das seit rund 17 Jahren auf Imperias Händchen im Hafen sitzt. Lenk sträubt sich erst, willigt dann aber ein. Stolz schlägt Henneberger ein publicityträchtiges Pfauenrad und freut sich über seinen vermeintlichen Coup.

Einige Tage später verbreitet BILD, das Zentralorgan für intellektuelle Überflieger, im Konstanzer Bahnhof säße der nackte Papst. CDU-Landespolitiker übernehmen ungeprüft den Quark und sprechen davon, der Anblick von Lenks Figur führe bei Gläubigen zu sofortiger Erblindung und verfrühter Demenz. Hinter den Kulissen glühen daraufhin die Telefone und Norbert Pfauberger knickt ein. Nach einer geheimen Aufsichtsratssitzung der Tourist-Information erklärt er, die Figur habe zu Missverständnissen geführt und komme wieder weg.

Lenk geht gegen BILD vor und die Redaktion entschuldigt sich umgehend für die Behauptung, im Konstanzer Bahnhof könne man den nackten Papst Ratzinger bewundern. Ganz im Ernst: Wer könnte daran Gefallen finden? Doch die Geschichte nimmt nun richtig Fahrt auf und es rauscht im Blätterwald. Konstanz klettert in der Peinlichkeitsskala vehement nach oben. Wieder mal wird der Moment verpasst, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen. Im Gegenteil.

In der Stadt werden Gerüchte laut, Henneberger sei unter Druck gesetzt worden. Auf diesbezügliche Anfragen hüllt sich der Mann in Schweigen. Nun quaken und blöken auch CDU-Hinterbänkler vor Ort, der putzige Gnom im Bahnhof verletze religiöse Gefühle und müsse verschwinden. Peter Lenk führt umgehend ein Gespräch mit dem Konstanzer Oberbürgermeister Horst Frank und man kommt überein, das umstrittene Objekt noch vier Wochen stehen zu lassen. Dann entscheide eine erneut einberufene und nichtöffentliche Aufsichtsratssitzung, was mit dem Päpstlein geschehen solle.

Henneberger schweigt weiterhin beharrlich. Fürchtet er um seinen Job? Haben ihm konservative Skulpturenstürmer damit gedroht, städtische Zuschüsse für seine Tourist-Information zu verweigern? Peinlich für ihn, dass sich der Landesverband der Touristiker etwa zeitgleich dafür ausgesprochen hat, die Figur unbedingt stehen zu lassen, denn eine bessere Werbung könne sich Konstanz kaum wünschen. In der Tat: Menschen aus dem ganzen Landkreis kommen extra wegen Lenks Figur nach Konstanz. Es wird fotografiert, diskutiert und gelacht. Reporter irrlichtern durch den Bahnhof und suchen Kritiker  der Lenk´schen Kunst. Sie finden keinen.

Plötzlich entdeckt sogar der grüne OB Frank seine religiöse Verantwortung und plädiert für die Entfernung der Lenk-Figur. Man bekommt zunehmend den Eindruck, Frank hat sich von seiner KKH-Klatsche noch nicht erholt und taumelt seitdem halb komatös von einem Niederschlag zum anderen. Was ist ihm schon noch geblieben nach dem Bürgerentscheid vom 21.3.? Sein KKH- Traum ist geplatzt, seine politische Karriere ist zwei Jahre vor der nächsten OB-Wahl definitiv zu Ende. Bei stark angeschlagenen Boxern wirft normalerweise der Trainer das Handtuch.

Hochnotpeinlich auch für den OB, als sich der „Arbeitskreis Christlicher Kirchen“ (ACK)  für den Verbleib des päpstlichen Gauklers einsetzt. Man müsse nur den historischen Kontext auf einer Zusatztafel erklären und die Sache sei in Ordnung. Doch Frank tut das, was er immer tut, wenn es eng wird: Er bockt und erklärt trotzig: „Wenn es nach mir geht, muss die Figur hier raus.“ Wird auch er politisch unter Druck gesetzt? Hat man ihm angedroht, die Gelder für die Landesausstellung 2014 zu streichen? Zieht vor Ort der selbsternannte Kulturbewahrer und CDU-Stadtrat Müller-Fehrenbach mit an den muffigen Strippen? Fragen über Fragen und keine Antworten. Man staunt nur noch. Warum legt Horst Frank, der kaum mehr was zu verlieren hat,  nicht die Karten auf den Tisch?

Ebenso seltsam das Verhalten der 17 StadträtInnen von SPD und FGL. Wenn es um Kulturdebatten geht, gehören sie in der Regel zu den ersten Befürwortern für freie Kunst. Doch Schweigen auch hier. Auf Anfrage erfährt man beispielsweise von den Sozialdemokraten lediglich, in diesen „quasikulturellen Bauernschwank“ mische man sich nicht ein. Glaubhaft klingt das nicht, denn aus der anfänglichen Kulturposse ist ein veritables Politstück geworden. Oder will man es sich  neuerdings nicht mit  erzkonservativen Muffgeistern und postmodernen Glaubenskriegern verscherzen?

Mit dabei in dieser Kreuzzüglercombo Andreas Hoffmann, CDU-Landtagsabgeordneter aus Allensbach. Dass der laufende Meter  immer den Kragen aus dem Fenster hält und glaubt, zu allem seinen Senf abgeben zu müssen, weiß man. Beispiel gefällig? Aktuell ließ er in einem Radio7-Interview verlauten, es sei egal, ob die Figur einen Gaukler oder einen Papst darstelle, viele Bürger sähen ihre religiösen Gefühle verletzt. Interessanterweise verwies Hoffmann auch darauf, dass die Aufstellung der kirchenkritischen Statue im Vorfeld der Jubiläumsfeiern zum Konzil in Konstanz ein falsches Signal sei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und die Bemerkung Hoffmanns als deutlichen Fingerzeig interpretiert? Frei nach dem Motto: Wenn ihr die Skulptur nicht entfernt, dann sieht es schlecht aus für die erhoffte Finanzspritze aus Stuttgart.

Die nächste Aufsichtsratssitzung steht vor der Türe. Hinter verschlossenen Türen will man dann darüber beraten, was nun passieren soll mit dem Päpstlein im Konstanzer Bahnhof. Lenk hat schon im Vorfeld gefordert, die Sitzung müsse öffentlich sein. Recht hat er, denn die Entscheidung über den Verbleib seiner Figur kann man nicht einem klandestinen Zirkel überlassen, der offensichtlich fremdgesteuert ist.

Das dreiste CDU-Bubenstück wird uns noch mehrere Akte bescheren und europaweit für ungläubiges Staunen und Gelächter sorgen. Wie formulierte es der Hegauer Kolumnenschreiber Franz Holz kürzlich so passend: „Konstanz ist mehr denn je einen Besuch wert. Fahren Sie hin, solange der Eintritt in diesen Affenzirkus noch gebührenfrei ist.“

Autor: H.Reile