Wie Kleidung dem Klima schadet
Die Fashion-Industrie ist eine der schmutzigsten Branchen der Welt. Und recycelt wird von getragenen Kleidern erschreckend wenig. „Flugscham“ ist inzwischen jedem ein Begriff, Hemd und Hose sind von Klimabedenken bisher so gut wie ausgenommen. Dabei produziert die Textilindustrie mehr Treibhausgase als alle Langstreckenflüge zusammen. „Aufs Fliegen kann man verzichten, aber irgendwas muss man sich ja anziehen“ ist dafür nur ein schwaches Argument, meint unsere Autorin.
Mit dem, was ein durchschnittlicher Mitteleuropäer im Schrank hat, könnte er sich mehrfach einkleiden, selbst dann, wenn er oder sie sich nicht zu den modebewussten Zeitgenossen zählt. 15 Kilogramm Kleidung kauft ein Schweizer Konsument jedes Jahr, die Nachbarn in Italien, Frankreich und Deutschland etwa gleich viel. In Großbritannien, dem modischen Zentrum Europas, sind es knapp 27 Kilogramm pro Person und Jahr, listet „Unearthed“ in einem wahren Zahlengewitter über die Fashion-Industrie auf. Selbst bekannte englische Modedesigner wie Phoebe English bezeichnen das als „monströse Einwegindustrie“.
Der ökologische Fussabdruck wird in modischen Schuhen gemacht
Diese Kleidung wird oft nur wenige Male getragen, bevor sie den Weg in den Müll oder – hoffentlich – den Altkleidersack findet. Schätzungsweise 30 Prozent unserer Kleidung haben wir selten oder gar nie an, nach einer Umfrage von Greenpeace Deutschland sind es sogar 40 Prozent. Auf die Umwelt hat das dieselben Folgen wie ein rußender Kamin.
Bei der Herstellung von Kleidern und Schuhen produziert die Textilindustrie weltweit jedes Jahr 1,2 Milliarden Tonnen CO2, mehr als die gesamte globale Luftfahrt mit 0,9 Milliarden Tonnen (IATA). Bezieht man den gesamten Lebenszyklus von Bekleidung mit ein, inklusive der Energie, die zum Beispiel beim Waschen verbraucht wird, summiert sich der Fashion-Fussabdruck auf 3,3 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Zusammen macht Mode acht Prozent der gesamten weltweiten CO2-Produktion aus, 1,4 Prozent allein durch Schuhe.
CO2 ist nur ein Teil des Problems
Umfragen zufolge machen sich nur die wenigsten Konsumenten Gedanken darüber, woher ihre Kleidung stammt, wie sie hergestellt wird und welche Auswirkungen auf die Umwelt die Herstellung hat. Allenfalls die oft menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind Befragten ein Begriff.
Dabei sind Arbeitsbedingungen und ökologischer Fußabdruck nur einer von vielen Gründen, weshalb Kleidungsherstellung so umweltschädlich ist. Die Verarbeitung des natürlichen oder synthetischen Rohmaterials, das Färben und der Transport von Kleidung belasten die Umwelt mit giftigen Chemikalien, verbrauchen viel Wasser, Energie und Treibstoff.
Erdöl zum Anziehen
Bei vielen Stoffen kommen synthetische Fasern zum Einsatz, ihr Anteil liegt derzeit bei etwa 60 Prozent, Tendenz: steigend. Besonders viel davon enthält Sport- und Outdoorbekleidung. Das heißt, drei Fünftel unserer Kleidung sind vorwiegend aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Und wenn es mit den Kleidern zu Ende ist, ist es noch lange nicht vorbei: Die Fasern des hübschen Fleece-Pullis tauchen spätestens nach der ersten Wäsche als Mikroplastik im Wasser wieder auf. Genau genommen ist das Plastikmüll.
Konventionell angebaute Baumwolle ist nicht viel besser
Wer sich statt für Synthetik für Baumwolle entscheidet, lebt nur wenig umweltfreundlicher. Baumwollpflanzen brauchen sehr viel Wasser und werden gerade dort angebaut, wo dieses ohnehin knapp ist: in Zentralasien, China, Indien und Teilen der USA. Dazu benötigen Baumwollplantagen meist große Mengen Dünger und Pestizide. Das gilt nicht nur für die als „Fast Fashion“ bekannte Billigkleidung.
