Odysseus, der Listenreiche, lässt grüßen

20111105-205720.jpgVon den Griechen lernen, das hieß einst: Listen lernen (zu Zeiten des Odysseus). Von den Griechen lernen, das hieß einst auch: Demokratie lernen (zu Zeiten des Aristoteles). Dann hieß es lange auch: Kämpfen lernen (zu Zeiten des diktatorischen Terrors eines Adolf Hitler oder Georgios Papadopoulos). Heute können wir von den Griechen wieder hoffen lernen. Hoffen darauf, dass Demokratie irgendwann doch mehr sein möge als der verschobene Proporz von Parteien und Großfinanz.

Hoffen darauf, dass Vernunft und Augenmaß vielleicht eines Tages doch stärker werden könnten als Gier, Größenwahn und Machtgehabe. Aber die Hoffnung ist eines der perfidesten Folterinstrumente, über die der Mensch verfügt. Deshalb heißt von Griechenland lernen für uns alle jetzt wieder: schmerzliche Erkenntnis lernen. Wie das?

Gerade erst noch durften wir hoffen, dass in Griechenland jetzt alles wieder gut wird, weil wir in einer epochalen gemeinsamen Anstrengung den geheilgten €uro, und damit die gesamt€uropäische Vision, wenn nicht sogar die Union, gerettet hätten. Auch die Griechen waren, gewisser Uneinsichtigkeiten um Trotz, bereit, sich auf diese teure Hoffnung einzulassen. Dann wieder machte der noch amtierende Staatspräsident Papandreou in einer kühnen Volte diese Hoffnungen mit einem Schlage zunichte.

Dieser verantwortungslose Strolch hatte doch das vermessene Ansinnen, in völlig pervertiertem Demokratieverständnis sein VOLK über diese Fundamentalfrage abstimmen zu lassen, ob und wie das Schicksal der griechischen Nation künftig mit dem des €uro verbunden bleiben sollte. Odysseus, der Listenreiche, lässt grüßen! Ja, ist der Mann denn komplett wahnsinnig? DAS VOLK? VOX RINDVIEH soll über seine eigene Zukunft befinden, und darüber auch noch abstimmen? DA KÖNNTE JA JEDER KOMMEN?! DIE ZUKUNFT DES €URO, die der BANKEN, und damit unser aller Zukunft hängt davon ab, dass da jetzt alles in geordneten Bahnen verläuft, und gefälligst keiner kleinstaatlerisch querschießt oder dumm reinquatscht, bitteschön!

Wir sind eine Schicksalgemeinschaft, und haben uns auf Leben und Tod dem €uro verschworen. Wer da aussteigen will, ist schon so gut wie tot. Schließlich sitzen wir alle in einem leck geschlagenen Boot, und da soll gefälligst jeder Brackwasser schaufeln, so gut er eben kann. Über Bord geworfen wird er noch früh genug. Papandreou hat man das jetzt zu guter Letzt doch noch begreiflich machen können, Merkel, Sarko und Co. sei Dank.

Die €urokratische Demokratie hat auf ganzer Linie gesiegt, Papandreou wird irgendwann gehen müssen, nachdem man an ihm ein Exempel statuiert hat. Weiter so. Und weil europäische Demokratie nach Griechenland zu bringen, so sinnvoll ist wie die berüchtigten Eulen nach Athen zu tragen, zum guten Schluss hier noch`n Gedicht (man beachte bitte die Jahreszahl!):

Griechenlands Hoffnung

1827.
Es ging das Jahr in mattem Schlummer
Verachtet seinem Ende zu,
Im Osten wühlt der alte Kummer,
Und um uns her ist Grabesruh;
Das Licht der Wahrheit – mag`s ersterben!
Das Volk der Freiheit – mag`s verderben!

Geht, hoffet noch auf Wunderwerke,
Und glaubt, daß euer rost`ger Stahl,
Hineingesandt, die Schwachen stärke,
Zu trotzen Feinden ohne Zahl!
Geht, reicht den Weibern, Kindern, Greisen,
Fünf Gerstenbrote, sie zu speisen!

So sprach der Zweifel, hohen Hauptes
Ging er durch unsre Straßen hin;
Den Geiz erfreut`s, die Schwäche glaubt es,
Der kalten Bosheit däucht`s Gewinn:
Jetzt ist die letzte Glut verglommen,
Ja, bleiern wird die Nacht jetzt kommen!

Und anderwärts hebt schon die Schande,
Die Thorheit schon ihr Banner dreist: –

Da regt sich an Europens Rande
Der niebezwungne, freie Geist;
Im Land, um das die Fluten wallen,
Läßt Ein Mann seine Stimme schallen.

Wer heftet nicht auf Ihn die Blicke,
Von dessen Mund die Rede weht,
Daß durch die langsamen Geschicke
Der Zeit ein Fieberschauer geht,
Und daß von seinem Wink erschüttert
Der dumpfe, ferne Süden zittert!

Zwar gilt es nicht dem armen Volke,
Das schmachtend nach dem Ritter blickt,
Auf das die steh`nde Wetterwolke
Vertilgungsstralen niederschickt:
Doch darf das eine Leid schon hoffen,
Wenn andrem Leid ein Ohr steht offen.

O, die ihr Worte habt wie Schwerter,
Beschwingte Schiffe, Waffen, Gold:
Dort drängt die Wut, die Not noch härter,
Als wo der Mönch die Fahn` entrollt;
Dort, wo das Sichelschwert seit Jahren
Wild durch die fremde Saat gefahren.

Die Saat des Korns, die Saat der Helden,

Der Mütter und der Kinder Saat!
In Haufen liegen sie und melden,
Was dort der Schnitter niedertrat!
Dort helft, dort stellt euch an die Spitze,
Dort schleudert rettend eure Blitze.

Ihr aber, ihr in allen Landen,
Die noch erweichet andrer Not,
Auf, laßt uns rütteln an den Banden,
Auf, theilet euren Bissen Brot;
Daß hier und dort ein Arm, der bebet,
Erstarkt zum Kampfe neu sich hebet.

Die Zeit blickt uns mit Hoffnungsaugen
Tiefsinnig funkelnd, fragend, an;
Jetzt will sie Herzen, welche taugen,
Jetzt rüst`ge Wandler ihrer Bahn.
Drum nicht mehr lau, nicht mehr verzaget;
Laßt wirken uns, so lang es taget!

Autoren: Gustav Schwab (1792-1850), für den Rest: Siegfried Galter