Ein eindringlicher Appell zum Neuen Jahr

(mb) Die wunderbare Greta und die Hellsicht der Pubertät. Ein Appell zum Neuen Jahr an uns alle. Gretas Text wurde vergangenes Wochenende auf der Naturschutz-Tagung von NABU & BUND in Radolfzell unter den MitstreiterInnen leider nur verteilt und nicht als deutlich politischer Impuls diskutiert. Was irgendwie schade ist.

Große Aufmerksamkeit bekam die Schülerin Greta Thunberg aus Stockholm, als sie kurz vor den schwedischen Parlamentswahlen begann, jeden Freitag die Schule zu schwänzen, um dann vor dem Parlament für den Klimaschutz zu demonstrieren. Weltweite Bekanntheit erlangte sie dann durch ihre Rede beim UN-Klimagipfel in Kattowitz. Was sie, an die Weltpolitik gerichtet, dabei sagte, hier in deutscher Übersetzung, dazu ein Kommentar zum Thema.

„Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Schweden. Ich spreche im Auftrag von Climate Justice Now. Viele Menschen glauben, dass Schweden nur ein kleines Land ist und es nicht wichtig sei, was wir tun. Ich aber habe gelernt, dass man niemals zu klein ist, um einen großen Unterschied machen zu können. Wenn ein paar Kinder es schaffen, Schlagzeilen auf der ganzen Welt zu bekommen, indem sie einfach nicht zur Schule gehen, dann stellen Sie sich mal vor, was wir alles erreichen könnten, wenn wir es wirklich wollten.

Aber um das zu tun, müssen wir Klartext reden, egal, wie unangenehm das auch ist.

Sie reden nur deswegen vom ewigen Wirtschaftswachstum, weil Sie Angst haben, unpopulär zu sein. Sie sprechen immer nur davon weiterzumachen, mit denselben schlechten Ideen, die uns in diese Misere gebracht haben. Dabei wäre es das einzig Sinnvolle, die Notbremse zu ziehen. Sie sind nicht erwachsen genug, um das so zu formulieren. Selbst diese Bürde überlassen Sie uns Kindern. Mir geht es nicht darum, bekannt zu sein. Mir geht es um Klimagerechtigkeit und um einen lebenswerten Planeten. Unsere Zivilisation wird für die Chancen einer kleinen Gruppe von Menschen geopfert, die immer mehr Geld verdienen wollen. Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der Vielen, die für den Luxus der Wenigen bezahlen.

2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Wenn ich Kinder habe, werden sie vielleicht den Tag mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich nach Ihnen fragen. Vielleicht werden sie fragen, warum Sie nichts unternommen haben, obwohl noch Zeit dazu war. Sie sagen, dass Sie Ihre Kinder mehr als alles andere lieben, aber gleichzeitig stehlen Sie ihnen ihre Zukunft vor den Augen weg. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie beginnen, sich auf das zu konzentrieren, was getan werden muss und nicht was politisch möglich ist, wird es keine Hoffnung geben.

Wir können eine Krise nicht lösen, ohne sie als eine Krise zu behandeln. Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen. Wir müssen den Fokus auf Gerechtigkeit lenken. Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern. Wir sind nicht hierhergekommen, um vor Weltpolitikern darum zu betteln, dass sie sich kümmern. Sie haben uns in der Vergangenheit ignoriert und Sie werden uns wieder ignorieren. Uns gehen langsam die Ausreden aus, uns läuft die Zeit davon! Wir sind hierhergekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ein Wandel kommen wird, egal, ob Sie es wollen oder nicht. Die wirkliche Macht gehört den Menschen. Vielen Dank.“


Kommentar: Und was tun wir?

Erkennen wir auch den globalen Turbo-Kapitalismus als die wesentliche Ursache von so viel sinnloser Zerstörung durch viel zu viel Wachstum von Unnötigem? Quasi wie eine zweite Naturgewalt beherrscht uns global ein entgrenztes Wirtschaftssystem durch permanente Spiralen der Beschleunigung. Dieses irre Immer-Schneller-System ist deshalb so schwer aufhaltbar, weil es in seiner Eigendynamik für einzelne Menschen nicht begreifbar ist. Wie der süße Brei im Märchen läuft da was über, und erstickt uns allmählich.

