Der unheimlich fleißige Peter F.
Der baden-württembergische Landtagswahlkampf verlangt den KandidatInnen einiges ab. Doch manche überschätzen sich bei ihrem Bemühen, Stimmung für sich zu machen. Peter Friedrich, bislang eher glückloser SPD-Kandidat im Wahlkreis Konstanz, will nun richtig durchstarten. Sein Programm für die kommenden Wochen bis zum 13.3. ist vor allem eines – extrem schlafraubend. Ob das gut geht? Fragt sich auch unser Wahlkampfbeobachter Kuno Schelmle.
Es brodelt deutlich bei den Sozialdemokraten zwischen Stuttgart und Konstanz. Mit ihrem charismatischen Spitzenkandidaten Nils Schmid am Dirigentenpult rauschen die Blassroten Richtung in einen ganz dunklen Keller und liefern sich derzeit ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD (A…geigen für Deutschland). Wer schlußendlich die Nase vorne haben wird, muss abgewartet werden.
Peter Friedrich, Noch-Minister, merkt allmählich, dass sein angestrebtes und bis vor kurzem sicher geglaubtes Landtagsmandat auf äußerst wackligen Füßen steht. Seine Weigerung, mit Vertretern der AfD auf einem Podium zu streiten, kam auch innerhalb seiner Partei nicht gut an und wurde heftig kritisiert. Damit hat Friedrich nicht gerechnet. Nach einer kurzen Schmollpause scharte er sein Wahlkampfteam um sich und begab sich in Klausur. Wie, so die quälende Frage, bringen wir den demolierten Kandidaten mit dem Drang nach Höherem wieder in den Bereich der positiven Wahrnehmung?
Nach intensiver Hirnerei wurde am 22. Januar auf der Facebook-Seite des Wahlkämpfers Peter F. folgende Marschroute in die Welt posaunt. Friedrich, so die durchweg erstaunliche Ankündigung, mache bis zum 13.3. „tausende von Hausbesuchen, Bürgergesprächen und Veranstaltungen“. Wie bitte? Gehe ich mal davon aus, dass mit „tausende“ mindestens zweitausend gemeint sind, ist das wohl nur schwer zu schaffen. Vom 22.1. bis zum 13.3. zählen wir rund 50 Tage. Belassen wir es bei der Androhung von zweitausend Hausbesuchen, müsste Friedrich täglich 40 Türklinken putzen. Nimmt man an, jede dieser Belästigungen verschlingt rund 20 Minuten, wäre Friedrich mindestens 13 Stunden Tag für Tag unterwegs, um durch die Wohnviertel zu streifen. Das kriegen nicht mal die Zeugen Jehovas hin, und die haben wenigstens eine klare Botschaft. Zudem bliebe die Frage: Wann hat der Kandidat dann überhaupt noch Zeit, Bürgergespräche zu führen und Veranstaltungen zu besuchen?
Der fleißige Peter scheint mir ein wenig durch den Wind. Nicht anders ist auch seine aktuelle Pressemitteilung zu verstehen, dass die Südwestdeutsche Philharmonie „im Rahmen der Aktion Innovationsfond Kunst“ mit einer Extrasumme von 30 000 Euro bedacht werde. Davon abgesehen, dass das örtliche Orchester eh schon Jahr für Jahr mit öffentlichen Geldern in Millionenhöhe vollgepumpt wird, interessiert die Meldung aus Friedrichs Büro nicht wirklich. Völlig peinlich wird es, wenn der umtriebige Stimmensammler dabei seinen Noch-Minister-Posten ins Spiel bringt und damit den Eindruck erwecken möchte, ohne sein Zutun würde beim Orchester bald kein Tönchen mehr geblasen und gepfiffen. Man möge doch bitteschön, so darf man der sowohl aufdringlichen wie auch unnötigen Pressemeldung entnehmen, den Herrn Minister ausführlich zitieren: „Als Mitglied der Landesregierung und als Wahl-Konstanzer freut es mich besonders, dass unsere Südwestdeutsche Philharmonie gefördert wird …“ . Meine Güte, die Not muss überaus groß sein in Friedrichs sozialdemokratischer Denker-Hütte.
Jetzt warte ich nur noch auf einen knackigen Pressetext, in dem Friedrich der Bevölkerung erklärt: „Als Mitglied der Landesregierung und als Wahl-Konstanzer freut es mich besonders, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Ostern auch dieses Jahr ganz sicher wieder stattfindet und ab April bei Sonnenschein mit wärmeren Temperaturen zu rechnen ist “. So geht Wahlkampf, Herr F.
