Plädoyer für eine Klatschspalte
Aus gegebenem Anlass sollten sich die seemoz-Macher ernsthaft überlegen, eine neue Rubrik in ihr Online-Magazin aufzunehmen. In Teilen der Leserschaft scheint ein gewisser Informationsbedarf hinsichtlich neuestem Klatsch und Tratsch zu bestehen. Die rege Diskussion um einen erst kürzlich erschienenen Artikel kann als eindeutiges Anzeichen dafür gesehen werden, dass auch seemoz-Leser Menschen mit tiefgehenden Emotionen sind, die gerne Neuigkeiten lesen, die einfach ans Herz gehen.
Es ist ein Trend unserer Zeit, sich für das Privatleben uns eigentlich unbekannter Personen zu interessieren und dieses auf das Genaueste via TV, Web und Printmedien auszukundschaften. Bisher weist seemoz allerdings, was eine gepflegte Spalte „Buntes“ anbelangt, im Vergleich zu anderen Medien erhebliche Defizite auf. Es ist an der Zeit, den unzähligen Lokal-Käseblättern, die bereits ausführlich über Beziehungskisten und Outfitpannen berichten, den Rang abzulaufen und mit täglich aktuellen Meldungen aus dem Privatleben berühmter Persönlichkeiten rund um den Bodensee aufzuwarten.
Erfolgreiche Labertaschen
Nicht nur bei der Leserschaft scheint der Wunsch nach einer Klatschspalte groß. Es zeichnet sich ab, dass sich mit der grünen Landtagsabgeordneten Nese Erikli schon die erste gefunden hat, die diese Rubrik freiwillig mit reichlich Informationen füttert. Hier können also schon einmal Paparazzi-Stellen eingespart werden. Schwere Erkältung zu Beginn des Landtagswahlkampfs (mit entsprechendem öffentlichem Gejammer), dann ein Bänderriss aufgrund eines missglückten Fasnacht-Tänzchens, Mode-Fauxpas im Pseudo-Dirndl beim „Ersten politisch-satirischen Weißwurstfrühstück“ und nun auch noch Babynews. Was kommt als nächstes, fragen sich da die Erikli-Groupies und sind auf neuen Klatsch und Tratsch gespannt.
Das Studium scheint jetzt erst einmal auf Eis zu liegen. Wofür braucht ein Politiker aber auch eine abgeschlossene Berufsausbildung? Das wird doch heutzutage völlig überbewertet. Königshäuser und Reality-TV-Sternchen machen es vor: Man ist nicht das, was man kann, sondern das, was man von sich preisgibt.
Win-Win-Situation
Für Personen des öffentlichen Interesses mit einem Hang zur Selbstdarstellung und den entsprechend interessierten Leser böte ein Boulevard-Teil auf seemoz jedenfalls die ideale Plattform. Politiker könnten die Themen, die ihnen wirklich am Herzen liegen, dort veröffentlichen, ohne von seemoz für ihre Unprofessionalität durch den Kakao gezogen zu werden.
Zudem können ihre auf emotionaler Ebene leicht zugänglichen Fangirls und -boys sogar in den Kommentaren freimütig – je nach Thema – ihre Glückwünsche, Betroffenheit und Anteilnahme (zum Beispiel beim Tod des geliebten Hamsters) zum Ausdruck bringen, ohne von anderen Lesern dafür angegriffen zu werden. Schließlich profitieren dann auch noch diejenigen, die sich tatsächlich mit dem politischen Tagesgeschehen auseinandersetzen möchten. Ja, auch solche soll es noch geben – zumindest außerhalb der Grünen (vielleicht hat Claudia Roth zu stark abgefärbt?). Sie bleiben verschont von Meldungen aus dem Bereich „Dinge, von denen ich gar nichts wissen will“ und können sich wieder ganz ungestört den politischen Fakten zuwenden, auch wenn es manchmal hart und weit weniger weich ist als ein Baby-Popo.
God save the Queen
Um mit herkömmlichen Promi-News mithalten zu können, müssen selbstverständlich schwere Geschütze à la Berichterstattung über das britische Königshaus aufgefahren werden. Dazu gehörte im Falle Erikli natürlich ein Live-Ticker zur Geburt des Kindes, in dem letztlich auch der Name in seiner vollen Länge veröffentlicht wird. Auch die Outfits des Kindes sollten in Wort und Bild der Fangemeinde zugänglich gemacht werden, bestenfalls mit Informationen, in welchem angesagten Laden (hoffentlich ist es nicht H&M, das würde ein schlechtes Licht auf die grüne Politik werfen) man die Teile selbst erstehen kann. Für die finanzielle Situation von seemoz könnte das immerhin ein erhebliches Plus hinsichtlich der Werbeeinnahmen bedeuten.
Auch Dreizeiler zum Thema „Womit kombiniert Frau Erikli ihren roten Lippenstift heute?“ dürfen in den Prominews nicht fehlen. Ebenso wie eine Seite Do’s und Dont’s, nachdem bei Frau Erikli vor allem bei den No-Go’s ein erhebliches Maß an Berichterstattung vonnöten sein wird. Letztendlich wird es Nese Erikli wahrscheinlich gar nicht kümmern, in welcher der beiden Kategorien sie häufiger vertreten ist, denn Hauptsache ist, sie bleibt im Gespräch. Da die Grünen allerdings schon Geld für die Apfel- und Brezentüten für die Pendler im nächsten Wahlkampf sparen müssen, wird von dieser Seite keine große finanzielle Unterstützung zu erwarten sein.
So eine unterhaltsame Klatschspalte möchte aber auch irgendwie finanziert werden. In diesem Sinne: Um Spenden zum Erwerb der Exklusiv-Rechte an den ersten Bildern des Sprösslings wird eindringlich gebeten.
Carla Farré
Soweit ich die glücklichen Eltern auf dem „Beweisfoto“ im Netz erkennen konnte, sind diese in Sachen „Selbstvermarktung“ nicht ungeübt 😉