Kuno Schelmles ultimative Wahlempfehlung

Die schlechte Nachricht: Der OB-Wahlkampf wird sumpfiger. Die gute: Am Sonntag ist der Zirkus endlich vorbei. Noch einmal habe ich auf Drängen der seemoz-Redaktion meine lauschige Gartenlaube verlassen, mich auf Märkten umgehört und war auf diversen Veranstaltungen. Und wieder gibt’s kein Schmerzensgeld. Grünt´s noch lindgrün oder dräut es nachhaltig schwarz? In drei Tagen wissen wir mehr.

Eines vorneweg. Acht Jahre sind eindeutig zu lang. Komme mir jetzt keiner und faselt mir ins Ohr, dass die- oder derjenige sich eben erst einarbeiten müsse. Das ist Quark. Fünf Jahre wären angemessen und keine Minute mehr. Stellen Sie sich nur mal vor, die/der neue OB erweist sich nach sechs Monaten als Rohrkrepierer und die oder den haben wir dann weitere siebeneinhalb Jahre an der Backe. Und bei der momentanen Situation ist das sehr gut vorstellbar.

Seit dem ersten Wahlgang herrscht Hektik unter den KandidatInnen. Sabine Seeliger landete etwas überraschend nur auf dem dritten Platz. Sabine Reiser, das Grinsmonster aus Stuttgart, lag knapp vor ihrem smarten CDU-Parteikollegen Uli Burchardt. Vor allem bei den Grünen war die Enttäuschung groß. Mit ihren rund 5200 Stimmen konnte Seeliger nicht zufrieden sein. Zum Vergleich: Noch-OB Horst Frank erreichte vor acht Jahren 11 248 Stimmen und bei der Landtagswahl 2011 bekam der grüne Kandidat Siegfried Lehmann sogar 14 000 Stimmen. Gut, damals herrschte Wechselstimmung im Land und davon konnte Lehmann profitieren. Doch das Ergebnis vom ersten OB-Wahlgang zeigt deutlich, dass Seeliger im eigenen Lager nicht unumstritten ist. Vor allem ihre „Parteifreundin“ Jacobs-Krahnen platzt schier vor Wut, wenn sie täglich an einem Plakat von Seeliger vorbeilaufen muss. Man kann getrost davon ausgehen, dass sie und einige andere schwarzgrüne Heckenschützen hinter den Kulissen kräftig Stimmung machen gegen ihre ungeliebte innerparteiliche Konkurrentin.

Mittlerweile aber bekommt Seeliger auch Unterstützung aus anderen Lagern. Die ausgeschiedenen OB-Kandidaten Luithle, Kaltenbach und Tartsch haben ihre WählerInnen aufgerufen, im zweiten Wahlgang Seeliger zu wählen. Das Zentralkomittee der örtlichen SPD eiert wie immer rum. Ihr Kandidat Sven Zylla hat sich verdünnisiert und nun stünde einer Wahlempfehlung für Seeliger eigentlich rein gar nichts mehr im Wege. Aber die Sozen wieder! Man habe, so eine verklemmte Pressemitteilung, bei verschiedenen Punkten „Übereinstimmung“ mit Seeliger erzielt. Mehr nicht. Dabei könnte die Grüne die Unterstützung der SPD gut gebrauchen. Die Faxen dicke haben nun einige bekannte SozialdemokratInnen in der Stadt. Die ehemalige Landtagskandidatin Zahide Sarikas, Altstadtrat Klaus Hundertpfund und Stadträtin Hanna Binder rufen ganz offiziell zur Wahl von Seeliger auf. So einfach ist das, möchte man den taktierenden SPD-RätInnen Weber, Leipold, Ruff, Puchta und Hotz zurufen. Doch die stellen sich lieber taub und sondern halbgares Wortgut ab.