Aber – wer will das eigentlich?

Wir sind doch ganz viele, wir Kunden. Wir könnten doch, auch durchaus kundig, NEIN sagen und zwar deutlich. Wir könnten uns doch konkret verweigern gegenüber dem Plastik-Plunder, eine gemeinsame Haltung sichtbar an den Tag legen, darauf bestehen: Wir wollen uns gut ernähren, wir wollen informiert sein, wir wollen gesunde Luft atmen, wir wollen uns freuen, gemeinsam. Denn das ist unser gutes Recht.

Was brauchen wir wirklich? Was ist ein sinnvolles Produkt?

Auf jeden Fall eines, bei dem die Öko-Bilanz stimmt, und das die körperlich anstrengende Arbeit erleichtert. Zum Beispiel: Waschmaschinen und auch Spülmaschinen. Und gute Rollstühle und praktische Kinderwagen, und Aufzüge für die Kleinen und die Schwächeren. Ja, und digitale Geräte, aber doch keine Zeitvernichtungs-Maschinen, die jede Menge armselige Autisten übrig lassen, im Kopf künstlich krank gemacht. Leopard-2-Panzer braucht eigentlich kein Mensch. Also weg mit den milliardenschweren und todbringenden Waffen.

Liebe Leute hier: Bitte denkt darüber nach, was sinnvoll ist. Was brauche ich, zum Beispiel, wenn ich morgens aufstehe? Wirklich so ein supertolles süßliches Deo, wie in unzähligen Werbespots angepriesen? Wirklich so eine knallbunte Plastikzahnbürste, deren Stiel – unkaputtbar und in irrsinnigen Mengen hergestellt – nach zwei Monaten auf den Müll fliegt? Es reicht doch, bloß das Bürstchen auszutauschen. Nicht zu vergessen – aber das wissen wir ja inzwischen schon – die Plastikbecher, die Alukapseln, die ausgelaugten Weichbrötchen mit den geschmacksverstärkten Fleischresten … Aber wer soll das verschlingen, und dann die Klappe halten? Na, vor allem die so genannten bildungsfernen Schichten mögen sich gefälligst zufrieden geben, oder wie ist das zu verstehen?

Okay, hier auf seemoz sind ja überwiegend schon die Vernünftigen versammelt. Aber wir sollten auch mit denen reden, die sich tagtäglich mit höchst bescheuerten Gegenständen und Junkfood und flatrates in einer vermeintlichen Komfortzone bequem und anpasserisch eingerichtet haben, nach dem billigen Motto: „Ich kaufe, also bin ich.“ Und auch mit denen, die sich wenig aussuchen können, den Nichtprivilegierten, denn es ist auch eine Frage des Geldes.

Es gibt sie inzwischen wieder – die motivierten BürgerInnen, die sich in Gruppen zusammentun, zivilgesellschaftlichen Widerstand organisieren, sich aktiv öffentlich und munter bemerkbar machen und sich vor Ort gerne engagieren. Inzwischen nehmen immer mehr Menschen ihre Verantwortung als KäuferInnen wahr, denn wir können durchaus mit-bestimmen, was auf den Markt kommt. Denn eine spürbare Konsumverweigerung der bisher braven Kundschaft werden die profitgierigen Turbos nicht achselzuckend hinnehmen. Steigt die Zahl der kritischen VerbraucherInnen, werden die Herren der Konzerne ihre Sortimente qualitativ und quantitativ ändern. Daher unser Appell: Gehen wir zusammen vor die Läden, reden wir Tacheles mit den Verantwortlichen. Nur dann besteht die Hoffnung, dass sich die Drahtzieher der aktuellen Verhältnisse endlich besinnen.

Marianne Bäumler