Wie durchgeknallt darf ein OB-Kandidat sein?

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Lange dachte man, der Posten eines Oberbürgermeisters interessiere niemanden. Nun aber sind es 13 KandidatInnen, die Horst Frank beerben möchten. Neben einigen durchweg ernsthaften BewerberInnen gibt es solche, die etwas neben der Spur liegen, aber immerhin zur Unterhaltung und zum Schmunzeln beitragen. Sicher nicht zu diesen Farbtupfern gehört Roman Urban, der Kandidat von der Insel Reichenau. Mit Spaß-Wahlkampf hat sein Auftritt nichts zu tun.

Da sitzt er nun mit nacktem Oberkörper auf einer Wiese vor der Kamera und lächelt entrückt. „Ich weiß, dass du nicht glücklich bist, du brauchst mir nichts vorzumachen“, wispert der Mann. Der OB-Kandidat will „mindestens einen Hektar Land und ein Haus für jede Familie kostenlos“ zur Verfügung stellen, erklärt er in seinem Bewerbungsvideo, das eine quälende Länge von über sieben Minuten aufweist. Dazu stammelt er unentwegt davon, wie ein harmonisches und naturverbundenes Leben auch in der Neuzeit aussehen könnte. Das ginge ja alles noch und man fragt sich amüsiert, ob auf der Insel Reichenau halluzinogene Drogen mittlerweile am Straßenrand wachsen. Was aber gar nicht geht, ist der restliche Inhalt auf der Website des Kandidaten Urban.

Da wird mit Videos in geballter Form für Eso-Spinner, Scharlatane und Gesundbeter geworben. Peter Ferreira, alias Peter Druf, Händler von Himalayasalzprodukten und mittlerweile Richtung Südsee abgetaucht, darf dort ebenso schwadronieren wie die kürzlich verstorbene militante Impfgegnerin Anita Petek-Dimmer, die auch jahrelang mit dem Schweizer Sektenguru Ivo Sasek kooperierte. Mit dabei auch der in Langenargen aufgewachsene Stefan Lanka, der in Konstanz Biologie studiert hat. Er ist Autor von verschwörungstheoretischen Büchern mit den Titeln: „Impfen und Aids: Der neue Holocaust“, oder: „Impfen – Ein Verbrechen an der Menschheit?“ Lanka ist außerdem, wie andere auch auf Urbans Seite, ein Anhänger von Ryke Geerd Hamers wirrer Heilmethode „Germanische Neue Medizin“ (GNM). Wegen Beleidigungen, unter anderem nannte er den ehemaligen Leiter des Robert-Koch-Instituts einen „Massenmörder“, wurde Lanka in den vergangenen Jahren zu hohen Geldstrafen verurteilt.

Hamer, der 1972 die Facharztprüfung zum Internisten ablegte, wurde 1986 die Zulassung als Arzt entzogen. Seine „Neue Medizin“, die vorgibt, alle Krankheitsursachen erkennen und behandeln zu können, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. In den 1990-er Jahren wurden alleine in Deutschland und Österreich von den Behörden mehrere Dutzend Todesfälle untersucht, die alle mit Hamer in Zusammenhang standen. 1995 wurde Hamer durch den Fall der sechsjährigen Olivia Pilhar auch international bekannt. Deren Eltern verweigerten eine Krebstherapie und verließen sich auf Hamers Methoden. Erst nach Entzug der Erziehungsberechtigung konnte das Mädchen in letzter Minute gerettet werden.

Hamer praktizierte auch nach dem Entzug seiner Approbation weiter und wurde deswegen mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt. Da sowohl in Österreich als auch in Deutschland ein Haftbefehl gegen ihn vorlag, floh er 2007 nach Norwegen. Auffällig wurde Hamer auch durch antisemitische Äußerungen der übelsten Art. Bei den Kampagnen gegen ihn handele es sich um „den wahnsinnigen Kampf der Talmud-Zionisten, alle Nichtjuden umbringen zu wollen“.

Der frühere Generalmajor der Bundeswehr, Gerd Schultze-Rhonhof, kommt auf Urbans Seite ebenfalls ausführlich zu Wort. Rhonhof gilt als unverbesserlicher Geschichtsrevisionist und pflegt rege Kontakte in die rechtsextreme Szene.

Inhalte, mit denen sich Roman Urban rundum identifiziert und für die er als Verantwortlicher zeichnet. Es wäre zumindest fahrlässig, diesen Kandidaten im Zusammenhang mit dem OB-Wahlkampf zu Diskussionen einzuladen oder auf eine Bühne zu lassen. Dort hat der selbsternannte Insel-Guru einfach nichts zu suchen.

Autor: H.Reile