Freie Fahrt für Fracking?
Der Bundestag soll nach langem Ringen am heutigen Freitag über das geplante Frackinggesetz abstimmen. Für die Region Oberschwaben-Bodensee wird in verschiedenen Medien, vor allem aber vom hiesigen CDU-MdB Andreas Jung, behauptet, einen weitreichenden Schutz erreicht zu haben. Stimmt das wirklich? Der BUND Konstanz gibt Antworten.
Im überarbeiteten Gesetzesentwurf sollen folgende neue Formulierungen verwendet werden:
1) Eine Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung ist zu versagen, wenn Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl aufgebrochen werden soll.
2) Abweichend davon können Erlaubnisse für vier Erprobungsmaßnahmen mit dem Zweck erteilt werden, die Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen. Diese Erlaubnisse bedürfen der Zustimmung der jeweiligen Landesregierung. Bei dieser Entscheidung sind die geologischen Besonderheiten der betroffenen Gebiete und sonstige öffentliche Interessen abzuwägen.
3) Im Jahr 2021 überprüft der Deutsche Bundestag auf der Grundlage des bis dahin vorliegenden Standes der Technik die Angemessenheit des Verbots aus Ziffer 1.
Fracking wird Tor und Tür geöffnet
Was bedeutet das für die Bodenseeregion? Fracking in Sandstein (Tight-Gas), so wie er am Bodensee und in Oberschwaben vorkommt, und das Verpressen von Lagerstättenwasser ist weiterhin ausdrücklich erlaubt! Sogar in Natura 2000 Gebieten sowie – ermöglicht durch horizontale Bohrungen – unter allen Schutzgebieten (auch Wasserschutzgebieten) wird Fracking Tür und Tor geöffnet.
Das geplante Gesetz ist in erster Linie dazu gedacht, den Gas und Öl fördernden Firmen Rechtssicherheit zu geben, damit weiter gefördert werden kann wie bisher. Der weiterhin bestehende Schutz für die Einzugsgebiete großer Trinkwasserspeicher ist selbst für die Bodenseeregion nicht ausreichend, um Fracking zu verhindern. Bereits Gottmadingen im Kreis Konstanz gehört schon nicht mehr zum Einzugsgebiet des Bodensees. Hier wären Frackingmaßnahmen grundsätzlich erlaubt. In Oberschwaben stellt sich die Frage, ob auch die Einzugsgebiete der Bodenseezuflüsse von Fracking ausgenommen werden.
Die Öffentlichkeit wird getäuscht
Das Gesetz ist zu schwammig, um einen wirkungsvollen Schutz für unsere Region zu garantieren. Probebohrungen können weiterhin auch in anderen Gesteinsarten durchgeführt werden, solange das Gesetz in Kraft ist, also bis zur Überprüfung im Jahr 2021. Zwar müssen die jeweiligen Landesbehörden zustimmen, die Erfahrungen mit der Landesbergbehörde LGRB in BW haben jedoch gezeigt, dass von dieser unkritisch Aufsuchungsgenehmigungen erteilt wurden, die sogar nach bestehender Gesetzeslage hätten versagt werden müssen.
Das Gesetz hat Bestand nur bis ins Jahr 2021. So lange haben die Erdgas fördernden Firmen Zeit, ihr sogenanntes Clean-Fracking Konzept zu entwickeln. Der Kunstbegriff des „unkonventionellen Frackings“ wird mit diesem Gesetzestext endgültig salonfähig gemacht, um im Gegenzug das vermeintlich sicherere, erprobte „konventionelle Fracking“ zu erlauben.
Hier werden mit Absicht Tatsachen verdreht, um die uninformierte Öffentlichkeit zu täuschen. Richtig ist: Es gibt kein „unkonventionelles oder konventionelles Fracking“, sondern nur konventionelle und unkonventionelle Lagerstätten. Diese unterscheiden sich durch Ihre Permeabilität (Durchlässigkeit). Das Umweltministerium BW definiert den Unterschied folgendermaßen: Im Unterschied zu konventionellen Lagerstätten ist das Erdgas hier in vielen kleinen Hohlräumen in den Gesteinsschichten eingeschlossen. Die Gesteine sind zu dicht. Während bei konventionellen Lagerstätten das Gas auf Grund des natürlichen Lagerstättendrucks durch das ausreichend durchlässige Lagerstättengestein automatisch durch die Bohrung an die Oberfläche strömt, muss das dichte Gestein unkonventioneller Lagerstätten durch Einpressen einer Frac-Flüssigkeit (Frac-Fluid) unter hohem hydraulischen Druck aufgebrochen werden, um erst Fließwege zu schaffen.
