Wirtschaftsförderung als Wolkenkuckucksheim
Ist schon klar: Ein Wirtschaftsförderer, der die Wirtschaft wirklich fördern will, sollte Optimismus ausstrahlen. Aber muss er das derart wirklichkeitsfremd, derart schwallig, derart schwärmerisch praktizieren wie Friedhelm Schaal, Wirtschaftsförderer der Stadt Konstanz von Ex-OB Franks Gnaden? Da sind ernsthafte Zweifel angebracht, wie die morgige, erste Sitzung des neuen Wirtschaftsausschusses unzweifelhaft erweisen wird
Denn neben einer ergebnislosen Umfrage zur Wirtschaftssituation (nur 35 Prozent der Betriebe nahmen teil, was selbst Optimisten nicht ‚repräsentativ‘ nennen), die höchstens sattsam bekannte Erkenntnisse zutage förderte: Die Lebensqualität und die Nähe zu Forschungseinrichtungen wird als besonders positiv bewertet (eine echte Überraschung), das Preisniveau bei Wohnflächen gilt gerade bei der Mitarbeiter-Werbung als hinderlich (wer hätte das gedacht?) und der Fachkräftemangel ist ein echtes Problem (warum fragt eigentlich niemand, wieso in der Vergangenheit kein Betrieb die Fachkräfte ausgebildet hat, die ihm heute fehlen?) – neben diesen wahrlich bahnbrechenden Umfrage-Erkenntnissen also wartet nur noch ein Tagesordnungspunkt auf die neuen Mitglieder des neuen Gremiums. Und der fußt auf einem Zustandsbericht der Wirtschaftsförderung. Und der hat es in sich.
Aufbruchstimmung: Was ist das und wo bleibt die?
Wirtschaftsförderer Schaal streift den Ausverkauf industrieller Arbeitsplätze in nur wenigen Zeilen; auch der Umsatzrückgang von 4,1 Mrd. Euro auf 3,7 Mrd. Euro (2008-2010 – standen aktuellere Zahlen nicht zur Verfügung?) wird nur knapp erwähnt. Und beim Anstieg der Arbeitsplätze von 26.818 in 2010 auf 28.114 in 2012 vergisst er, die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse zu erwähnen. Sei‘ s drum – wir haben ja den Campus Konstanz.
So nennt Schaal das einstige, jetzt brach liegende Takeda-Gelände. „Ein wesentliches Zukunftsprojekt“ sei das, meint der Förderer, und zählt wenige, kleinere Firmen auf, die nur einen Bruchteil der 100 000-Quadratmeter-Bruttogeschossfläche belegen. Man kann nur inständig hoffen, dass dem Campus Konstanz das Schicksal des Kompetenzzentrums und der vollmundigen Ankündigungen weiterer Vermietungen erspart bleibt. Übrigens: Dass sich schon vor Jahren das Finanzamt in den Takedabüros viel zu üppig ausgebreitet hat, und dass 150 Takeda-Mitarbeiter weiterhin dort ihr Geschäft abwickeln, schreibt sich nicht einmal Schaal auf seine Fahne.
Aber Netzwerke wurden gegründet: Dass BioLAGO, cyberLAGO und SolarLake (man achte auf die Kreativität bei der Namenswahl) reine Interessensvertretungen sind und bislang für keinen einzigen Arbeitsplatz gesorgt haben, fehlt in der stolzen Darstellung. Und inwiefern die Stadt Konstanz „die Centrotherm-Insolvenz abgewendet“ haben will, verrät uns Schaal auch nicht. Aber er schreibt es in seiner offiziellen Vorlage. Und da fragt sich dann der aufmerksame Leser: Was ist da Aufbruchstimmung und wo bleibt die?
Die unendliche Geschichte um eine Bauruine
Wahrlich wolkig wird Schaal in seiner Zustandsbeschreibung, wenn es um sein einstiges Lieblingsprojekt, das Kompetenzzentrum, geht. Zwar verhehlt er die „ wechselvolle Geschichte“ des Prachtbaus (s. Foto von Wolfram Mikuteit) nicht, dafür aber sind von der Archäologie bis zur Finanzkrise stets andere verantwortlich. Doch er schreibt tatsächlich Sätze wie diesen: „Inzwischen ist das Kompetenzzentrum bezugsfertig, ein Mieter ist seit längerem eingezogen, ein weiterer wird im November 2013 eine Fläche von ca. 700 qm beziehen“. Wer in den letzten Tagen über die Baustelle gestapft ist, glaubt sich im falschen Film. Es sollte so deutlich benannt werden: Die unendliche Geschichte der Halbwahrheiten und fehlerhaften Ankündigungen rund um die Bauruine in der Reichenaustraße dürfen sich die Volksvertreter im Gemeinderat und in seinen Ausschüssen nicht länger anhören.
