Südkurier glorifiziert Nazi-Flieger

Letzte Woche rieben sich viele Südkurier-LeserInnen empört die Augen: Sie bekamen einen Text vorgesetzt, der genauso gut in einer rechtsradikalen Postille hätte erscheinen können. Julia Emser, eine Mitarbeiterin der Singener Lokalredaktion, titelte: „Erinnerungen an Engener Jagdflieger“. Beginnen bei der Tageszeitung mittlerweile auch die braunen Sicherungen durchzubrennen?

Julia Emser berichtete über einen Konstanzer Rentner, der auf einem Flohmarkt ein Buch erstanden hat: „Oberst Hermann Graf: 200 Luftsiege in 13 Monaten“. „Graf“, lässt Emser den Rentner schwadronieren, „muss ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein“. Das kann man durchaus so sehen, wenn man auf dem rechten Auge blind oder aber völlig ahnungslos ist. Hermann Graf, vor rund 100 Jahren in Engen geboren, legte im NS-Staat eine Bilderbuchkarriere hin. Er war einer der „erfolgreichsten“ Jagdflieger und erhielt höchste Auszeichnungen. Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes kam Graf in russische Gefangenschaft, kehrte 1950 wieder nach Engen zurück und starb dort im Jahre 1988.

Fast ehrfürchtig läutet Julia Emser ihren Beitrag über Hermann Graf ein: „Wie einsam er dort drinnen gesessen haben muss, in seiner Messerschmidt Bf 109, dem siegreichsten Jagdflugzeug der Geschichte. Ein höllischer Lärm muss dort geherrscht haben, denn Schallschutz gab es keinen“. Welch` ein Held, der trotz Lärm und Einsamkeit aufopferungsvoll für Reich, Volk und Führer kämpfte und dafür über 200 gegnerische Flieger vom Himmel holte. Da neigt Frau Emser demütig ihr Haupt ob Grafs Einsatz für ein System von Massenmördern. Und das auch noch ohne Schallschutz – Julia Emser kann es sich lebhaft vorstellen und leidet mit.

Wir nehmen mal an, bei der Schreiberin handelt es sich um eine junge Frau, die seit kurzem für wenig Geld dem Südkurier harmlose Texte und ebensolche Bilder liefert. Das setzt nur selten zeitraubende Recherche voraus. Wer sich aber dem ernsthaften Thema Nationalsozialismus nähert, sollte sich schlau machen und zumindest die Archive durchforsten. Diese elementaren Voraussetzungen scheinen an der Südkurier-Mitarbeiterin völlig vorbei gegangen zu sein. Sie verherrlicht einen Nazi-Flieger, der beileibe kein kleines Rädchen war. Sie verharmlost einen Weltenbrand, den Graf und Konsorten entfachten und an dessen Ende Millionen Tote zu beklagen waren. Frau Emser wäre gut beraten, umgehend ihre Berufswahl kritisch zu überdenken. Fehler werden auch im Journalismus immer wieder gemacht, dieser jedoch ist unverzeihlich.

Kritische Fragen müssen sich aber auch die Verantwortlichen beim Südkurier gefallen lassen. Hat man eine völlig überforderte Kollegin verheizt, sie mit dem Thema betraut und dann im Regen stehen lassen? Wurde der Text nach Abgabe gegengelesen und wenn ja, von wem? Wer steht schlußendlich gerade für diesen journalistischen GAU? Wie zu hören ist, hat Emsers Beitrag zumindest bei Teilen der Konstanzer Redaktion für heftige Diskussionen gesorgt. Auch bei der Kundgebung zum Antikriegstag am vergangenen Samstag am Münsterplatz kam das Thema zur Sprache. Ein Redner forderte völlig zu Recht, der Verlag möge sich bei seinen LeserInnen für die Berichterstattung im Fall Graf in aller Form entschuldigen. Tut er es auch oder übt man sich in der Chefetage erneut in zähem Aussitzen?

Autor: H.Reile