EILMELDUNG: Landtagswahl wird modernisiert

Überrascht werden die meisten Baden-Württemberger in den nächsten Tagen sein, wenn landauf-landab alle Wahlplakate verschwinden werden, obwohl der Wahlkampf ja genaugenommen noch bis Samstagabend toben sollte.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, sind dies die ersten unmittelbaren Folgen einer von unseren transatlantischen Freunden einberufenen Sondersitzung des EU-Rates. Zunächst als Pilotprojekt wurden weitreichende Maßnahmen für den unbürokratischen Abbau des Reformstaus, betreffend eine marktkonforme Demokratiemodernisierung, beschlossen. Sigmar Gabriel, den man in diesem Gremium auch dabei hatte, zeigt sich kämpferisch zuversichtlich und betont ausdrücklich, man brauche sich keine Sorgen zu machen. Er selbst könne durchaus nachvollziehen, dass man der unkontrollierten Einflussnahme auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren, und das sind die Landtagswahlen nun einmal, vorbeugen will. Außerdem zeigte er noch weitere Parallelen zu den von ihm wohlwollend kritisch beobachteten TTIP-Verhandlungen auf: Da dürfen sich schließlich auch nicht irgendwelche gewählten Parlamentarier oder gar Fachleute einmischen, die nicht das Vertrauen der atlantischen EU-Kommission genießen.

Erste Einzelheiten wurden vor einigen Stunden bekannt und sukzessiv in die Tat umgesetzt:
Neben der Entfernung der Plakatierung dürfte die Pflichtklausur (Kasernierung) aller Kandidaten wohl nicht so sehr ins Auge fallen, aber dennoch eine erhebliche Änderung des klassischen Procedere darstellen.

Skeptisch wird vom Landesmedienrat die sofortige totale Sperre wahlbezogener Nachrichten für TV, Rundfunk und Internet gesehen (ein befreundeter ausländischer Geheimdienst hat hier tatkräftige Hilfe zugesagt). Wie aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautbart wurde, ist man mehrheitlich dennoch bereit, das Experiment mitzutragen. Zur Bedingung wurde allerdings gemacht, dass die freiwerdenden Programmzeiten sinnvoll für Casting-Shows, Günther Jauch, Sturm der Liebe und Redebeiträge von Hans-Werner Sinn genutzt werden.

Die Wahlleiter sind überdies angehalten, soweit möglich, alles schriftliche Material zur Wahlwerbung auf dem Postweg zurückzuhalten, ausliegende Broschüren, Parteiprogramme, Flugzettel und Ähnliches bis zur Bekanntgabe der Wahlergebnisse zu deponieren. Realisten schlagen sogar vor, diese Materialien sofort dem Wertstoffrecycling zuzuführen; erfahrungsgemäß schaut sich das nach der Wahl sowieso keiner mehr an.

Hans-Georg Maaßen (Bundesamt für Verfassungsschutz), der sich sowohl mit dem Grundgesetz als auch dem Wert von Informationen leidlich auskennt, betonte, dass die Informationsfreiheit ja voll gewährleistet sei, schließlich könne ja nach wie vor jeder Wahlberechtigte, der entweder mit einem Kandidaten verwandt oder durch 2000 Unterstützungsunterschriften beauftragt ist, die in den Landeswahlämtern abgelegten Materialien sichten.

Originalton: „Und wer es nicht schafft, in fünfzehn Minuten einen Überblick zu erhalten, das schafft es auch in ein paar Tagen nicht. Und dass die Fotos der Kandidaten geschwärzt sind, hat mit Urheberrecht und Persönlichkeitsschutz zu tun. Mobiltelefone sind natürlich aus datenschutzrechtlichen Gründen tabu, schließlich werden ja nicht alle Handys so wie das der Kanzlerin nicht mehr abgehört. Ach ja, dass alle schriftlichen Dokumente nur in Englisch vorliegen, versteht sich von selbst, handelt es sich hierbei doch um die Sprache der Leistungs- und Entscheidungsträger der freien Welt.

Nein, reden dürfe er über die erlangten Informationen nicht, es könne schließlich nicht sichergestellt werden, dass er diese nicht mit Werturteilen versieht.

Die in aller Eile befragten Vertreter der zur Wahl stehenden Parteien reagierten unterschiedlich und machten sehr deutlich, dass die Neuerungen mental und inhaltlich noch nicht in der Mitte der Gesellschaft, geschweige denn am rechten Rand angekommen sind, und dass aberwitzige Spekulationen, Gerüchte und reines Wunschdenken die Runde machen.

Ein Experte für Wahlfragen sagte für die CDU: Also, dass jetzt die Sitze im Landtag alphabetisch vergeben werden, ist für uns nur bedingt akzeptabel, allerdings müsste sich dazu die AfD umbenennen in DfD (Deppen für Doitschland). Und die Listenplätze müssten natürlich umgekehrt alphabetisch (wegen Guido) sortiert werden. Muss man denn immer alles wählen, was man auch kaufen kann?

Ein Vertreter einer anderen großen Volkspartei meinte: Ach lasst mich doch in Ruhe, ich bin so traurig! Unser Vorsitzender hat die Ähnlichkeit zu TTIP ja schon aufgezeigt, also werden wir jetzt noch ein paar Mal irgendwas sagen, und dann der neuen Methode zustimmen. Eine echte Chance hätten wir ja eh nur noch, wenn der Landtag ausgewürfelt werden würde.

Die derzeit stärkste Partei lässt sich nicht beirren: Also der Kretschmann ist der beste Ministerpräsident der Welt, und das muss er auch bleiben! Er wird doch wieder Ministerpräsident, oder?

Ein Sprecher DER LINKEN ist völlig verstört: Also das mit dem Schwärzen der Kandidatenfotos ist eine undemokratische Gemeinheit. Gerade wo wir in Konstanz einen so schmucken Kandidaten haben. Natürlich lehnen wir auch alle anderen Maßnahmen und Bestimmungen ab. Eine offizielle Stellungnahme kann ich leider nur abgeben, wenn wir überprüft haben, ob uns dadurch kein struktureller Antisemitismus unterstellt werden kann.

Die FDP findet keinen Grund für eine Stellungnahme, sie sei überzeugt davon, dass der Markt letztlich sowieso Alles richten wird. Eine Partei wollte sich der Lügenpresse gegenüber nicht äußern, ein Zwischenruf, der unter dem Stammtisch hervorkam, meinte aber: Das Geschriebene Zeug spielt für uns eh keine Rolle. Wenn dir das gesunde Volksempfinden nicht sagt, was du wählen musst, kannst du ja gleich zu den Hottentotten gehen.

PT (aus der Reihe: Der seemops versucht wieder mal vergeblich, die Welt zu erklären)