Kommen wir zu Uli Burchardt. Mir ist der Junge sympathisch. Auch meine Frau sagt, mit dem würde sie unsere Tochter bedenkenlos um die Häuser ziehen lassen. Sieht nett aus, versprüht Charme – Schwiegermutterherz, was willst du mehr? Einige Kommentare zur Personalie Burchardt, auch auf dieser Seite, sind arg daneben. Mir persönlich ist das völlig schnuppe, ob der gute Uli Abi hat oder nicht, mir ist auch völlig egal, ob er ein großes oder ein kleines Unternehmen führt, es interessiert mich auch nicht die Bohne, ob er verheiratet ist, uneheliche Kinder hat, einen Brillie trägt (nein, der ist nicht schwul) oder es in einer Kneipe gerne mal bis zum Morgengrauen kräftig krachen lässt. Ebenso geht es mir – mit Verlaub – am Arsch vorbei, ob er sein Buch selber geschrieben hat oder ein Ghostwriter. Da treffen sich grenzwertige Spießer zum fröhlichen Stelldichein. Ziemlich widerlich, diese Typen.

Aber. Ich würde den Kandidaten gerne zu einem Grillabend in meine Laube bitten, ihm eine Rote auflegen, ein gepflegtes Pils offerieren und dann würde ich ihm sagen: „Lieber Uli Burchardt, willst Du Dir das wirklich antun? Sei nicht gleich beleidigt, aber bei Deinen Auftritten hast Du kaum was zur Sache gesagt, bist vage und ganz weit weg von allen Problemen, mit denen es ein Oberbürgermeister in der Regel zu tun hat. Überleg‘ Dir das gut, das ist überhaupt nicht Dein Ding. Schreib lieber nochmal ein Buch mit viel wenig drin und lass es Dir gut gehen. Ist die Wurst ok? Brauchst noch Senf?“

Dafür ist es wohl zu spät, aus der Nummer kommt er nicht mehr raus. Denn Burchardt ist gut im Rennen um den OB-Sessel. Aber wer die Liste seiner Unterstützer studiert, dem schwant Übles. Mit Wolfgang Müller-Fehrenbach und Roger Tscheulin hat er beispielsweise zwei Förderer im Rücken, die man dort lieber nicht hat. Noch nicht lange ist es her, da attackierten diese beiden den ehemaligen grünen Stadtrat und späteren Bundestagsabgeordneten Till Seiler, weil dieser es gewagt hatte, den Papstbesuch in Freiburg zu kritisieren. Die katholischen Heuchler baten Ministerpräsident Kretschmann per Brandbrief, er möge Seiler zurecht weisen. Kurz zuvor waren die rechten Socken auch beim Thema Päpstle am Bahnhof aktiv. Mit dem nackten Papst würde man die religiösen Gefühle vieler Gläubiger verletzen, säuselten sie verlogen unisono mit der Bildzeitung. Die Pius-Brüder der Konstanzer CDU als Wahlkampfhelfer? Wer solche Mitstreiter hat, muss sich um seine Feinde keine Gedanken mehr machen.

Sollte Burchardt am Sonntag der Wahlsieger sein, dann ist zu befürchten, dass er zum hilflosen Spielball sattsam bekannter Lobbyisten wird. Sie werden ihn solange kneten, bis von ihm nichts mehr übrig bleibt und er bestenfalls als Grüßaugust für das Konziljubiläum taugt. Dieses traurige Schicksal sollten wir dem Kandidaten ersparen.

Ach ja, was machen wir mit Sabine Reiser? Die schicken wir mitsamt ihrer PR-Beraterin flott nach Stuttgart zurück. Ihren Job dort hat sie ja noch. Und wenn sie ihren Kredit, den sie angeblich für den OB-Wahlkampf aufnehmen musste, abbezahlt hat, dann steht einer erneuten OB-Kandidatur irgendwo im Lande nichts im Wege. Zum Beispiel nächstes Jahr in Singen. Dort ist es auch schön.

Autor: Kuno Schelmle