Synagoge: Wenn sich der Bock zum Gärtner macht
Ende der Fahnenstange: Es wird nichts mit dem Bau einer neuen Synagoge. Das hat der potentielle Bauträger, die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG), der Stadtverwaltung mitgeteilt. Oberbürgermeister Uli Burchardt ist „sehr enttäuscht“. Aber eigentlich kann die Stadt froh sein, dass dieses leidvolle Kapitel nun geschlossen wird
Gut zehn Jahre ist es her, dass der Konstanzer Gemeinderat einstimmig beschlossen hat, das städtische Grundstück in der Sigismundstraße 8 für den Neubau einer Synagoge gratis zur Verfügung zu stellen. Ein richtiger Schritt, denn nur einen Steinwurf weiter hatte einst die braune NS-Mörderbande die alte Synagoge in Schutt und Asche gelegt.
Dann aber, ab Ende 2003, begann ein langes Warten. Mehrmals in den vergangenen Jahren erklärte die IRG, dass bald mit dem Neubau zu rechnen sei. Doch die Stadt wurde immer wieder vertröstet. Das Grundstück in zentraler Lage entwickelte sich zum innerstädtischen Müllplatz. Selten ist man geduldiger mit einem Bauherrn verfahren, gewährte eine Frist nach der anderen. Auch als längst klar war, dass die beiden jüdischen Gemeinden wohl nie friedlich unter einem Dach vereinigt werden könnten, hielt man an der Synagoge fest. Im kommenden Februar sollte das Thema erneut auf der Tagesordnung stehen. Die Geduld der Verwaltung und des Stadtparlaments schien unendlich.
Nun hat die IRG wissen lassen, dass sie die Planungen „mit sofortiger Wirkung“ beendet. Angeblich hätte die noch ausstehende Überschreibung des Grundstücks an die IRG, über die der Rat wohlweislich erst im Februar entscheiden wollte, den Zeitplan durcheinander gebracht. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber nur herzhaft lachen. Denn für den Scherbenhaufen ist die IRG mitverantwortlich und auch die zerstrittenen jüdischen Gemeinden haben ihren Teil dazu beigetragen. Nun der Stadt den schwarzen Peter untermogeln zu wollen, ist mehr als billig. Aber Selbstkritik ist vor allem dem Dachverband der jüdischen Gemeinden offensichtlich völlig fremd. Anstatt sich eigener Verfehlungen bewusst zu werden, geht man lieber zur Attacke über.
In einer aktuellen Pressemitteilung erklärt die IRG, die liberalen Juden der Jüdischen Gemeinde Konstanz (JGK) hätten „eine Einigung durch vielfach nachgeschobene Forderungen unmöglich gemacht“. Dabei hat diese Gruppierung nichts anderes getan, als in der neuen Synagoge ausreichend Raum für sich zu beanspruchen. Nach dem neuesten Stand der Planung wäre für sie und ihre 180 Mitglieder ein Raum von nicht mal 30 Quadratmetern vorgesehen gewesen. Außerdem wehrten sie sich dagegen, Frauen beim Gottesdienst auf eine Empore zu verbannen, oder gar hinter einem Vorhang verschwinden zu lassen, wie es die eher konservative IKG (Israelitische Kultusgemeinde) gerne hätte. In diesem Zusammenhang kritisiert die IRG, die Stadtverwaltung hätte sie der Religionsdiskriminierung bezichtigt. Ein fast schon absurder Vorwurf, denn die Stadt hat lediglich darauf gepocht, dass beide Glaubensriten gleichberechtigt unter einem gemeinsamen Dach Platz finden sollten.
So bedauerlich die Entwicklung auch sein mag, sie bietet die Chance, für das brachliegende Gelände in der Sigismundstraße schnellstens eine andere Nutzung zu überdenken. An Alternativen sollte es nicht mangeln, so z.B. an einer Wohnbebauung.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H.Reile