Eine Diskussion (über Krieg und Rüstung) findet nicht statt

Schräg und schrill – wie der Titel dieser Rubrik – mutet die Misserfolgsstory um eine Podiumsdiskussion am Konstanzer Theater an. Schrill, weil zum zweiten Mal eine Diskussion um die Rüstungsproduktion am Bodensee vom Intendanten Nix abgesagt wird. Schräg, weil als Grund für die Absage fadenscheinig „Terminüberschneidung“ angegeben wird. Zu vermuten ist – das ist nicht der wahre Grund.

Akt 1: Die Podiumsdiskussion „Das blutrote Schwäbische Meer, Rüstungskonzerne vor unserer Tür und ihr Geschäft mit dem Tod“, für den 19. April in der Werkstatt des Theaters Konstanz geplant, findet nicht statt. Damit läßt Intendant Nix – nach einem Termin im vergangenen November – zum zweiten Mal eine solche Diskussion mit dem Rüstungsgegner Jürgen Grässlin (s. seemoz v. 11.4.) platzen. Und aus der Veranstaltungsidee wird ein Debakel. Denn beide Male war es Druck von außen, der die Streichung provozierte.

Erst Rektor Beckmann…

Ende letzten Jahres war es Rektor Peter Beckmann vom Konstanzer Ellenrieder-Gymnasium, der drohte, eine angedachte Kooperation zwischen Schule und Theater platzen zu lassen, sollte die Diskussion mit Rüstungsvertretern und Rüstungsgegnern stattfinden. Beckmann schreckte vermutlich die Aussicht, für seinen klammheimlich ausgehandelten Deal mit dem Rüstungsgiganten EADS sogar auf der Bühne geschmäht zu werden. Zu der Kooperation zwischen Schule und Theater kam es dennoch nicht. Allerdings kniffen auch schon vor fünf Monaten die zahlreich angefragten Politiker, Wissenschaftler und Manager wie auch Betriebsräte der Rüstungsschmieden vom Bodensee vor einer öffentlichen Diskussion mit „Deutschlands prominentesten Rüstungsgegner“ Grässlin („Spiegel“).

Akt 2: Jetzt scheiterte auch der zweite Anlauf. Für den 19.4. hatten zwar Parteienvertreter von FDP, den Grünen und der Linken zugesagt, mit Grässlin zu diskutieren – die SPD wollte sich kurzfristig um Ersatz für den Konstanzer Bundestagsabgeordneten Friedrich kümmern. Rektor Beckmann hatte mit Hinweis auf die „einseitige Zusammensetzung des Podiums“ seine Zusage einmal mehr zurück gezogen, die Geschäftsführungen von Diehl, Tognum und Co. einmal mehr abgesagt.

…dann Pfarrer Freudenberger

Dieses Mal war es dann aber der als Moderator vorgesehene Konstanzer Pfarrer Heinz Freudenberger, der die Diskussion zum Platzen brachte. Wenige Tage vor dem Theater-Termin machte er Theater und sagte seine Teilnahme ab. Seine Begründung: Zum gleichen Zeitpunkt finde eine Vortragsveranstaltung zu Tschernobyl statt – da wolle er nicht für Konkurrenz sorgen. Überflüssig zu erwähnen, dass alle Genannten: Intendant Nix, Rektor Beckmann, Pfarrer Freudenberger sich beeilen zu versichern, dass gerade sie nun nicht als Vasallen der Rüstungsindustrie verstanden werden sollten.

Schlussakt: Man mag es nicht glauben: Das Stadttheater Konstanz peilt tatsächlich mit dem 8. Dezember einen neuen Termin für eine solche Diskussionsrunde an – Grässlin aus dem fernen Freiburg habe schon zugesagt, verlautet aus dem Intendantenbüro. Was man ebenso wenig glauben mag: Dass in acht Monaten weniger Druck von Industrie und Konservativen ausgeübt wird, als dass eine solche Podiumsdiskussion in dieser oder ähnlicher Zusammensetzung stattfinden kann. Oder dass die handelnden Personen bis dahin vom Obelix-Zaubertrank naschen, der ihnen Standfestigkeit schenkt. Fest steht immerhin, dass zahlreiche Sympathisanten – und dazu zählt die Friedensinitiative Konstanz – dann nicht mehr mit von der Partie sein werden. Da fehlt die Lust auf Debakel.

Hoffnung keimt allerdings, dass Teilnehmer der geplatzten Runde ihrerseits eine Veranstaltung mit dem Thema: Rüstungsindustrie am Bodensee organisieren wollen. Dann jedoch ohne die üblichen Bedenkenträger, aber auch ohne die gewohnten Einflüsterer. Denn die Problematik der todbringenden Produktion rund um das Schwäbische Meer und der darin verwickelten Arbeitnehmer bleibt angesichts der kriegssüchtigen Weltpolitik wohl auf Dauer aktuell und diskussionswürdig. Leider.

Autor: Hans-Peter Koch

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