Erinnerung an Gerhard Thielcke

Vergangenen Samstag jährte sich der Todestag von Gerhard Thielcke zum zehnten Mal. Seit Anfang der 1970er Jahre betreute er die Naturschutzflächen um Radolfzell auf vielfältige Weise. Er überzeugte in unzähligen persönlichen Gesprächen Behörden, Forst-, Gemeinde- und Ortschaftsräte, Bauern und Grundstücksbesitzer von notwendigen Schritten im Naturschutz. Er führte über Jahrzehnte Kontrollen und Bestand­kar­tie­run­gen der Vögel durch, setzte Impulse und beschaffte die notwendigen Mittel.

Der Zoologe und Gründer sowie langjährige Bundes- und Landesvorsitzende des BUND, der Deutschen Umwelthilfe und weiterer Umwelt-Organisationen starb am Abend des 22. Juli 2007 im Alter von 76 Jahren.

Einer seiner Wahlsprüche lautete: „Wer klug ist, wählt die Vorwärtsstrategie und bestimmt dabei gestaltend mit, wohin die Reise geht.“ Das hat er vor allem mit dem Aufbau politisch einflussreicher Naturschutzverbände und bei der Entwicklung großflächiger Schutzgebiete getan – vom Bremer Becken über das Elbetal, wo er aufwuchs, bis zum Naturschutzgebiet Mindelsee und der Radolfzeller Aach. Diese beiden Naturparadiese, die Umgebung seiner Wahlheimat Radolfzell-Möggingen, lagen ihm besonders am Herzen.

Wegmarken aus dem Leben Gerhard Thielckes

Thielcke wurde 1931 in Köthen, Sachsen-Anhalt, geboren und wuchs dort auf. Nach einer Gärtnerlehre studierte er Zoologie an den Universitäten Freiburg und Tübingen. 1970 habilitierte Thielcke an der Universität Konstanz, wo er ab 1985 eine Professur hatte. Von 1962 bis 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie. Er arbeitete in der Grundlagenforschung und in der angewendeten Forschung zum Naturschutz.

1973 gründete Thielcke zunächst den BUND-Landesverband, 1975 den BUND-Bundesverband, dessen Vorsitzender er bis 1983 war. 25 Jahre lang war er Landesvorsitzender des Verbandes in Baden-Württemberg. 1978 startete er für den BUND die erste bundesweite Naturschutz-Kampagne Deutschlands mit dem Titel „Rettet die Vögel“. Das gleichnamige Buch war monatelang auf Platz 1 der deutschen Bestsellerlisten.

Über zehn Jahre lang, bis 1999, war Thielcke Bundesvorsitzender der Deutschen Umwelthilfe mit Sitz in Radolfzell am Bodensee. Ebenfalls in ehrenamtlicher Funktion war Thielcke von 1972 bis 1981 Vorsitzender der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz, einem Zusammenschluss europäischer Fachornithologen.

1998 gründete Gerhard Thielcke den Global Nature Fund (GNF). Wichtigstes Projekt dieser Stiftung ist das weltweite Seennetzwerk Living Lakes – Lebendige Seen. 1987 war er Gründungsmitglied der Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR), eine Organisation, die europaweit Modell-Projekte in Naturschutzgebieten durchführt. Beide Organisationen haben ihren Sitz in Radolfzell am Bodensee.

Von 1988 bis 1990 arbeitete Prof. Dr. Gerhard Thielcke als Private Consultant für die Naturschutzabteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Viele Jahre war er Mitglied im Landesbeirat für Naturschutz der Landesregierung und im Stiftungsrat der Stiftung Naturschutzfonds. Dass die Naturschutzverbände BUND, Deutsche Umwelthilfe, Globale Nature Fund, Euronatur und Bodensee-Stiftung heute alle in Radolfzell ihren Sitz haben, mit zusammen über 80 Arbeitsplätzen, ist vor allem Gerhard Thielcke zu verdanken. Sein jahrzehntelanges Engagement für den Naturschutz hat dazu geführt, dass sich die Stadt Radolfzell und der Landkreis Konstanz mit Natur- und Umweltschutz weit über die lokalen Grenzen hinaus profilieren konnten.

Er hat die kritische Berichterstattung über Natur- und Umweltthemen hoffähig gemacht. Seine Beiträge waren Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre so begehrt, dass in den Redaktionen am Bodensee der Spruch die Runde machte: „Unseren täglichen Thielcke gib uns heute“.

Thomas Giesinger