Causa Guttenberg: Wir fordern Ablass

Dies wird nicht der schäbige Versuch, einem ohnehin schon Strauchelnden und in politische Verstrickungen Verhedderten den letzten verhängnisvollen Stoß zu versetzen. Umso mehr, als er sich hinterrücks und mittlerweile von allen Seiten (womöglich gar mit heimtückischer Unterstützung aus den eigenen Reihen) unter Beschuss sieht und sich nur mit Mühen noch auf seinem stolz glänzenden Ross halten kann.

Und die Fallhöhe wäre in der Tat eine beträchtliche, wenn auch ein Heer gut geölter Steigbügelhalter parat steht, um dem Frei- und Verteidigungs-Feldherrn wieder in den Sattel zu helfen. Was immer auch seine Verfehlung gewesen sein mag, es gilt die Unschuldsvermutung und die lautet nun einmal: In Dubio pro Theo.

Die selbe Unschuldsvermutung übrigens, welche andere Kavaliere und Kleintäter bei ihren diversen Delikten schützt, sei es die Kassiererin, welche im guten Glauben einen liegen gelassenen Getränkebon für sich verbuchte, und folgerichtig fristlos ihr Arbeitsverhältnis aufgekündigt bekam, sei es die hungrige Altenpflegerin, welcher ähnliches widerfuhr, nachdem sie sich des schweren Maultaschen-Mundraubes in Gestalt eines liegen gebliebenen Essensrestes überführt sah …

Die Liste der Versuchungen und menschlicher Verfehlungen ist endlos, und wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe alle Sorgen auf ihn. Denn ER vergibt uns alle unsere Sünden, ganz im Sinne der guten christlichen Tradition, auf die sich unsere Leitkultur so gerne beruft. Deshalb heißt die CSU ja auch Christlich Soziale Union und nicht etwa ISU (für: Islamisch Soziale Union). Denn dann würde es womöglich eng für Leute, die geistigen Diebstahl leichtfertig für ein Kavaliersdelikt halten: Nach dem Gesetz der unerbittlichen Scharia geht der Dieb seiner ruchlosen Hand verlustig. Geistiger Diebstahl müsste folgerichtig den Kopf kosten.
Und das können und wollen wir uns nicht einmal ausdenken, auch wenn jetzt schon von vielen Moralisten lauthals der Kopf des Vorzeige-Ministers gefordert wird. Gerade das können wir uns in Zeiten der Krise (die wir ja nicht nur am Hindukusch heldenhaft und selbstlos durchfechten) einfach nicht leisten. Deutschland hat nicht so viele herausragende Köpfe aufzubieten in der Politik, als dass wir leichtfertig auch nur auf einen einzigen von ihnen verzichten könnten. Und sei er auch etwas pomadig selbstgefällig und manchem Neider zu gut aussehend.

Also lasst ab von eurem kleingeistigen Ruf nach Rücktritt, Sühne oder gar Reue. Beruft euch nicht auf Sitte, Anstand und Moral, die ein Relikt aus längst überkommenen Zeiten, und in einer säkularen, globalisiert kapitalistisch orientierten Gesellschaft einfach nicht mehr angemessen sind.

Mit diesen Forderungen brandmarkt ihr euch selbst als Fußvolk, welches die wahre Größe und die übergeordneten Ziele und Zusammenhänge nicht zu erkennen vermag. Aber auch du, Theo, lass´ab von deinem eitlen Handeln und Auftreten, und widme dich reinen Herzens und freien Geistes deinen vornehmsten Pflichten und deiner Verantwortung deinem Wahlvolk gegenüber – auch wenn es deiner adligen Herkunft und deiner strahlenden Präsenz eigentlich nicht würdig ist.

Wer schreibt, der bleibt. Wer abschreibt, der zahlt und bleibt

Jedoch: Wie fürderhin umgehen mit dem Thema Schuld und Sühne? Vor allem, wenn es für die Gesellschaft unverzichtbare Leistungs-, Verantwortungs-, Funktions- und Amtsträger betrifft?
Wie den bisweilen womöglich berechtigten Volkszorn über Untreue, Verwerflichkeit, Bestechlichkeit, Unzuverlässigkeit, Verkommenheit, Verantwortungslosigkeit, etc. befrieden, wenn man aus opportunen Gründen von Sanktionen wie Rücktritt, Anklage, gar Haft absehen will?

Auch hier bietet unsere christlich-religiös-geprägte Tradition ein vortreffllich erprobtes Procedere, welches schon der Katholischen Kirche zu Gebote stand und ihr zu Macht und ewig währendem Wohlstand verholfen hat: Es ist die Vergebung. Ja, die christliche Vergebung, gewährt gegen die Entrichtung eines kleinen, aber angemessenen Obolus (zu deutsch: Abgabe). Man nannte es auch sinnfällig Ablasszahlung, für den, der fürderhin von seinen Sünden ablassen wollte. Danach war das Konto sozusagen wieder jungfräulich auf Null gestellt, und konnte wiederum neu (mit erneut ablassfähigen) Sünden belastet werden.
Das Perpetuum Mobile der Kapitalbeschaffung war geschaffen, denn sündig ist der Mensch in alle Ewigkeit. Besonders anfällig natürlich unsere Politiker. Auf einen falschen Fuffziger mehr oder weniger kommt es dabei nicht an. Man muss ja nicht aus allem gleich eine Doktorarbeit machen.

Deshalb lautet die Forderung der Stunde: Ablass für alle. Und zwar abgestimmt nach Schwere ihrer Verfehlung. Welch beispielhafter Akt christlicher Vergebung und Nächstenliebe. Welch geniales Instrument politischer Hygiene. Der Staatshaushalt wäre schlagartig auf unabsehbare Zeit saniert.

Zahlungen könnten bei weniger solventen Chargen aus den Pfründen von Lobbyisten geleistet werden, eine bruchlose Politik und Ämter-Erbfolge wäre damit ebenfalls gesichert. Endlich Kontinuität und Entscheidungssicherheit.

Kommet her zu mir alle, die Ihr mühselig und schuldbeladen seid, ich will Euch erleichtern. Amen.
Autor: Monsignore Siggi Galter