Schwere See

Was sich aktuell bei der Diskussion um Stuttgart 21 abspielt, lässt sich leicht abgewandelt auf die Kommune herunter brechen: Riskante Großprojekte werden von politischen Entscheidungsträgern vorangetrieben, verbunden mit der Hoffnung, die BürgerInnen schon irgendwie ins Boot zu bekommen. Doch diese Zeiten scheinen vorbei.

Zwar ging und geht es bei den Konstanzer Projekten, die im Laufe dieses Jahres breit diskutiert wurden, nicht um Milliarden, aber dennoch um für die Stadt bedeutende Investitionen mit ungewissem Ausgang. Auch heute noch, rund neun Monate nach dem Bürgerentscheid zum KKH, wirkt sich das Desaster um den Bau auf Klein Venedig aus. Bis zum 21.März wurde der Bürgerschaft fast täglich versichert, dass man sich den 80 Millionen Euro teuren Kulturtempel locker leisten könne und dennoch keine Steuererhöhungen zu befürchten seien.

Es kam anders, wie wir wissen. Das eigentliche Dilemma aber ist der massive Vertrauensverlust in die politische Kaste, der nahezu dramatische Ausmaße angenommen hat. Kaum eine Bürgerversammlung, auf der OB Frank, die Verwaltung und die GemeinderätInnen, die für das KKH getrommelt haben, nicht auf das missratene Projekt angesprochen werden. Die Stuttgarter „Lügenpack“-Parolen sind auch hier deutlich zu vernehmen. Im Nachhinein muss man sich über die Blauäugigkeit der Befürworter wundern, die zum Teil bis heute nicht begriffen haben, wie weit sie mit ihrer bockstarrigen Haltung zur allgemeinen Politikverdrossenheit beigetragen haben.

Die Stimmen werden nicht leiser, die OB Frank schon am 22.3. geraten hatten, sein Amt vorzeitig niederzulegen. „Mit dieser verheerenden KKH-Niederlage“, so ein altgedienter Verwaltungsmann, „ist die Karriere des Oberbürgermeisters zu Ende“. Es ist ein offenes Geheimnis: In der Verwaltung herrscht Misstrauen zwischen den verschiedenen Ämtern. Wenn man dann noch hören muss, wie führende Mitarbeiter die Qualitäten des Rathauschefs beurteilen, dann fragt man sich, wie lange das noch gut gehen kann. Nachhaltige und zielorientierte Politik zum Wohle der Stadt sieht anders aus. Jetzt noch zwei Jahre zu zuwarten, bis ein neuer Steuermann für frischen Wind sorgt und die tiefen Rathaus-Gräben wieder zuschüttet, ist eine ausgesprochen schlechte Lösung. Ein Kapitän sollte merken, wenn sein Kahn auf Grund zu laufen droht.

Auch die momentane Diskussion über den Katamaran trägt nicht dazu bei, verlorenes Terrain bei der Bürgerschaft zurück zugewinnen. Mag ja sein, dass die ursprüngliche Idee einer Städteverbindung zwischen Konstanz und Friedrichshafen eine im Ansatz diskutable war. Aber warum sollte man überhaupt nach Friedrichshafen fahren, wenn man nicht gerade seinen Arbeitsplatz dort hat?

Mehrere Millionen Euro hat der Kat seit 2005 versenkt und der Schrecken nimmt kein Ende. Nun wird den maroden Kähnen noch eine Schonfrist zugestanden und erneut werden Hunderttausende in den Wind geschossen.

Ein entscheidender Fehler wurde schon während der Planungsphase gemacht. Bei einem Bürgerentscheid zum Kat gaben rund 20 000 BürgerInnen ihre Stimme ab – und über 15 000 votierten gegen das Projekt. Der Bürgerentscheid scheiterte nur knapp an dem damaligen Quorum von 30 Prozent. Spätestens dann hätten Gemeinderat und Verwaltung merken müssen, dass die gewünschte „Veredelung des ÖPNV“ zu einem Fass ohne Boden werden könnte. Aber nein – Augen zu und durch, hieß die Parole. Was juckt uns schon die klare Absage der Bevölkerung? Eine Art „Basta-Politik“ lange vor Stuttgart 21.

Wie weit sich die politische Klasse in Konstanz von der Bürgerschaft entfernt hat (und umgekehrt), zeigte auch kürzlich eine Informationsveranstaltung zur Haushaltslage. 40 RätInnen und MitarbeiterInnen aus der Verwaltung saßen gerade mal 20 (!) interessierte BürgerInnen gegenüber. Angesichts der massiven Finanzprobleme war diese Veranstaltung ein Fiasko. Das aber alleine der Verwaltung und den auskunftsbereiten KommunalpolitikerInnen in die Schuhe zu schieben, wäre dann doch zu einfach. Weiterhin gilt: Wer sich nicht einmischt und den Kopf in den Sand steckt, muss sich auch nicht wundern, was hinter seinem Rücken passiert.

H.Reile