M wie Museum
Dies ist der zwölfte und vorläufig letzte Teil der seemoz-Serie über das spannende Leben des Fritz Mühlenweg vom Bodensee. Vor Monaten aufgelegt als Vorschau auf das neue Mühlenweg-Museum in Allensbach und liebevoll verfasst vom Kurator des Museums, Ekkehard Faude. Jetzt ist es so weit: Am 22. und 23. Juni wird das Museum in den oberen Räumen des Bahnhofs Allensbach eröffnet – ein idealer Ausstellungsort, wie Ekkehard Faude beschreibt.
Diese Woche wird es eröffnet. Was ein Museum alles sein kann, weiß ich immer noch nicht. Ein Ort, an dem dieser merkwürdige Könner Mühlenweg nun für geraume Zeit nicht mehr verlorengehen kann? Immerhin ist ihm das einmal fast schon passiert: 1991, als ich den ersten Text von ihm aus einem antiquarischen Buch las, gab es im deutschen Buchhandel nur einen, dazu noch gekürzten Roman von ihm, bei dtv-junior.
Ist das Museum eine stabile Durchgangsstation auf dem Weg zu einer künftig noch viel größeren Bekanntheit? Denn einerseits hat eine Drift begonnen, die seine Bücher in die Länder bringt, deren ganz andere Kultur er uns vermitteln wollte. 2011 gab es die mongolische Ausgabe seines Kinderbuchs „Der Familienausflug“. Und nicht ausgeschlossen, dass im nächsten Jahr die chinesische Ausgabe von „Nuni“ erscheint.
Andererseits wird, mit dem Ablauf der Schutzfrist 2031 (nur noch schmale 19 Jahre…) auch jener ungute Filmvertrag seine Sperrkraft verlieren, der seit 1989 die Verfilmung von „In geheimer Mission durch die Wüste Gobi“ immer weiter verschiebt und so blockiert. Wir hatten in den letzten drei Jahren Anfragen von englischen Filmemachern und von einem Hollywood-Profi. Sie hatten die englischsprachige Übersetzung von Isabel and Florence McHugh („Big Tiger and Christian“) gelesen, und den großen Stoff gespürt. Es wird – „in der Eile sind Fehler“ – irgendwann eine Verfilmung geben; auch bei Tolkien hat es viele Jahrzehnte gebraucht.
Ist ein Museum eine Kuriositätensammlung? Gewiss auch, wenn man‘s so versteht: dass das Entdecken schöner Einzelheiten eine Neugier entfacht, die dann dem schriftstellerischen Werk gelten kann. Von welchem Schriftsteller sonst kann ein Paar uralte Skier ausgestellt werden? Die er, geschultert, auf den Säntis getragen hat, Silvester beim Wetterwart und dann einmal hinab ins Tal… Skier, die er auf die Transsibirische mitnahm bei der ersten Reise nach Peking und mit denen er im März 1927 dort auf der frisch beschneiten Großen Mauer lief. Körpergeschichte. Selbstvertrauen in die eigene Kraft und Geschicklichkeit.
Oder der Holzkasten mit den 50 großformatigen Glasdias für seine Vortragsreisen – eine Leihgabe des Felder-Archivs in Bregenz. Mühlenweg schleppte ab 1951 zwei solcher Kästen, dazu den Projektor und die Leibwäsche für zwei Wochen mit sich, auf seinen Lesereisen per Bahn. Nach Hamburg, Saarbrücken, Bern, Graz; auch nach Thalmässing, weil ihm von dort jeder Schüler einer Hauptschulklasse einen Brief geschrieben hatte… Seine Erzählungen über die Mongolei zu 100 Schwarz-Weiß-Dias. Es waren die letzten Jahre vor dem Fernsehen. Ab 1954 merkte er eine gelinde Enttäuschung bei den Zuhörern: Sie erwarteten bewegte Bilder oder wenigstens farbige.
Oder das Widmungsexemplar von Max Frisch in einer Schubladenvitrine: Frisch schickte ihm den „Stiller“ in der Woche nach einer Begegnung in Braunschweig, wo beide einen Literaturpreis entgegen nehmen konnten. Dazu ein Foto, das nirgends abgedruckt wurde: auf dem beide ganz unfeierlich feixend lachen. Dieses Museum gilt ja unter anderem einem Humoristen. Der das Leben ernst nahm, aber nicht die Welt. Der sich als Leser über die Zähfädigkeit der Selma Lagerlöf ärgerte, lieber den „Don Quijote“ dreimal las und ganz begeistert war von „Puh der Bär“.
Mein Lieblingsding in diesem Museum? In dem von Freddy Overlack – Meisterschreiner in Radolfzell – wunderschön gestalteten schrägen Schaustück im „Asienraum“, direkt neben den Projektionen des Originalfilms aus der Gobi-Expedition, sieht man beleuchtet: Die abgegriffene Kladde, in der sich Mühlenweg die ersten mongolischen Wörter nach Gehör aufschrieb, beim Aufsatteln oder an Lagerfeuer erfragt bei den Kamelmännern. Und darunter: ein metallner Steigbügel, seltsames schweres messingschimmerndes, klobiges Ding.
Sein mongolischer Freund Märin breitete am allerletzten Tag vor Mühlenweg seine kleine Habe aus und ließ ihn ein Abschiedsgeschenk auswählen. Mühlenweg wusste, dass er in Europa keine Steigbügel mehr brauchte. Aber er wählte das wertvolle Geschenk, weil er so dem Freund seine eigene Wertschätzung zeigen konnte. Dieses schimmernde solitäre Ding nun im Museum, 80 Jahre nach einem Abschied für immer.
Kann ein Museum ein Ort sein, an dem auch Emotionen überliefert werden? Erinnerungen an den gegenseitigen Respekt, in dem sich Menschen unterschiedlicher Kulturen finden können –?
Am 22. (Auftakt) und 23. Juni (Tag der offenen Tür) ist es soweit: Das Mühlenweg Museum Allensbach in den oberen Räumen des Bahnhofs wird eröffnet. Ein idealer Ausstellungsort, denn von diesem Bahnhof aus startete Mühlenweg ab 1951 als Bestsellerautor zu Lesereisen durch Deutschland, die Schweiz und Österreich.
Autor: Ekkehard Faude