Wirtschaftsförderung als Wolkenkuckucksheim

Konstanzer (In)Kompetenzzentrum - Foto: © Wolfram MikuteitIst schon klar: Ein Wirtschaftsförderer, der die Wirtschaft wirklich fördern will, sollte Optimismus ausstrahlen. Aber muss er das derart wirklichkeitsfremd, derart schwallig, derart schwärmerisch praktizieren wie Friedhelm Schaal, Wirtschaftsförderer der Stadt Konstanz von Ex-OB Franks Gnaden? Da sind ernsthafte Zweifel angebracht, wie die morgige, erste Sitzung des neuen Wirtschaftsausschusses unzweifelhaft erweisen wird

Denn neben einer ergebnislosen Umfrage zur Wirtschaftssituation (nur 35 Prozent der Betriebe nahmen teil, was selbst Optimisten nicht ‚repräsentativ‘ nennen), die höchstens sattsam bekannte Erkenntnisse zutage förderte: Die Lebensqualität und die Nähe zu Forschungseinrichtungen wird als besonders positiv bewertet (eine echte Überraschung), das Preisniveau bei Wohnflächen gilt gerade bei der Mitarbeiter-Werbung als hinderlich (wer hätte das gedacht?) und der Fachkräftemangel ist ein echtes Problem (warum fragt eigentlich niemand, wieso in der Vergangenheit kein Betrieb die Fachkräfte ausgebildet hat, die ihm heute fehlen?) – neben diesen wahrlich bahnbrechenden Umfrage-Erkenntnissen also wartet nur noch ein Tagesordnungspunkt auf die neuen Mitglieder des neuen Gremiums. Und der fußt auf einem Zustandsbericht der Wirtschaftsförderung. Und der hat es in sich.

Aufbruchstimmung: Was ist das und wo bleibt die?

Wirtschaftsförderer Schaal streift den Ausverkauf industrieller Arbeitsplätze in nur wenigen Zeilen; auch der Umsatzrückgang von 4,1 Mrd. Euro auf 3,7 Mrd. Euro (2008-2010 – standen aktuellere Zahlen nicht zur Verfügung?) wird nur knapp erwähnt. Und beim Anstieg der Arbeitsplätze von 26.818 in 2010 auf 28.114 in 2012 vergisst er, die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse zu erwähnen. Sei‘ s drum – wir haben ja den Campus Konstanz.

Wirtschaftsausschuss à la Konstanz: Der Konstanzer Wirtschaftsausschuss (übrigens ein Begriff des Betriebsverfassungsgesetzes für eine Arbeitnehmer-Vertretung) geht auf eine Idee von OB Burchardt schon aus dem Wahlkampf zurück – im Mai beschloss der Gemeinderat dieses Gremium „mit dem Aufgabengebiet: Meinungsaustausch und Diskussionsforum zu den Zukunftsthemen“. Vertreter aus Wirtschaft und Kommunalpolitik sollen die Konstanzer Wirtschaft auf Trab bringen. Mitglieder sind 13 Gemeinderats-Mitglieder (4x FGL, 3x CDU, 2x FWK, je 1x SPD, FDP und UFG; LLK ist nicht vertreten) sowie die Rektoren beider Hochschulen, die Geschäftsführer von IHK und Handwerkskammer, zwei Banker, fünf Unternehmer, eine Vertreterin der Agentur für Arbeit und eine des DGB.

So nennt Schaal das einstige, jetzt brach liegende Takeda-Gelände. „Ein wesentliches Zukunftsprojekt“ sei das, meint der Förderer, und zählt wenige, kleinere Firmen auf, die nur einen Bruchteil der 100 000-Quadratmeter-Bruttogeschossfläche belegen. Man kann nur inständig hoffen, dass dem Campus Konstanz das Schicksal des Kompetenzzentrums und der vollmundigen Ankündigungen weiterer Vermietungen erspart bleibt. Übrigens: Dass sich schon vor Jahren das Finanzamt in den Takedabüros viel zu üppig ausgebreitet hat, und dass 150 Takeda-Mitarbeiter weiterhin dort ihr Geschäft abwickeln, schreibt sich nicht einmal Schaal auf seine Fahne.

Aber Netzwerke wurden gegründet: Dass BioLAGO, cyberLAGO und SolarLake (man achte auf  die Kreativität bei der Namenswahl) reine Interessensvertretungen sind und bislang für keinen einzigen Arbeitsplatz gesorgt haben, fehlt in der stolzen Darstellung. Und inwiefern die Stadt Konstanz „die Centrotherm-Insolvenz abgewendet“ haben will, verrät uns Schaal auch nicht. Aber er schreibt es in seiner offiziellen Vorlage. Und da fragt sich dann der aufmerksame Leser: Was ist da Aufbruchstimmung und wo bleibt die?

Die unendliche Geschichte um eine Bauruine

Wahrlich wolkig wird Schaal in seiner Zustandsbeschreibung, wenn es um sein einstiges Lieblingsprojekt, das Kompetenzzentrum, geht. Zwar verhehlt er die „ wechselvolle Geschichte“ des Prachtbaus (s. Foto von Wolfram Mikuteit) nicht, dafür aber sind von der Archäologie bis zur Finanzkrise stets andere verantwortlich. Doch er schreibt tatsächlich Sätze wie diesen: „Inzwischen ist das Kompetenzzentrum bezugsfertig, ein Mieter ist seit längerem eingezogen, ein weiterer wird im November 2013 eine Fläche von ca. 700 qm beziehen“. Wer in den letzten Tagen über die Baustelle gestapft ist, glaubt sich im falschen Film. Es sollte so deutlich benannt werden: Die unendliche Geschichte der Halbwahrheiten und fehlerhaften Ankündigungen rund um die Bauruine in der Reichenaustraße dürfen sich die Volksvertreter im Gemeinderat und in seinen Ausschüssen nicht länger anhören.

Und Schaal schreibt weiter: „Aus Sicht der Wirtschaftsförderung hat sich der Wirtschaftsstandort Konstanz in den letzten Jahren trotz erheblicher Rückschläge positiv entwickelt“. Wer solche Wirtschaftsförderung betreibt, darf sich nicht beklagen, wenn er zum Hüter des Wolkenkuckucksheimes wird. Oder heißt es: Luftschloss?

Autor: hpk