Das katastrophale Beispiel – Atomkraftwerk Fessenheim
Die bisherige Notfallschutzplanung für Atomunfälle in Deutschland ist unrealistisch und ein politischer Kniefall vor den Atomkonzernen. Insbesondere die viel zu kleinen Evakuierungsradien gehen an der erschreckenden Realität eines Atomunfalls weit vorbei. Beispiel: Das französische AKW Fessenheim im Erdbeben-gefährdeten Oberrheingraben nahe Lörrach, dessen Betriebsgenehmigung erst in der vergangenen Woche von einem Gericht bestätigt wurde.
Der aktuelle Katastrophenschutzplan für Atomunfälle (aus sprachhygienischen Gründen heute Notfallschutzplan genannt) kann bei kleineren Atomunfällen, die erst nach mehreren Tagen zu einer „Freisetzung“ von Radioaktivität führen, zu einem gewissen Schutz der Bevölkerung beitragen. Er kann und soll auch Panikreaktionen verhindern, also beruhigen. Er sollte bisher aber vor allem Akzeptanz für Atomkraftwerke und Laufzeitverlängerung schaffen.
Bei schweren Atomkatastrophen, beim Super-GAU, bei denen nach kurzer Zeit ein Großteil des radioaktiven Inventars entweicht, bietet der jetzige Katastrophenschutzplan nur eine minimale Hilfe. Solche Unfälle, deren Eintrittswahrscheinlichkeit gering ist, die aber dennoch jeden Tag möglich sind, sprengen unser Vorstellungsvermögen. Sie sind im Plan nicht vorgesehen.
Radioaktivität über 24000 Jahre
In jedem alten wie auch neuen AKW wird in einem Betriebsjahr pro Megawatt elektrischer Leistung ungefähr die Radioaktivität einer Hiroshima-Bombe erzeugt. Das heißt, dass in den drei betroffenen japanischen Reaktoren mit 460, 784 und 784 MW Leistung im Jahr in etwa die kurz- und langlebige Radioaktivität von ca. 2028 Hiroshima-Bomben entsteht. Ein Teil dieser radioaktiven Stoffe zerfällt sehr schnell, andere (Plutonium) sind bei Halbwertzeiten von über 24 000 Jahren faktisch dauerhaft vorhanden. Wenn ein Teil dieser Radioaktivität austritt und Richtung Tokio zieht, wird aus der jetzigen Katastrophe ein Inferno.
Alternde, laufzeitverlängerte AKW mit versprödeten Reaktordruckgefäßen (nicht nur in Japan, sondern auch Deutschland) vergrößern die Unfallgefahr, doch schwere Atomunfälle sind auch in neuen AKWs möglich. Das Problem waren und sind insbesondere Katastrophenabläufe, mit denen im Vorfeld weder AKW-BefürworterInnnen noch KritikerInnen gerechnet haben.
Eine Studie des Ökoinstituts Darmstadt im Auftrag der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen besagt, dass sich bei einem schweren Unfall in Fessenheim und lebhaftem Südwestwind mit Regen eine bis zu 370 km lange Schadensfahne von Fessenheim bis in den Raum Würzburg-Nürnberg erstrecken könnte. In deren Bereich müssten alle Siedlungen auf 50 Jahre geräumt werden, sollten die Richtlinien von Tschernobyl zur Anwendung kommen. Betroffen wären u.a. die Städte Freiburg, Emmendingen, Freudenstadt, Tübingen, Stuttgart, Heilbronn und Schwäbisch Hall. (Sollte der Wind am Katastrophentag in eine andere Richtung wehen, so wären natürlich andere Städte und Gemeinden betroffen).
Alle abschalten
Die Atomunfälle in Fukushima und Tschernobyl haben gezeigt, dass die bestehenden Katastrophenschutzpläne mit viel zu kleinem Evakuierungsradius längst Makulatur sind. Ein Katastrophenschutz, der nicht alle tatsächlich möglichen Unfallabläufe mit einbezieht, ist realitätsfern und ein typisches Beispiel der bisher herrschenden Apokalypsenblindheit.
Solange die Atomkraftwerke nicht alle abgeschaltet sind, muss aus dem Kataströphchenschutz endlich ein realistischer Katastrophenschutz werden.
Autor: Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer