Habemus Gaudium

Gerade an düsteren Wintertagen lichtet sich auch für Glossenschreiber das Schneegestöber am See nur langsam und zäh. Da sitzt er grübelnd am Schreibtisch, glotzt sinnsuchend seinen Bildschirm an und hirnt. Was könnte man diesen Monat der geneigten Leserschar zur bewußtseinserweiternden Unterhaltung anbieten? Ein Kandidat für Häme und Spott ist unser oberster Adelsmann, das dauerbrennende Medienprodukt ab und zu Guttenberg.

Er jettet ständig nach Afghanistan und klopft der dort herumirrenden deutschen Soldateska anerkennend auf die Schultern. Als er kürzlich wissen ließ, dass es für die durchweg sinnlose Schnitzeljagd vor Ort einen neuen Gefechtsorden gäbe, erreichte die Stimmung bei der Truppe ihren Höhepunkt. Die Zusicherung, die Medaille würde auch post mortem verliehen, gilt sozusagen als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk und Anreiz für weitere Heldentaten rings um den Hindukusch.

Guttenbergs Ehegesponst Stephanie kümmert sich unterdessen an der Heimatfront um die jugendlichen Opfer sexuellen Missbrauchs. Da kann man von der Sache her nichts dagegen haben. Wer den Sender RTL 2 im Gepäck hat, ist zumindest medientechnisch auf der moralisch sauberen Seite seriöser Aufklärer. Neuerdings begleitet Frau Guttenberg ihren Liebsten sogar ins Kriegsgebiet. Die perverse Selbstdarstellung wird aktuell von der Medien-Allzweckwaffe Johannes B. Kerner fernsehgerecht aufbereitet. Man könnte kotzen.Es wird wohl nicht mehr lange dauern, dann bringt die blonde Freifrau den Soldaten bei Kunduz live deutsches Liedgut näher. Textvorschlag: „Ich hatte einen Kameraden“ und als Zugabe: „Sag´ zum Abschied leise Servus“.

Apropos Missbrauch: War da nicht mal was? Kam da nicht eine Glaubensgemeinschaft kurzfristig in die Schräglage? Egal. Aber spontan fällt mir zum Thema ausnahmsweise mal ein Witz ein, den neulich der Jude Ralf Verleger bei seinem Vortrag in der Konstanzer vhs zum Besten gegeben hat.. Also: Ein Rabbi und ein katholischer Priester lustwandeln durchs Gelände und erreichen einen See. Es ist drückend heiß und der Rabbi schlägt seinem Kollegen vor: „Komm, lass uns reinspringen und abkühlen“. Sein Kollege aber hat Bedenken: „Ohne Badehose?“. Der Rabbi: „Rein mit uns, wie Gott uns schuf“. Beide springen ins Wasser. Als sie wieder ans Ufer klettern, kommt eine Wandergruppe vorbei. Sofort bedeckt der Kathole sein Gemächt mit beiden Händen, der Rabbi hingegen schlägt seine Hände vor´s Gesicht. „Was soll das denn?“, fragt der Kathole. „Na ja“, antwortet der Rabbi, „meine Gemeinde erkennt mich am Gesicht“.

Bleiben wir bei religiösen Fragen und wenden aus aktuellem Anlass den Blick nach Konstanz. Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass man im Städtchen eifrig darüber sinniert, wie man flächendeckend und gebührend publicitywirksam an das Konstanzer Konzil (1414-1418) erinnert. Oberbürgermeister Horst Frank hat das Jubiläum zur Chefsache erklärt: „Wir müssen dafür sorgen, dass Konstanz ab 2014 auf der europäischen Landkarte erscheint“.

Und schon heben sie mal wieder ab, die Konstanzer, und gar seltsame Jubiläumsideen geistern durchs Geläuf. Zwar hat die Stadt so gar kein Geld, um kostspielige Events zu finanzieren, aber planen kann man ja schon mal. OB Frank, dem in den vergangenen Jahren so ziemlich alles misslang, was er anpackte, lud vorsorglich Papst Ratzinger, den er „Heiliger Vater“ nennt, für das Jahr 2014 an den Bodensee ein. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Aber auch an anderen Fronten laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Wobei sich mittlerweile viele fragen: Was gibt es da eigentlich zu feiern? Das Konstanzer Konzil ist auch untrennbar verbunden mit grausamen Meuchelmorden. Die Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag wurden dereinst nach Konstanz gelockt – von höchster Stelle wurde ihnen freies Geleit zugesichert. Kaum hatten sie die Stadtgrenze überschritten, wurden sie verhaftet, gefoltert und verbrannt. Als Begründung wurde angegeben, für Ketzer gelte grundsätzlich kein freies Geleit. Daran möchte man ab 2014 schon auch erinnern, aber nicht so deutlich und eher nebenbei. Störenfriede will man bei den Vorplanungen besser nicht am Tisch haben. Ein „Arbeitskreis Konziljubiläum“, bestückt mit Stadträten aus den großen Fraktionen, versuchte über längere Zeit hinweg, Kirchenkritiker von den Beratungen fernzuhalten. Denn diese haben bereits im Vorfeld angemahnt, gefälligst den Ball flach zu halten und befürchten durchaus zu Recht, das Jubiläum könnte in eine Art verlängerte Fasnacht ausarten.

Doch von ketzerischen Einwänden wollen die Gremien selbsternannter Kulturverwalter aus der vorwiegend konservativen Ecke nichts wissen. Im Gegenteil: Man sattelt täglich drauf, und abenteuerliche Begehrlichkeiten wuchern wie Unkraut am Straßenrand. Nun denkt man ernsthaft daran, die europäische Außenministerkonferenz im Rahmen des Konziljubiläums nach Konstanz zu bitten. Langsam kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bewußtseinsverändernde Substanzen im Spiel sind. Warten wir noch ein Weilchen, dann kommen sicher noch abenteuerlichere Vorschläge und Hirngespinste.

Wie wäre es denn, das Champions League-Finale 2015 im Bodensee-Stadion von Ratzinger anpfeifen zu lassen? Das geht auch im Sitzen. Als Schiedsrichter würde sich Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, vorzüglich eignen. Unterstützung erhalten könnte der weichgespülte katholische Hardliner von Münster-Mufti Christian Trennert-Helwig.

Vertreter von Opus Dei, Opus Angelorum und den rechtslastigen Pius-Brüdern kämen als Linienrichter in Betracht, ausgemergelte Ministranten als Balljungen. Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, da ist noch viel Luft nach oben.

Sollten Sie bereichernde Ideen haben, dann melden Sie sich bitte umgehend bei der seemoz-Redaktion. Stichwort: Habemus Paranoia

Autor: Franz Paganini

Zusatz: Da fällt mir doch gerade ein, dass das seemoz-Team heute zum öffentlichen Talk in die vhs eingeladen hat. Also nix wie hin! Astoria-Saal, 19.30 Uhr.