Religionsgedöns und Konstanzer Niederungen
Nein, die Welt ist nicht aus den Fugen geraten, als Joseph Ratzinger, im Hauptberuf Papstdarsteller und Stellvertreter einer angeblich höheren Macht, den Bettel hingeschmissen hat. Der greise Bayer, Künstlername Benedikt XVI., packt nun seine Röcke und andere sakrale Dessous zusammen und verabschiedet sich in ein Kloster, wo er fortan nach einem zünftigen Weißwurstfrühstück täglich seinem Herrn nahe sein will. Ich wünsche ihm dabei gute Unterhaltung
Eigentlich könnte man das künstlich aufgeblähte Ereignis zu den Akten legen, aber die Lobeshymnen nach Ratzingers Rücktritt waren derart schräg und verlogen, dass ein kleiner Nachruf nicht ausbleiben kann.
Heuchlerische Ergebenheitsadressen
Kaum hatte der stockkonservative Glaubenswächter sein Rentnerdasein verkündet, trafen auch schon die ersten Reaktionen ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel feierte Benedikt als „einen der bedeutendsten religiösen Denker der Gegenwart“, der den „allerhöchsten Respekt“ verdiene. Dabei ist es noch nicht allzulange her, dass sie den Pontifex wegen seiner von ihm verordneten Aufhebung der Exkommunikation für die rechtslastigen „Pius-Brüder“, darunter auch bekannte Holocaust-Leugner, deutlich gerügt hatte. Auch Bundespräsident Joachim Gauck legte nach und blies in ein ähnliches Horn. Devot ließ er verlauten, dass er „tief beeindruckt“ sei von „Ratzingers Weisheit“ und seinem „großen Mut und seiner Selbstreflexion“. Starker Weihrauch, aber wie es halt immer so ist: Wo ein wortblasiger Beschöniger auftritt, gesellen sich gerne ganz schnell noch andere hinzu.
Zum Beispiel die Ditib, der größte islamische Dachverband in Deutschland. Erstaunlich, dass die obersten Muselmanen in deutschen Landen nun plötzlich dem katholischen Oberhirten hinterhersäuselten und auf einer ziemlich fetten Schleimspur krochen. Benedikt, so die Ditib, sei „ein Förderer des Dialogs unter den Religionen“. Da kommt man aus dem ungläubigen Staunen nicht mehr heraus. Auch religionsferne Zeitgenossen werden sich noch an den päpstlichen Fauxpas im September 2006 erinnern. Damals äußerte sich Ratzinger bei einer Vorlesung an der Uni Regensburg wenig freundlich über den Propheten Mohammed. Dieser habe nichts Neues, sondern „nur Schlechtes und Inhumanes“ gebracht. Da war aber was los in der muslimischen Welt, da rumorte und rumpelte es wochenlang gar heftig auf fast allen Gebetsteppichen rund um den Globus.
Bei soviel Schleicherei wollte auch der Zentralrat der Juden nicht außen vor stehen. Dieter Graumann, Präsident des Verbandes, lobte „die Verdienste des Papstes um die Zusammenarbeit von Christen und Juden“. Aha, auch Graumann leidet offensichtlich an Gedächtnisschwund und hat wohl völlig vergessen, dass Ratzinger in die Karfreitagsliturgie wieder den Passus über die renitenten Juden aufnahm, für deren Bekehrung und Hinführung zum richtigen Gott alle Christen inständig beten sollten.
Nun soll´s ein anderer richten
Es bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass das Pontifikat des deutschen Papstes so enttäuschend verlief, wie zu befürchten war und Ratzingers Regentschaft die katholische Kirche in wesentlichen Fragen nicht nach vorne gebracht hat. Im Gegenteil: Weiterhin gilt eine verknöcherte Sexualmoral als oberstes Gebot, beim Thema Abtreibung herrscht Stillstand, ebenso bei der Frage, ob Frauen ein Priesteramt bekleiden dürfen, und zur Aufklärung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendliche durch geistliche Triebtäter hat Josef Ratzinger kaum etwas beigetragen. Nun zieht er sich also in klösterliches Gemäuer zurück, um mit dem Heiligen und anderen Geistern ins Gespräch zu kommen. Aber wer glaubt, er hielte sich bei der kommenden Papstwahl vornehm bedeckt, der irrt. Schon lange vor Ende seiner Amtszeit hat Ratzinger die Kurie in seinem Sinne umgebaut und dafür Sorge getragen, dass sein Nachfolger ähnlich verkrustet und rückwärts gewandt daherkommen wird wie er. Und der Oberinquisitor, der er immer geblieben ist, wird ein mehr als wachsames Auge werfen auf die Personaldiskussion der kommenden Tage und Wochen.
Geplatzte Konstanzer Träume
Schon vor Jahren erging anlässlich des bevorstehenden Konziljubiläums (2014 bis 2018) eine Einladung an Papst Benedikt. Ganz begeistert waren damals die Organisatoren der Sause von der Idee, dass der oberste Kirchenfürst die Erinnerung an das Konstanzer Konzil (1414 bis 1418) mit seiner Anwesenheit aufwerten möge. Daraus wird nun nichts. Groß und prachtvoll feiern möchten einige Konstanzer, darunter auch der neue Oberbürgermeister Uli Burchardt und eine Mehrheit des Gemeinderates, das Ereignis, das die Konzilstadt für satte vier Jahre in den Mittelpunkt des europaweiten Interesses rücken soll.
Bescheidenheit war noch nie eine Konstanzer Zier. Seit gut drei Jahren laufen die Vorbereitungen für das Jubiläum, wobei viele nicht einsehen wollen, was es da überhaupt zu feiern und jubilieren geben soll. Vor allem, wenn man weiß, dass dereinst die Reformatoren Johannes Hus und Hieronymus von Prag in Konstanz ob ihrer Kritik an den damaligen Zuständen in der katholischen Kirche auf dem Scheiterhaufen landeten.
Bei den Jubiläumsvorbereitungen harzt es seit kurzem gewaltig. Langsam dräut einigen Verantwortlichen, dass sie sich mit ihren Vorstellungen für eine vierjährige Festivität am Stück ganz gewaltig überhoben haben. Unklare Finanzen und Projekte, die eher an groben Unfug erinnern, säumen die Wege der Träumer der größten Stadt am Bodensee. Ich gehe jede Wette ein: Da werden noch viele postkonziliare Eier gelegt, in denen nichts anderes sein wird als heiße Luft.
Darauf freut sich jetzt schon
Ihr fröhlicher Atheist und Hostienschänder vom Hohentwiel
Franz Holz