Wegen Ehec: Immer nur Kraut und Rüben?
Auf der Insel Reichenau werden zur Zeit täglich 50 000 frische Gurken vernichtet. Die Verbraucher kaufen keine Gurken mehr, weil sie wegen des Ehec-Erregers verunsichert seien, sagt Christian Müller, stellvertretender Vorsitzender der Reichenau-Vermarktungsgenossenschaft. seemoz hat bei Bio-Bauern aus der weiteren Region nachfragen lassen: Drei Kurzinterviews zu verunsicherten Verbrauchern, zu Gemüse ohne Gülle und einer Trendwende bei Bodenernährung und Handelswegen.
Erster Gesprächspartner unserer Interviewer von ichmagbio ist Erhard Pfluger vom Demeter-Hofgut Mosisgreut, der seit mehr als 30 Jahren biologischen Anbau betreibt:
Wo kommt der Ehec-Darmkeim her, wie könnte er auf den Salat kommen und welche Rolle spielt die Gülle dabei?
Da wurde von Behörden vermutet, wir hätten einige kontaminierte spanische Gurken, auch Biogurken sind dabei, und jetzt sagt jeder, das ganze spanische Gemüse sei schlecht, da kaufen wir gar nichts mehr – das ist das Sippenhaftprinzip, das ist dummes Zeug. Wenn wir bei unseren südlichen Nachbarn kein Gemüse mehr kaufen, essen wir im Winter vorwiegend Kraut, Rüben und Kartoffeln.
Der Ehec-Keim kommt ja eigentlich vom Tier – wie der jetzt aufs Gemüse kommen soll, ist die große Frage – das wundert uns schon. Keiner – auch kein Nicht-Biobauer – kippt Gülle auf Gurken oder auf Gemüse, mit Gülle wird alles matschig und wässrig und ganz vulgär gesagt: wenn die Gurke nach Sch……. stinkt, dann kauft die keiner. Die Keime waren vielleicht in verunreinigtem Wasser. Auf dem Markt wurde von Kunden darüber nachgedacht, ob es sich vielleicht um einen Anschlag handelt, z.B. von der Mafia. Dann kam die Meldung, dass das Gemüse gar nicht kontaminiert und die Quelle gänzlich unbekannt ist. Aktuell überschlagen sich die Meldungen. Bekannt ist bisher nur, dass es sich um eine üble Mutation des Ehec-Keims handelt, aber woher diese kommt, weiß keiner.
Wie verhält sich der Verbraucher?
Der ist täglich mehr verunsichert, hat Angst und blockt ab. Auf dem Markt wird fast nur noch Kochgemüse gekauft. Wahrscheinlich besteht der Speiseplan, wenn sich nichts tut, bald nur noch aus Pizza, Fischstäbchen und Pommes plus Kochgemüse. Dabei hat selbst Verbraucherministerin Aigner gesagt, dass diese Ehec-Mutation nicht vom Gemüse kommt, aber das ist wohl bei vielen Menschen nicht angekommen.
Was müssten die Politiker tun?
Dafür sorgen, dass der Schaden, den sie mit vorschnellen Äußerungen angerichtet haben, begrenzt wird. Bisher ist mit den Bauern sehr respektlos umgegangen worden, auch von Aigner. Ich spreche nicht nur von den riesigen Schäden bei den Bauern in Deutschland , Holland und Spanien. Ich spreche von der Verantwortung, die die Politiker, allen voran Frau Aigner, in Bezug auf gesunde Ernährung und damit die Volksgesundheit tragen. Plötzlich ist Gemüse, das für Vitamine und Gesundheit steht, am Pranger. Es stärkt aber unser Immunsystem, der Verzicht darauf ist gerade angesichts der Gefahr einer Ehec-Epidemie das Dümmste, was man tun kann.
Wie geht’s weiter?
Die Bios und die konventionellen Bauern sind gleichermaßen betroffen. Man muss die Situation neu hinterfragen. Wenn das die Politiker nicht koordiniert und massiv tun und zwar so, dass es jeder kapiert und nicht Entwarnung für Gemüse geben, besteht die Gefahr, dass die Entwarnung erst ganz allmählich in den Köpfen der Verbraucher ankommt. Für die Erzeuger von Saisongemüse wäre das eine Katastrophe.
