Singen tanzt die Nazipolka

„Politischer Aschermittwoch soll Freude an Politik zurückbringen“. So titelt das „Singener Wochenblatt“ in seiner neuesten Ausgabe und lädt für den 9.März zur Podiumsdiskussion in die Scheffelhalle ein. Die auflagenstärkste Publikation in der Region hat keinerlei Probleme, bei dieser Veranstaltung auch dem bekennenden Nationalsozialisten und NPD-Kandidaten Benjamin Hennes ein Forum zu bieten.

Bei dem Versuch, sich mal wieder nachhaltig ins Gespräch zu bringen, brannten der Verlagsleitung der Gratis-Postille unterm Hohentwiel wohl alle Sicherungen durch. Ob die Veranstaltung in der altehrwürdigen Singener Scheffelhalle wieder „Freude an Politik“ zurück bringt, muss allerdings bezweifelt werden. Denn neben den üblichen Verdächtigen aller demokratischen Parteien darf auch der Neonazi Hennes für sich und die NPD werben. Dazu kommt auch noch Simone Bek, die Kandidatin der rechtsextremen „Republikaner“. Ob für Hennes und Bek braune Weißwürste mit dem dazugehörigen dunkelbraunen Hendlmaiersenf aufgetragen werden, ist noch nicht klar.

Klar aber ist: Der politisch fahrlässige Versuch des Wochenblatts, sich mit dieser Podiumsdiskussion in den Fokus des öffentlichen Interesses zu hieven und sich im Landtagswahlkampf von anderen Medien abzuheben, wird dem Verlag schaden. Und das ist gut so. Denn bislang galt in Wahlkampfzeiten das ungeschriebene Gesetz, rechtsradikalen Brunnenvergiftern kein öffentliches Podium anzubieten. Das Wochenblatt bricht hiermit ein Tabu und muss sich fortan den Vorwurf gefallen lassen, braune Gesellen hoffähig zu machen. Ob das die Anzeigenkunden in der Region, von denen das Wochenblatt passabel lebt, lediglich mit einem Achselzucken hinnehmen? Platzieren demokratische Parteien für den kommenden Landtagswahlkampf weiterhin teure Wahlwerbung in diesem Blatt?

Das Wochenblatt zeigt sich großzügig und kündigt an: „Es werden keine längeren persönlichen Erklärungen zu den neun Kandidaten nötig sein, denn das Wochenblatt wird alle Bewerber mit einem Flyer vorstellen.“ Wird Benjamin Hennes als das vorgestellt, was er ist? Als rechtskräftig verurteilter krimineller Schläger und glühender Verehrer des Nationalsozialismus mit all seinen rassistischen und menschenverachtenden Thesen?

Nach ersten Protesten dämmert dem Verlag langsam, worauf er sich da eingelassen hat. Allen KandidatInnen für die Diskussion wurden „Richtlinien“ zugeschickt, die sie umgehend unterschrieben zurück schicken sollen. Darin heißt es: „Die Teilnehmer bewegen sich dabei im Rahmen der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“. Und weiter ist zu lesen: „wer andere persönlich verunglimpft oder Thesen mit volksverhetzendem Inhalt vertritt“, könne von der Debatte ausgeschlossen werden. Dem Wochenblatt kann man nur empfehlen, das Wahlprogramm der NPD zu studieren, das an Volksverhetzung nicht zu überbieten ist. So gesehen sind die verordneten Richtlinien für die Diskussion der erbärmliche Versuch zu retten, was wohl kaum mehr zu retten ist.

Michael Krause, Landtagskandidat der Linken für den Wahlkreis Singen, hat seine Zusage für die Diskussion in der Scheffelhalle zurückgenommen: „Mit Nazis setze ich mich nicht auf ein Podium“. Auch Udo Engelhardt (Grüne) hat dem Wochenblatt abgesagt. Eine Haltung, der sich die Vertreter von CDU, SPD, FDP  und Piraten anschließen sollten.

H.Reile