Kuno Schelmle
Lieber Jan Welsch,
So sehr deine künstliche Empörung bei mir ein Schmunzeln erregt, so sehr tut es mir leid, darauf hinweisen zu müssen, dass Herr Kuno Schelmle nicht Teil meines Wahlkampfteams ist. Aber offensichtlich scheint die Kritik einen wunden Punkt zu treffen, sonst wäre die Frustration nicht so groß…
Gruß
Simon Pschorr
Landtagskandidat DIE LINKE Konstanz
Lieber Schelmle,
Du solltest doch die eiserne Regel bei Hausbesuchen kennen: Nach spätestens drei Minuten muss Schluss sein. Also: Neu rechnen – auf die Gefahr hin, dass der Spott dabei auf der Strecke bleibt.
Schöne Grüße
Jürgen Leipold
Ich suche gerade die Niveaulosigkeit…
Satire hat immer etwas Wahres. Dass man in den eigenen Reihen für jede Form der Selbstkritik – gerade in einem Wahlkampf – nicht besonders empfänglich ist, zeigt sich (um bei den Vergleichen zu bleiben) nicht nur bei der SPD, sondern auch bei diesen „illoyalen“ CDU-Spitzenkandidaten, die „ihrer Chefin“ ganz „unanständig“ und nur aus eigenem Interesse „in den Rücken fallen“. A propos „die Chance sehen“: Sigmar Gabriel schafft es wohl auch nur noch durch das Einmischen in die Angelegenheiten anderer Parteien, sich Gehör zu verschaffen…
Letztlich sind sie vielleicht dann doch alle wieder gleich – und die Aufregung gehört mit zu diesem Theater…
Das gleiche gilt im übrigen auch für den CDU Kandidaten. Sollte er das Direktmandat nicht gewinnen, hat er auch praktisch keine Chance rein zu kommen. Dagegen ist Frau Erikli zu 100 Prozent sicher im Landtag, egal ob sie nun das Direktmandat gewinnt oder nicht.
Völlig egal, wie man nun zum Wahlkampf und zur Person Peter Friedrich steht, war jedem schon seit der Nominierung klar, dass es für den SPD-Kandidaten unglaublich schwer wird, ein Mandat im Kreis KN zu erringen. Das Baden-Württembergische Wahlrecht macht KN einfach zu einem schweren Pflaster für die SPD. Konstanz ist für die Sozialdemokraten nicht mal ein durchschnittlicher Wahlkreis in einem unterdurchschnittlichen Regierungsbezirk für die SPD. Selbst wenn die SPD ihr Ergebnis im Land halten würde, ist es unwahrscheinlich, dass Peter Friedrich ein Mandat bekommt. Selbst der optimistischste Sozialdemokrat weiß, dass es für das Direktmandat im Wahlkreis Konstanz nicht reichen wird (da spielt die demografische Zusammensetzung des Kreises nicht mit) und auch ein Listenmandat (ich weiß, dass es in BaWü keine Listen gibt, mir fällt aber gerade nicht der richtige Name ein) wird sehr, sehr schwer zu erreichen: KN befindet sich für die SPD im Regierungsbezirk Südbaden im unteren Drittel und da die SPD-Fraktion höchstwahrscheinlich im nächsten Landtag schrumpfen wird und sowieso die Mehrheit der Mandate der Sozialdemokraten nach Nordwürttemberg und Nordbaden gehen werden, bleiben vielleicht – ohne das jetzt genau auszurechnen – vielleicht 6-7 Mandate für die SPD in Südbaden und da kommen bei der Verteilung andere Wahlkreise zuerst dran. Ich bin mir daher praktisch sicher, dass Peter Friedrich kein Mandat bekommen wird und wenn er und sein Wahlkampfteam halbwegs realistisch auf die Situation im Wahlkreis Konstanz, im Regierungsbezirk und auch im Land schaut, wird das ihnen auch bewusst sein.
Vielleicht ist die Not bei den „Linken“-Wahlkämpfern ja auch so groß, dass man nur noch in einer völlig niveaulosen Auseinandersetzung mit Grünen und Roten die Chance sieht auch nur annähernd an die 5%-Hürde zu kommen. Ist ja nicht so, dass es bereits eine Partei gäbe, die es in ähnlicher Tonlage versucht. Ich wünsche viel Spaß dabei.