Ausnahmen, wie ökologisch und nachhaltig produzierende Bekleidungslabels, die umweltfreundlicher angebaute Rohstoffe und ungiftigere Farben verwenden, gibt es. Sie haben derzeit aber nur Nischenstatus.
Die Herstellung eines durchschnittlichen weißen Baumwoll-T-Shirts, verdeutlicht ein „Oxfam“ Forschungsteam, verursache denselben CO2-Ausstoss wie 55 Kilometer Autofahren. Seine Herstellung hat 2’700 Liter Wasser verbraucht, bis es auf der Ladentheke landet, rechnet der „WWF“ aus. Zum Vergleich: Das entspricht 67mal Duschen.
Wishcycling – was mit Altkleidern geschieht
Wer sich mit dem Gedanken beruhigt, ein weggeworfenes Kleidungsstück lande schließlich im Recycling-Kreislauf und damit bei jemandem, der es „noch brauchen kann“, sollte auch darüber noch einmal nachdenken. In der Schweiz, hat „Einstein“ zusammengetragen, wird 55 Prozent der Altkleider als Second-Hand-Ware verkauft. Weltweit werden jedoch nur etwa ein Prozent der getragenen Kleider tatsächlich vollständig recycelt.
Ein großer Teil der noch brauchbaren Altkleider aus Europa wird in Osteuropa oder Afrika verkauft. Dieses Re-Selling verhindert, dass sich die lokale Textilindustrie entwickeln kann. Einige Länder verlangen deshalb Einfuhrzölle oder verbieten den Altkleiderimport aus dem wohlhabenden Norden gleich ganz. „Wishcycling“, nennt das mancher in der Industrie: Der Wunsch, dass etwas, das in einen Recycling-Behälter geworfen wird, auch tatsächlich sinnvoll wiederverwertet wird.
Die unwiderstehliche Anziehungskraft von Rabatten
Der Überkonsum lohnt sich: Nach Schätzung von Statista wird der globale Umsatz der Modebranche in diesem Jahr 494 Milliarden US-Dollar erreichen. Die drei bestverdienenden Textilverkäufer erzielten 2018 Umsätze von 20 bis 26 Milliarden Euro.
Und die Fashion-Industrie läuft weiter zu jeder neuen Jahreszeit heiß. Maxi-Mäntel und die neuen langen Kleider (für die Dame) sowie XXL-Daunenmäntel (für den Herrn) werden im Herbst 2019 Trend, sagen diverse Magazine. Braucht man. Muss man haben. In einer auf Optik fixierten Gesellschaft ist es auch wirklich schwer, dem zu widerstehen.
Theoretisch wäre das einfach: weniger Kleidung kaufen und sie öfter tragen. Praktisch zieht jede Rabatt-Aktion Kunden magisch an. „Das nächste Kleidungsstück, das Sie kaufen, sollte so teuer sein, dass es weh tut“, rät der Fashion-Journalist Marc Bain in einem Artikel auf „Quartz“. Gar keine so schlechte Idee: Wer sich wegen des hohen Preises Gedanken macht, kauft nicht so schnell ein eigentlich unnötiges T-Shirt oder einen Ersatzbikini, nur weil er gerade günstig oder weil die Farbe aktuell ist.
Ein, zwei Hemden weniger täten es auch
Ein anderer Tipp ist, auszurechnen, wie oft man welche Kleidungsstücke trägt und was sie bei jedem Tragen kosten. Sehr günstige oder reduzierte Kleidung schneidet bei einer „Cost per Wear“-Berechnung aber oft immer noch zu gut ab. Konsumentenorganisationen empfehlen, vor dem Preisschild zuerst das „Wäschezettelchen“ zu lesen. Der potenzielle Käufer erfährt so zumindest, wo das Kleidungsstück hergestellt wurde und welche Art Textil es enthält. Das Grundproblem bleibt: Wir kaufen zu viel qualitativ schlechte Kleidung und tragen sie zu wenig.
Text: Daniela Gschweng (Bild: H. Reile)
Der Text erschien zuerst auf: www.infosperber.ch
Weiterführende Informationen
‘A monstrous disposable industry’: Fast facts about fast fashion, Unearthed
A shopper’s manifesto: These three simple questions are the key to quitting fast fashion, Quartz
The price of fast fashion, Nature