Forever young!
Konstanz, Freitag, 1.5.2037, red./ Auf der Marktstätte stehen Trauben von Menschen vor dem großen seemoz-Bildschirm, über den die Nachrichten nur so tickern: Der ewige Friede ist eingekehrt, Millionen marschieren mit erhobener Faust bei den 1.-Mai-Feiern mit, alle Menschen werden Brüder und Schwestern. Über dem Platz liegt ausgelassene Festtagsstimmung.
Nur einer steht grollend im Abseits: Der ehemalige OB, der jüngst nach vielen, vielen Amtszeiten vom ergrimmten Volk abgewählt wurde und seinen geliebten Marschallstab an eine linke Gewerkschaftlerin mit arabischem Namen übergeben musste. Wie hatte er sich doch schon damals aufgeregt, als er seine Erbpfründe beinahe an einen linken Schlingel mit italienischen Wurzeln verloren hätte (der inzwischen schon seit vielen Jahren OB in Stuttgart ist). Und jetzt das? Beim Gedanken daran kriegt der arme Mann fast Skrofeln wie einst Hiob.
Eigentum war Diebstahl
Der Gesinnungswandel jener einstigen Jammergestalten, die jetzt dankbar und aufrecht vor dem Öko-Supermarkt im vormaligen Wooli stehen und klassisches linkes Liedgut zum Besten geben, ist hingegen echt. Diese ehemaligen Wohnungsspekulanten fühlen sich endlich frei, seit ihre Häuser vergesellschaftet wurden und die wohnenden und werktätigen Massen sie warmherzig verzeihend als echte Mitmenschen in ihren brüderlichen Kreis aufgenommen haben. Sinkende Mieten und genug Wohnraum für alle, die ihn nötig haben, sind auch in ihren Augen der schönste Lohn für ihren inneren Wandel.
Noch besser ist es allerdings den Chefs der Miethai-Konzerne ergangen, die, statt in stickiger Büroluft an Anschlägen auf die Geldbeutel ihre MieterInnen zu brüten, in frischester Luft auf den Feldern im ökologischen Landbau mit anpacken. In der Erntesaison werden sie liebevoll von ihren osteuropäischen Vorgesetzten motiviert, das Motto ist „Fördern statt Fordern“. Unsere osteuropäischen Freunde schauen den Sommer über übrigens gern mal auf den Feldern im Tägermoos vorbei, ehe sie zur Winterruhe in ihre Häuschen in ihrer prosperierende Heimat zurückkehren.
Windräder auf dem Bodanrück
Apropos Sommer: So warm, wie ehemals befürchtet, ist es denn doch nicht geworden, denn eine satte linksgrüne Zwei-Drittel-Mehrheit hat seit 2024 im Konstanzer Gemeinderat und anderswo Dampf gemacht. Im Konstanzer Trichter und im Uni-Wald entstanden seither schmucke Windräder, und auf so ziemlich allen sonnenseitigen Dächern der Stadt glitzern Photovoltaikanlagen. Und im Klimacamp am Münster tollen jetzt Kinder im campeigenen Kindergarten herum.
Klimanotstand? Das war in Konstanz einmal, denn jetzt produziert die Stadt mehr Energie, als sie verbraucht, und die CO2-Werte sind auf dem niedrigsten Stand seit 1648. Kein Wunder, denn die Bodenseeschiffe wurden auf Antrag der mehrheitlich weiblich besetzten Kommunalparlamente rund um den See zu umweltfreundlichen Galeeren umgebaut, auf denen junge Väter durch unablässiges Rudern den Unterhalt für ihre Ex-Frauen und deren Kinder erwirtschaften müssen.
(Fast) ganz Konstanz ist wunschlos glücklich an diesem 1. Mai 2037.
Zurück aus der Zukunft
Dieses Glück werden am 1. Mai 2037 auch die seemoz-MacherInnen empfinden, und das gleich doppelt, denn sie können dann auch auf stolze 30 Jahre seemoz zurückschauen. Mit anderen Worten: Am gestrigen 1. Mai 2022 wurde seemoz 15 Jahre alt, daher dieser Blick in eine ungewisse Zukunft. Wir gratulieren uns herzlich für unser Sitz- und Denkfleisch und haben eigentlich nur einen einzigen Wunsch: Dass Sie uns auch in Zukunft gewogen bleiben und mit Klicks oder gar Spenden belohnen.
Die seemoz-Redaktion
Text: seemoz, Bild: haryono haryono auf Pixabay