Respekt, Herr Rüdiger!
Es ist auch Unirektor Ulrich Rüdiger zu verdanken, dass die SS-Vergangenheit von Hans Robert Jauß nun endlich auf dem Tisch liegt. Rüdiger hat ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben, das den einstigen Säulenheiligen der Konstanzer Universität endgültig vom Sockel holte – gegen den massiven Protest einiger seiner Amtsvorgänger, die bis heute nicht begreifen wollen, dass dieser Schritt überfällig war.
Schon vor Gerd Zahners Aufführung der szenischen Lesung über Jauß hatte die Universität Konstanz den Potsdamer Historiker Jens Westemeier mit weiteren Recherchen beauftragt. Was dabei heraus kam, konnte man vergangenen Mittwoch im Audimax hören. Bevor Westemeier seine Erkenntnisse in komprimierter Form vortrug, verteidigte Unirektor Ulrich Rüdiger die Vorgehensweise. Lange habe man zum Fall Jauß geschwiegen auf dem Gießberg, nun aber sei es an der Zeit gewesen, die Fakten der interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren, so Rüdiger sinngemäß in seiner Begrüßung. Leises Grummeln war da aus der ersten Sitzreihe zu vernehmen, in der die ehemaligen Rektoren Horst Sund und Bernd Rüthers Platz genommen hatten, flankiert vom früheren Jauß-Assistenten Karlheinz Stierle und Althistoriker Wolfgang Schuller.
Einige dieser Altvorderen hatten bereits lautstark protestiert, als die Universität zeitgleich mit Zahners Stück am 19.11.2014 eine Stellungnahme an die Presse verschickte, aus der eindeutig herauszulesen war, dass Jauß als führendes Mitglied der Waffen-SS alles andere war als nur ein „normaler“ Soldat. Sund, Rüthers und auch Schuller beschwerten sich im Dezember 2014 beim Senat darüber, dass Zahners Lesung an der Uni aufgeführt worden sei, bevor Westemeiers Gutachten vollständig vorgelegen habe. Sie befürchteten, damit würde die Universität Schaden erleiden, viel besser wäre es doch gewesen, die Diskussion über die Vergangenheit von Jauß intern zu führen. Wolfgang Schuller verstieg sich gar zu dem Vorwurf, der Vorgang erinnere ihn an eine „nachträgliche Gesinnungsprüfung“. Rüthers erklärte außerdem, man leiste einer „Vorverurteilung des Kollegen Jauß“ Vorschub.
Doch Rektor Rüdiger ließ sich von der geharnischten Kritik altgedienter Uni-Koryphäen nicht beeindrucken und bewies Standhaftigkeit und Courage in einer für die Universität wichtigen Frage. Nach Westemeiers Vortrag, der an Deutlichkeit über den SS-Mann Jauß kaum zu überbieten war, boten wiederum die Herren Sund, Rüthers und Schuller ein – man kann es nicht anders beschreiben – erbärmliches Bild. Eine Mischung aus historischer Ignoranz und postmortaler Reinwaschung für ihren früheren Kollegen und Freund Jauß brach sich vergangenen Mittwoch erneut Bahn und viele Besucher wollten kaum glauben, was sie da vernehmen mussten. Es konnte einen schauern bei diesem bitteren und unfreiwilligen Senioren-Kabarett.
Vereint in wohl auch altersbedingtem Starrsinn zweifelte die Riege querbeet an der Seriosität des Gutachtens, verweigerte hartnäckig jeden Erkenntnisgewinn und übte sich in schwer erträglicher Bagatellisierung. Man dürfe, so beispielsweise Karlheinz Stierle, dessen Doktorvater Jauß war, nicht vergessen, was die Uni Jauß zu verdanken habe. Zudem verbiete es sich nachhaltig, ihn „moralisch zu beurteilen“, denn der Nationalsozialismus sei eben „ gerade für junge Menschen eine Verlockung“ gewesen. Fazit: Das wird nichts mehr mit diesen Herren, die sich mit tragikkomischer Greisenlust an einen fatalen Korpsgeist klammern. Ungeachtet dessen planen Unirektor Rüdiger und Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke weitere Veranstaltungen über die „zwei Leben“ des Hans Robert Jauß. Und das ist eine gute Nachricht.
H. Reile
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