Absinth – die grüne Fee
Wohl um kein anderes Getränk ranken sich so viele Mythen und sonderbare Geschichten wie um den Absinth. Der aus den Ölen des Wermutkrauts hergestellte Likör hat einen Alkoholgehalt von bis zu 75%vol und erfreute sich vor allem in Künstlerkreisen einer verruchten Berühmtheit.
Maler wie Vincent van Gogh, Edouard Manet und Pablo Picasso, Literaten wie Oscar Wilde und Arthur Rimbaud galten als überzeugte Absinth-Konsumenten.??Schon vor etwa 4000 Jahren setzte man die Wermutpflanze als Heilkraut ein. Sie galt bei Römern wie bei Griechen als Heilmittel gegen alle möglichen Beschwerden und wurde bereits damals zur Herstellung diverser alkoholischer Getränke genutzt. Die Ägypter brauten ein Wermutbier, die Griechen versetzten ihren Wein mit Wermut und nutzten die Pflanze bei Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen. Zudem wurde auch die euphorische und aphrodisierende Wirkung des Krauts geschätzt.
Absinth wurde erstmals 1798 von der Destillerie Pernod & Fils industriell hergestellt und startete auch sogleich seinen Siegeszug durch ganz Europa. Die ätherischen Öle des Wermuts enthalten als Hauptbestandteil Thujon, ein Neurotoxin, das bei vermehrtem Genuss zu körperlichen und psychischen Schäden führen kann. Doch das machte den Stoff nur noch interessanter: Absinth entwickelte sich vor allem im 19. Jahrhundert zum Kultgetränk hauptsächlich der Pariser Bohème.
Absinth lässt sich in zwei Sorten einteilen: Zum einen gibt es den „Absinth blanche“, der durch Zugabe von Wasser eine milchig-bläuliche Farbe erhält und den „Absinth verte“, der, mit Wasser verdünnt, eine grünlich-milchige Farbe annimmt und deshalb im Volksmund „die grüne Fee“ genannt wird. ??Anfang des 20. Jahrhunderts machte der Begriff „Absinthismus“ die Runde. Von schweren Abhängigkeiten aufgrund übermässigen Genusses des Getränks war die Rede und so kam es dazu, dass Absinth in fast allen europäischen Ländern verboten wurde, in Deutschland per Gesetz ab dem 27. April 1923.
Die abenteuerliche Geschichte des Trinkers Jean Lanfray aus Lausanne soll das Verbot besiegelt haben. Angeblich löschte jener im Absinthrausch seine ganze Familie aus und ging als „Absinthmörder“ in die Annalen ein. Doch Absinth wurde weiter schwarz gebrannt und die europaweite Ächtung des edlen Stoffes trug nur zu seiner Mystifizierung bei. In Deutschland wurde das Verbot 1981 wieder aufgehoben, die sogenannte „Aromenordnung“ untersagte aber weiterhin die Verwendung von Wermutöl.
Erst die Europäische Union hievte das Kultgetränk 1998 wieder in die Legalität. Allerdings wurde der Thujonanteil gesetzlich geregelt. Über eine Aufhebung des Verbots in der Schweiz, der ursprünglichen Heimat des Absinths, wurde noch länger diskutiert. Erst 2003 fiel auch dort das Verbot und so steht Absinth wieder als verlockende Offerte auf vielen Getränkekarten.
Foto: Julia Weeger
AutorIn: Holger Reile