Brachte Bürgermeister Osner Schande über die Stadt?
Eine Konstanzer Delegation, bestehend aus rund 400 Personen, machte sich Ende Mai auf den Weg in die Partnerstadt Fontainebleau, um das 55-jährige Bestehen ihrer gemeinsamen Städtepartnerschaft zu feiern. Mit dabei auch der Konstanzer Bürgermeister Andreas Osner. Dieser habe die Stadt blamiert, monieren nun Vertreter des Münsterchors und beschwerten sich gar bitterlich bei Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Der Protestschrieb, verfasst von Münsterchor-Präsidentin Ulrike Fecker und ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Alexander Simon, hat es in sich. Bürgermeister Osner, der anstelle des erkrankten Oberbürgermeisters mit nach Frankreich gefahren war, habe „sich durchweg schlecht und daneben benommen“. Schon bei der Parade habe Osner „als einziger offizieller Repräsentant von Konstanz“ nicht gebührend stramm gestanden. Schlimmer noch: „Beim Abspielen der Hymnen“ hätte man den Eindruck gewonnen, „als ob er beim Schwänefüttern zusähe“. Fecker und Simon waren darob völlig außer sich: „Es mag ja sein, dass bei uns die Staatssymbolik bei Null angekommen ist, aber dieses Auftreten in dieser Erscheinungsform ist nicht akzeptabel“.
(Mensch, Osner, bei feierlichen Anlässen dieser Art legt man die Hände an die Hosennaht, drückt das Kreuz durch und schlägt devot die Hacken zusammen. Sie aber, mit Ihrem provokanten Trotzkistenbärtchen, standen neben ehrfürchtig blickenden Honoratioren, herausgeputzten Fahnenwedlern, rotbackigen Trachtenträgerinnen und Laubhornbläsern frech grinsend und mit verschränkten Armen da, wie auf einem Belegfoto eindeutig zu erkennen ist. So geht das nicht. Sie haben, egal wo Sie auch sind, See-alemannisches Wir-Gefühl zu zeigen, Sie norddeutscher Ignorant. Und wenn Sie das nächste Mal als Repräsentant unserer Stadt dienstverpflichtet werden, obwohl Ihnen der Anlass ganz weit unterhalb des fünften Lendenwirbels vorbei geht, dann saufen oder kiffen Sie sich den Einsatz schon bei der Anfahrt doch einfach schön. Empfehlung d. Red.)
„Wir waren alle entsetzt und haben uns für unsere Stadt geschämt“, schreiben Fecker und Simon erbost weiter. Und der Eklat auf französischer Scholle wollte anscheinend partout kein Ende finden, denn Osner, so die völlig aufgebrachten Beschwerdeführer, „glänzte beim Jubiläumsgottesdienst in St. Louis, bei dem alle anderen Stadtoberhäupter in der ersten Reihe saßen, durch Abwesenheit“. Und das, obwohl „die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich im Wesentlichen auf der christlichen Überzeugung der Herren Adenauer und De Gaulle beruhte (…)“.
Doch damit hatte das städtepartnerschaftliche Desaster aus Konstanzer Sicht anscheinend noch nicht seinen Höhepunkt erreicht. Andreas Osner sei Augenzeugenberichten zufolge „bei einem anschließendem Empfang in entsprechender Freizeitkleidung erschienen, was in offiziellen Kreisen eine ziemliche Verwunderung ausgelöst haben soll“. Unrühmlicher Schlussakkord: „Gänzlich verärgert hat die Organisatoren, dass er zu einem abschließenden Empfang gar nicht mehr erschienen ist“. Eine „Welle des Unmuts“ habe sich laut Fecker und Simon über die Häupter der Feiernasen ergossen und das „in einem Land, in dem noch etwas, im Gegensatz zu Deutschland, auf Form geachtet wird (…)“
Das im Kern denunziatorische Schreiben, man könnte es auch einen missglückten Kabarettversuch ziemlich blasierter und selbstgefälliger Kulturträger nennen, liegt seit Anfang Juni auf dem Schreibtisch des Oberbürgermeisters. Ob und wie er reagiert hat, entzieht sich unserer Kenntnis, wir plädieren aber mit Nachdruck für eine Fortsetzung dieser ranzigen und unterhaltsamen Provinzposse, die allemal die Qualität hat, bundesweit in die Schlagzeilen zu geraten.
Holger Reile
Insgesamt stimme ich dem Tenor des Artikels zu: Wir wünschen uns doch heute eine andere Generation von Politikern, die zwangloser, lockerer, nahbarer auftreten. Und da haben wir nun Glück, einen solchen Bürgermeister gefunden zu haben – und prompt wird diese Art von Amtsausübung durch das lehrerhafte Aufzeigen von Benimmregeln zunichte gemacht.
Ich kann höchstens verstehen, dass das Glänzen durch Abwesenheiten tatsächlich nicht gut angekommen ist. Aber sind wir ehrlich: Schande brachte Dr. Osner sicher nicht über die Stadt. Man mag erwarten, dass ein Repräsentant bei solch einem Anlass konsequente Präsenz zeigt. Aber menschlich gesehen kann ich vollkommen nachvollziehen, dass auch ein Kommunalpolitiker mal seine Pausen braucht – und lieber ruht er kurz bei einer derartigen Veranstaltung als bei der Arbeit, für die er wirklich gewählt wurde – nämlich den Erhalt des sozialen Gleichgewichts in Konstanz.
Vielleicht mag Osner an seinem Stil mancherorts noch ein wenig feilen. Ansonsten reicht die ganze Aufregung aber nicht einmal für einen „Staats“-, ähhhh „Stadt-Akt“…
Chapeau, Herr Reile, dieser Artikel macht den trüben Alltag doch gleich heller. Grinsebacke Burchhardt, täglich in Übung, hätte „Cool Constantia“ sicherlich angemessener vertreten. Quelle blamage, aber: cést la vie, gell?