Andreas Gronmaier: „Wir brauchen eine Trendumkehr“
Ein zweites Interview führten wir mit Andreas Gronmaier vom Biolandhof Riesenhof in Ravensburg. Das angeschlossene ‚Bruderhaus Diakonie-Gartenbau und Landwirtschaft mit Menschen mit Behinderung‘ gibt es seit 10 Jahren:
Was können wir aus der Ehec-Problematik lernen?
Gerade hatten wir die Dioxin-Eier, jetzt Ehec – vielleicht setzt doch irgendwann mal eine richtige Trendumkehr beim Verbraucher ein und man macht sich grundlegend Gedanken über die Produktionswege – Gurken aus Spanien lösen eine Epidemie in Deutschland aus. Den Keim gibt es nicht nur in Spanien. Die Verunreinigung mit Ehec-Bakterien kann, muss aber nicht in Spanien stattgefunden haben, in den Spekulationen ist sicher viel Phantasie drin. Wenn man wirklich aus der jetzigen Situation lernen will, dann sollte man die ganzen Prozesse neu überdenken.
Sie meinen die Herstellungsprozesse?
Man sollte auch hier eher in die Bodenernährung und die Bodenfruchtbarkeit investieren, um das Pflanzenwachstum anzuregen.
Wie düngt man auf Ihrem Biolandhof?
Niemals mit Gülle – die verbrennt alles und stinkt. Wir beginnen mit der Grunddüngung, also mit Ackerbohnenschrot oder Vinasse (Abfallprodukt aus Zuckerrüben), die wird rund 1-2 Wochen vor der Auspflanzung in den Boden eingebracht. Bei stark bedürftigen Pflanzen gibt es dann noch die Kopfdüngung mit thermisierten/wärmeproduzierenden Biopflanzendünger und Vinasse. Unser Gieß- und Waschwasser hat übrigens Trinkwasserqualität.
Was können Sie dem Verbraucher in der Region empfehlen?
Ich esse mit Genuss meine Gurken vom Riesenhof, aber auch insgesamt für die Region gilt, das man unbesorgt die Produkte von hier kaufen und verzehren kann, da ist kein Gefahrenpotential gegeben.
Glauben das die Verbraucher auch?
Also, auf dem Wochenmarkt wurden schon weniger Gurken und Salatköpfe als sonst verkauft, da gab es zweifellos Einbußen.
Biogenuß: „Wir machen alles selber und wissen deshalb, was drin ist“
Zum Schluß ein Gespräch mit Wolfgang Trenz und Joachim Gleich von der Firma Biogenuß in Amtzell. Die Gesellschaft für Nahrung und Schulspeisung beliefert Kindergärten, Krippen und Schulen mit biologischem Mittagessen. Joachim Gleich war zuvor fünf Jahre Chefkoch bei Naturata.
Sie beliefern Krippen, Kitas, Schulen – eine sehr sensible Zielgruppe. Wie sind Sie da mit dem Thema Ehec umgegangen?
Gleich zu Beginn, als das Thema in den Medien aufkam, haben wir uns informiert, auch bei unseren regionalen, biozertifizierten Lieferbetrieben und beim Biogroßhandel mit seinen kontollierten Waren, und haben dann sofort an alle Krippen, Kindergärten und Schulen eine Rundmail geschickt. Wir hatten keine Anrufe von besorgten Eltern. Ich glaube, die gehen davon aus, das wir wissen, was wir tun und uns unserer Verantwortung bewusst sind.
Also keine Veränderungen im Speiseplan?
Als Vorspeise gibt es bei uns oft rohe Gemüsesticks mit Quarkdip. Da hatten die Eltern eines Kindergartens doch Bedenken. Jetzt werden die Sticks blanchiert, also 3-4 Minuten bei knapp 100 Grad, und natürlich wird Wurzelgemüse geschält und unsere Gurken sprechen nicht spanisch
Wie viele Mittagessen haben Sie zur Zeit täglich?
300 Essen. Die Zutaten kommen, soweit dies möglich ist, aus der Region, Alles außer Nudeln, Quinoa oder Reis wird selber gemacht – also auch Spätzle und Gnocchi. So haben wir die bestmögliche Kontrolle und können die Ernährungsversorgung für die Kinder sicher gestalten.
Autor: Franziska Glowik/ichmagbio
Kaum zu glauben, dass so viele Verbraucher nicht informiert sein sollen. Oder schielen die Gemüsebauern nach evtl. Subventionen?