Und Schaal schreibt weiter: „Aus Sicht der Wirtschaftsförderung hat sich der Wirtschaftsstandort Konstanz in den letzten Jahren trotz erheblicher Rückschläge positiv entwickelt“. Wer solche Wirtschaftsförderung betreibt, darf sich nicht beklagen, wenn er zum Hüter des Wolkenkuckucksheimes wird. Oder heißt es: Luftschloss?
Autor: hpk
Na sowas! Dass die Stadt Konstanz eine Abteilung für Wirtschaftförderung hat, hab ich als in der Konstanzer Wirtschaft tätige (Klein-)Unternehmerin ja noch gar nicht so richtig mitgekriegt! Darf ich dann jetzt hoffen, auch wirtschaftsgefördert zu werden, obwohl ich keine Bauruine bin und sogar Arbeitsplätze schaffe?
Da ist man gerne mal gespannt, wie und was der Wirtschaftsausschuss zur Wirtschaftsförderung dieser Stadt beitragen kann.
Im Vordergrund jeden wirtschaftlichen Gelingens steht das Produkt. Und da gibt es in KN ein paar Firmen, die mit Glück auf das richtige Produkt gesetzt haben. Da mag man an allen Ecken fördern wollen, wenn das Produkt zum Selbstläufer wird, bedarf es keiner Förderung.
Wer soll hier eigentlich wen auf Trab bringen? Eher wäre dem Bürger schon geholfen, wenn die Wirtschaft die Verwaltung auf Trab bringt. Ob Steuergelder reinkommen oder Steuergelder verschwendet werden, die Differenz ist die zur Verfügung stehende Aktiva.
Und wer schützt uns vor den Wünschen von OB’s, möglichst viele Denkmale in den Amtszeiten vorweisen zu können? Da hatte auch OB Frank nicht viel vorzuweisen. Das Frank-Denkmal „Kompetenzzentrum“ steht jetzt als Bauruine am Seerhein und verschandelt einer der schönsten Wohngegenden von KN. Abreißen, um möglichst viele Wohnungen zu bauen, wäre allemal besser, als den Hirngespinsten einer Seilbahn-Idee hinterher zu laufen.
Hallo,
nicht oft stimme ich der Stimme von Seemoz zu, aber diesesmal dafür umsomehr. Höre ich was von Wirschaftsförderung wirds hier ziemlich schräg..
Was die Umwidmung der Takedaräumlichkeiten betrifft -> das ist illusorisch.
Zum Einen sind die Gebäude teilweise belegt und sind auch nur für MA zugänglich gemacht -> Zugangsschutz.
Darüberhinaus sind es Laborgebäude, die umzubauen wohl deutlich zu aufwändig ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es vermutlich als Gewerbegebiet gar nicht bewohnt werden darf.
Ich würde die drei genannten Netzwerke nicht als Interessensvertretungen sehen, dafür sind sie viel zu wenig für die Öffentlichkeit gedacht. Vielmehr geht es den dort vertretenen eigentlich fast aussschließlich kleinen und mittelständischen Firmen eher um die eigene Vernetzung, um halt andere Firmen in der Stadt, die in ähnlichen Gebieten tätig sind, überhaupt erst mal kennenzulernen. Ich finde es dann auch ein bisschen unfair, zu sagen, die Netzwerke würden keine Arbeitsplätze schaffen. Natürlich nicht die Netzwerke selbst, das ist ja gar nicht der Zweck, aber die Firmen darin (die häufig auch Ausgründungen aus der Uni/FH sind) schon. Das würde ich also nicht ganz so negativ sehen.
Ansonsten sehe ich die Wirtschaftsförderung recht ähnlich: Viel Gequatsche, wenig Resultate.
Warum widmet man die vielen leer stehenden Gewerbeimmobilien (z.B. Takeda) denn nicht in Wohnraum um? Ich denke, dass man diese Gebäude durchauchs kostengünstig in einfache Studentenwohnheime umwandeln könnte und wenn der Preis günstig ist (für Konstanzer Verhältnisse…) wären viele Studierende sehr froh darüber, auch wenn es keine perfekte Loft-Wohnung ist.