Verdient der Mann ein Museum?
1898 in Konstanz geboren in einer rasch zu Wohlstand gelangten Kaufmannsfamilie – er hätte Drogeriebesitzer im Teig des Bürgertums werden können, in städtischen Ausschüssen und überregionalen Berufsverbänden arbeitend wie sein Vater. Ein hoch angesehenes Mitglied der lokalen Gesellschaft. Nun soll ihm zu Ehren gegen Ende des Jahres ein Museum in Allensbach eröffnet werden.
Aber er ging früh aus der Spur – ließ sich, Klassenbester an der Oberrealschule, nicht dazu bewegen, bis zum Abitur weiterzumachen. Lieber eine Lehre als Drogist im fernen Westfalen. Wurde dann einer, der lebenslang weiter lernte…
Ließ sich nicht festhalten: Aus der französischen Kriegsgefangenschaft floh er 1919 allein, schlug sich in Nachtmärschen zum Rheinufer durch, durchschwamm den Fluss bei Breisach – und blieb dann doch lebenslang frankophil, dem Nachbarland in Literatur und Malerei verbunden. Andere haben sich in revanchistischen Hass geflüchtet.
Ein paar Jahre erfüllte er brav die Erwartungen seines Milieus. Aber mit 28 brach er ab, stieg aus dem betriebsamen Stillstand eines Kaufmannslebens in Konstanz aus. Als er im Jahr danach in der Mongolei meinte, unter die Räuber gefallen zu sein, floh er zu Fuß durch die Gobi, auf einem Nebenweg der Seidenstraße, „Pfad der Nachdenklichkeit“ genannt. Und schrieb darüber viel später den Roman „Fremde auf dem Pfad der Nachdenklichkeit“.
Nach fünf Jahren zwischen Berlin und der Mongolei, fast die Hälfte davon in der Gobi in einer Expedition des weltberühmten Sven Hedin, wurde er Maler in Wien, heiratete (in Südfrankreich) eine österreichische Künstlerin, mit der er sesshaft wurde und sieben Kinder aufzog: in Allensbach am Bodensee. Dort lebte er als freier Maler, Familienvater und Autor bis 1961.
Ach ja: Als er 50 war, schrieb er ohne Plan, von Szene zu Szene erfindend, seinen ersten Roman („In geheimer Mission durch die Wüste Gobi“): Mit ihm wurde er einer der wirkungsreichsten Autoren der frühen Bundesrepublik. In den USA verlegte ihn der legendäre Kurt Wolff (der einst Trakl und Kafka entdeckt hatte), der kürzte freilich auch als erster den Roman. Für die englische Ausgabe schrieb der Globetrotter Peter Fleming das Vorwort. Dass Mühlenweg nach seinem frühen Tod 1961 für dreißig Jahre sacht in Vergessenheit geriet, – das ist auch anderen und Größeren passiert (Büchner, Melville…).
Fritz Mühlenweg also. Was sich andere Literaten des 20. Jahrhunderts aus der Bodensee-Region vergeblich wünschten, bekommt er in diesem Jahr: Allensbach richtet dem Schriftsteller, Maler, Asienreisenden Fritz Mühlenweg ein Museum ein. Im ersten Stock jenes alten Bahnhofs, von wo aus der Autor zu Hunderten von Lesungen zwischen Hamburg, Saarbrücken, Bern und Graz aufbrach; immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Kräftig unterstützt vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, wird dies Museum in eine illustre Perlenkette literarischer Gedenkstätten des Landes Baden-Württemberg aufgenommen – die bewahrt fürs öffentliche Gedächtnis z. B. Johann Peter Hebel in Hausen, Hermann Hesse in Gaienhofen, Christoph Martin Wieland in Biberach und Ernst Jünger in Wilflingen. (Auch jenen Theodor Heuss in Brackenheim, der als Bundespräsident dem Übersetzer Fritz Mühlenweg 1956 den damals erstmals vergebenen Kinderbuchpreis überreichte mit den Worten: „Sie hend mir mit Ihrem Buch e saumäßige Freud gmacht“). Der Großvater Heuss las seinem Enkelkind „Der glückliche Löwe“ vor.
Bis zur Eröffnung des Museum erzählt an dieser Stelle Ekkehard Faude, der seit 20 Jahren auf Mühlenwegs Spuren ist, sein literarisches Werk bei Libelle neu heraus gibt und für die Allensbacher Gedenkstätte die Inhalte besorgt „Fritz Mühlenweg von A bis Z.“ Also womöglich von Angst bis Zeitkritik, Allensbach bis Zugfahren, All-Age-Autor bis Zentralasien… Thematische Fragen von Leserinnen und Lesern werden gern beantwortet.
Ich freue mich auf Mühlenweg B in der Reihe von A bis Z