Die Unterscheidung „konventionelles Fracking“ für Fracking in Sandstein (Tight Gas) und „unkonventionelles Fracking“ für Fracking in Schiefer oder kohlehaltigem Gestein (Shalegas) ist ein Kunstgriff, der dazu dient, Fracking in Sandstein, so wie es in Niedersachsen erfolgen soll, weiterhin zuzulassen. Es gibt für diese vom Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen eingeführte Unterscheidung keinerlei wissenschaftlichen Hintergrund oder Belege. Im Gegenteil: Die Technik und die bekannten Risiken für Umwelt, Natur und Trinkwasser sind dieselben. Die Übertragung der Begriffe „konventionell“ und „unkonventionell“ auf die Frackingtechnik dient ausschließlich dem Ziel, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, um Fracking in Sandstein weiter ungehindert praktizieren zu können.
Der BUND Konstanz spricht sich weiter für ein vollkommenes Frackingverbot aus, sogar bei Geothermiebohrungen, da auch hierbei dieselben Risiken bestehen.
Antje Boll, BUND Konstanz
Die Parlamentarier hätten die Möglichkeit gehabt, einem völligen Fracking-Verbot zuzustimmen. Ein Gesetzentwurf von „Bündnis 90/Die Grünen“ war schon vor Wochen zur Abstimmung gebracht worden, kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen ((Drs. 18/7551 und 18/8125, 28. April 2016). Auch der hiesige Abgeordnete Andreas Jung stimmte dagegen, obwohl er doch eigentlich als jemand gilt, der nie unkritisch an die Positionen „seiner“ CDU gebunden war. Besonders das Thema „Fracking“ hat in seinem Wirken seit jeher eine große Bedeutung. Immer wieder verwies Jung darauf, dass er sich für den Schutz des Bodensees und der Landschaft vor Ort mit ihren Menschen einsetzen wolle.
Damals hätte die Gelegenheit bestanden, ein klares Zeichen zu setzen. War es allein der Umstand, dass die Vorlage von der Opposition eingereicht wurde, weshalb Jung einknickte? Ist er mittlerweile konsequent auf Parteilinie eingeschworen, alles abzulehnen, was von der Gegenseite kommt – auch, wenn es vielleicht gar nicht so schlecht ist? Jung als Volksvertreter, der wohl doch die Parteiräson über das Wohl des Wahlkreises stellt? Jetzt liegt der im Artikel genannte, neue Kompromiss vor, ein fauler, der Schlupflöcher lässt – dafür kommt er von der Koalition. Und ihm dürfte der CDU-Abgeordnete damit ganz selbstverständlich zustimmen.
Der „grüne“, sehr strikte Vorstoß wäre stattdessen eine Chance für ein sachorientiertes und unmissverständliches Statement gewesen. Deshalb habe ich auch eine Erklärung unseres Abgeordneten vermisst, warum er sich beispielsweise nicht seinen fünf Fraktionskollegen anschloss, die sich überwunden haben und nicht auf die Parteifarbe blickten. Sie rangen sich durch zu einem „Ja“ und durchbrachen damit die Mauer der Angst, beim Abweichen vielleicht in die zweite Reihe gestellt zu werden. Wo ist Jungs Argumentation, weshalb gerade er, der eigentlich so vehement mit diesem „Fracking“ ins Gericht geht, eher einem Schweizer Käse seine Zustimmung gibt als einem felsenfesten Klotz, der Gewicht gehabt und vor allem Klarheit gebracht hätte? Was fehlte ihm denn im damaligen Gesetzentwurf, was kam zu kurz, wo ging er zu weit, um ihm nicht zustimmen zu können?
Bisher kein Statement des Abgeordneten, weshalb man nun seine Hoffnung wohl auf die Landtagsabgeordneten setzen muss. Denn ebenso die CDU-Kollegen aus der Region hatten den Entwurf von „Bündnis 90/Die Grünen“ verworfen. Auch auf sie war kein Verlass. Bürgernähe ade – oder war sie vielleicht nie da?