AKW Fessenheim: Kleine Freude und große Skepsis

Der französische Stromgigant EDF hat einen wichtigen Schritt zur geplanten Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim gemacht. Der Verwaltungsrat stimmt einer Einigung mit dem französischen Staat über eine Ent­schä­di­gung zu. Nach Angaben der Zeitung „Le Monde“ soll die Entschädigung etwa 450 Millionen Euro bis 2021 betragen. Allerdings will die EDF den notwendigen Antrag auf Ende der Betriebserlaubnis noch nicht stellen, sondern weiter verhandeln.

Ein weiterer, kleiner Schritt zur Schließung des ältesten AKW Frankreichs scheint getan. In die sehr vorsichtige Freude über diese lange und mehrfach angekündigte, vom „atomaren französischen Dorf“ heftig bekämpfte „Vor“-Entscheidung mischt sich aber auch Zweifel.

Dem BUND und der Umweltbewegung im Dreyeckland geht es ein wenig wie Goethes Faust, der sagt: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Die EDF hat die Entscheidung gezielt lange verzögert und sie will „weiter verhandeln“, um sie bei einer anderen Regierung umkehrbar zu machen. Staatspräsident Hollande versprach ursprünglich die Schließung des ältesten und gefährlichsten AKW Frankreichs innerhalb der Wahlperiode seiner Präsidentschaft.

Es bleibt die zentrale Frage, ob der heutige kleine Schritt von einer rechtskonservativen Pro-Atom-Nachfolgeregierung nicht wieder gekippt werden kann. Nach Ansicht von BUND muss die Abschaltung schnell geschehen und unumkehrbar sein

Die EDF ähnelt einem Fuhrunternehmen, das vor ca. 40 Jahren fast gleichzeitig 58 neue LKW/AKW kaufte, den Fuhrpark aber nie erneuert hat. Die „58 LKW/AKW“ werden jetzt gleichzeitig alt und marode und sind gefährliche, wartungsintensive Oldtimer geworden. Ein Fehler im versprödeten Reaktorstahl oder ein anderes massives technisches Problem, das gleichzeitig an allen überalterten Reaktoren auftreten könnte, würde zum ökonomischen Kollaps der EDF und der französischen Wirtschaft führen.

Dieses massive Überalterungs-Problem aller französischer Reaktoren ist ein wichtiger Grund für die angekündigte Abschaltung des ältesten AKW Frankreichs in Fessenheim, denn irgendwann müssen Erfahrungen mit dem teuren und schwierigen Abbruch von stark verstrahlten Reaktoren dieser Baureihe gemacht werden. Leider hat die EDF auch viel zu wenig Geld für den Abbruch der alten AKW zurückgelegt.

Der trinationale Protest gegen das AKW Fessenheim war und ist mit einem Klavier mit vielen, vielen Tasten zu vergleichen. Die „Protest-Tasten“ sind Kundgebungen, Demos, Plakataktionen, Unterschriftensammlungen, Kleinanzeigen, 120.000 BUND-Flyer, kritische Studien, Kataströphchenschutzkritik, langweilige Sitzungen, Internetseiten und Newsletter, Aufkleber, TRAS-Klagen, PolitikerInnen-Protest, Banner und Fahnen an Balkonen, für Demos gebackene Kuchen, engagierte KünstlerInnen, Resolutionen, Medienarbeit und seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima auch die wöchentlichen Mahnwachen in Breisach und Müllheim. Jede einzelne dieser „Protest-Klavier-Tasten“ ist wichtige und gelebte Demokratie und erhöht den Abschaltdruck, gerade auch im Jahr 2017, Jahre nach Fukushima und 30 Jahre nach Tschernobyl.

Nach BUND-Ansicht darf der trinationale Abschaltdruck bis zur endgültigen Abschaltung trotz aller EDF-Aussagen nicht nachlassen. Die unterschiedlichen Tasten am „Protest-Klavier“ werden weiter gebraucht.

Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer südlicher Oberrhein

(Die Karte zeigt das Gefährdungsgebiet bei einem schweren Unfall in Fessenheim und lebhaftem Südwestwind mit Regen. Ökoinstitut Darmstadt).

http://www.bund-rvso.de/fessenheim-abschaltung.html

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