Neue Windräder über dem Hegau
Solarcomplex, Prototyp eines „Stadtwerks des 21. Jahrhunderts“, steigt in die Windenergie ein. Und schafft sich mit der Windkraft ein neues Geschäftsfeld. Das erste Windrad soll Ende Januar bei St. Georgen in Betrieb gehen. Und weitere Standorte im Hegau, nahe Engen zum Beispiel, werden derzeit geprüft. „Windenergie ist die derzeit günstigste Art der regenerativen Stromerzeugung“, weiß Achim Achatz, einer von zwei Vorständen von solarcomplex.
„Mit Blick auf unser Fernziel einer weitgehenden Versorgung aus heimischen erneuerbaren Energien wird man die Potentiale der Windkraft zwingend benötigen. Sie ist die derzeit günstigste Art der regenerativen Stromerzeugung. Und sie hat mit Abstand den höchsten Energieertrag je Fläche: Verstromt man Energiepflanzen für eine Biogasanlage, können pro Hektar rund 20.000 kWh Strom geerntet werden, bei einem Freiland-Solarkraftwerk sind es rund 350.000 kWh, bei einer Windkraftanlage der heutigen Standardgröße aber rund 3 Mio kWh. Will man also in einem dichtbesiedelten Land mit konkurrierenden Flächennutzungen möglichst viel erneuerbare Energien ernten, dann sollte man den Schwerpunkt logischerweise auf diejenigen Technologien legen, welche besonders viel liefern, also Sonne und Wind“. Geschäftsführer Achim Achatz ist sich sicher: Mit der Nutzung von Windenergie schlägt solarcomplex ein neues Kapitel seiner Firmengeschichte auf.
Ein Bürgerunternehmen mit Zukunft
solarcomplex, das regionale Bürgerunternehmen, will die Bodensee-Energieversorgung bis 2030 auf erneuerbare Energien umstellen. Mittlerweile 700 Bürger, aber auch Unternehmen helfen als Aktionäre, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Seit der Gründung im Jahr 2000 ist die Zahl der Gesellschafter von 20 auf über 700, das Grundkapital von 37.500 auf fünf Mio € gewachsen. Und Bene Müller, einer der zwei Geschäftsführer, ist erkennbar stolz: „ Unsere Idee setzt sich durch. Immer mehr Menschen setzen sich und ihr Geld für diese Energie-Revolution ein“. Bei einem Umsatz von 11 Mio Euro lag das EBITDA (Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibung) bei rund 1,5 Mio Euro, das Ergebnis vor Steuern bei gut 400.000 Euro und das Ergebnis nach Steuern bei rund 330.000 Euro. Das Grundkapital wuchs durch die Kapitalerhöhung des vergangenen Jahres von 3 auf 5 Mio Euro. Die über 700 Aktionäre (Bürger, aber auch Unternehmen wie allein fünf Stadtwerke der Region) freuten sich im Geschäftsjahr 2009 über eine Dividende von 5%. Während der Umsatz binnen zweier Jahren mehr als verdoppelt und das Ergebnis verdreifacht wurde, hat sich das Anlagevermögen des Bürgerunternehmens sogar vervierfacht und wird in der Bilanz nun mit rund 19 Mio Euro ausgewiesen.
Die erste solarcomplex-eigene Windkraftanlage bei St. Georgen wird Ende Januar fertig gestellt. Mit einer Höhe von knapp 100 Metern und Gesamtkosten von deutlich über 2 Mio Euro geht die Windrad-Anlage ans Netz. Sie wird jährlich mehr als 3 Mio kWh sauberen Stroms liefern und damit rund 2.000 Tonnen CO2 jährlich einsparen. Zur Einweihung soll es in der warmen Jahreszeit ein „Windfest“ geben.
Weitere Standorte im Süden Baden-Württembergs werden derzeit untersucht. Es ist also durchaus möglich, dass auch im Hegau die Windräder á la solarcomplex sprießen werden. Und möglich ist auch, dass sich dagegen Widerstand einzelner Gemeinden regen wird. Ein Widerstreit zwischen „regenerativen Stromerzeugung“ und „Standort-Verschandelung“ ist absehbar.
Autor: hpk