Dieser Aufsichtsrat ist bestimmt für den Ausverkauf der Bahn
Wer glaubt, mit dem Abgang von Bahnchef Mehdorn sei das Privatisierungsgeschacher um die Deutsche Bahn nur noch Geschichte, sieht sich durch die Personalpolitik von Verkehrsminister Ramsauer belehrt. Denn die Neubesetzung des DB-Aufsichtsrates mutet an wie ein Lobby-Management für den Börsengang – wie bestimmt für einen Ausverkauf der immer noch staatlichen Bahn.
Die Deutsche Bahn AG (DB) gehört zu 100 Prozent der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesverkehrsministerium bestimmt deshalb in Vertretung von rund 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern die zehn Kapitalvertreter im Aufsichtsrat (AR) der DB AG; ein zusätzliches Drittel im Aufsichtsrat stellen Arbeitnehmer-Vertreter, die von der Belegschaft gewählt oder von den Gewerkschaften ernannt werden. Die Mehrheitsverhältnisse sind also von vornherein geklärt – so funktioniert Mitbestimmung bei Aktiengesellschaften in Deutschland.
Bei der jüngsten Neuernennung des DB-Aufsichtsrates in diesem Jahr besetzte Verkehrsminister Ramsauer nur vier Aufsichtsratssitze mit Vertretern der Öffentlichkeit, Spitzenbeamte in der Regel. 60 Prozent vergab er an Privatindustrielle und Lobbyisten privater Profitinteressen:
Christoph Dänzer-Vanotti ist Mitglied im Vorstand des Stromkonzerns E.on. Dieser plant gerade den Neubau eines Kohlekraftwerkes im westfälischen Datteln, dessen Rentabilität über einen langfristigen Vertrag mit der DB gesichert werden soll.
Jürgen Großmann ist Topmanager des Stromriesen RWE und aktuell einer der führenden Lobbyisten für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken. Außerdem ist er Mitglied im VW-Aufsichtsrat und Alleineigentümer der Georgsmarienhütte Holding. Zu dieser gehören mit der Bahn-Radsatzfabrik Ilsenburg (RAFIL) und der Firma ‚Bochumer Verein Verkehrstechnik‘ die zwei wichtigsten Hersteller für ICE-Radsätze. Großmann ist also mit der Aufsicht der Bahn beauftragt, an die seine Unternehmen die hoch sensiblen ICE-Achsen und Räder liefern – die sich als „nicht dauerfest“ erweisen.
Heinrich Weiss ist Geschäftsführer des Maschinenbaukonzerns SMS GmbH und Verwaltungsrat des weltweit größten Bahntechnikherstellers Bombardier aus Kanada, der seit ewigen Zeiten an der Börse notiert ist. Ein Verwaltungsrat einer dortigen AG bestimmt maßgeblich das operative Geschäft.
DB-AR-Vorsitzender wurde Utz-Hellmuth Felcht. Der Mann ist im Hauptberuf Managing Director der Privat Equity Gesellschaft ‚One Equity Partners, OEP‘, einer Tochter von JP Morgan, der zweitgrößten US-Bank. OEP kontrolliert Dutzende großer Firmen, darunter die Firma Carlson Wagonlit Travel. Außerdem ist Felcht im Aufsichtsrat der irischen CRH, einem der größten Baustoffhersteller der Welt. Sein hauptsächlicher Brötchengeber, JP Morgan, war bereits an führenden Großdeals des Bahngeschäfts beteiligt – so 2002 als Berater an der Fusion der Logistikfirmen Stinnes und Schenker. Verkehrsminister Ramsauer betont dann auch, dass der Manager „ein exzellenter Kenner des Börsengeschehens“ sei – „wichtig für den weiter geplanten Verkauf der DB AG an der Börse“. Felcht selber erklärt frank und frei, dass er „von Eisenbahn keine Ahnung“ habe.
Weitere Industrie-Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sind Jürgen Krumnow, ehemals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, und Knut Löschke, bis 2009 Vorstandsvorsitzender der Firma PC-Ware in Leipzig.
Die Hauptinteressen der genannten, neuen Aufsichtsräte stehen also oft in auffallendem Gegensatz zu den Interessen der Deutschen Bahn als Staatsbetrieb. Die Absicht hinter dieser Personalpolitik im Dunkeln ist unverkennbar – der Börsengang, die Privatisierung ist weiterhin das Ziel.
Autor: Winfried Wolf, lunapark21
Ist das nicht ein Fortschritt, dass jetzt Banker, Stromkonzerne und Maschinenbauer im Aufsichtsrat sitzen? Früher waren es doch die Autokonzerne.