Samuel Hahnemann sancto subito!
Es ist überfällig! Nachdem nun bekannt wurde, dass Frau Bojaxhiu, genannt Mutter Teresa, heiliggesprochen wird, ist nicht mehr hinzunehmen, wie die Kirche an den Wundern des Samuel Hahnemann (geb. 1755) einfach vorüber geht. Die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung billigt Frau B. gerade mal eine einzige Wunderheilung zu. Wenn das reicht, kann man die Millionen Wunderheilungen mit Hahnemann’schen Zuckerkugeln nicht mehr ignorieren.
Während die Aussage, nur das Gebet eines Brasilianers zu Mutter Teresa komme für dessen Heilungsursache in Frage, von der seriösen Wissenschaft mit mildem Lächeln kommentiert wird, ist sich dieselbe Wissenschaft bei Hahnemann’schen Heilungen einig und sicher. Sie können wissenschaftlich nicht als Erfolg der Globuli erklärt werden – schon gar nicht, wenn die Verdünnung der Wirkstoffe ein Maß erreicht, bei dem rein statistisch kein Wirk-Molekül mehr enthalten ist, also handelt es sich eindeutig um Wunder.
Ob Samuel Hahnemann, mit 24 Jahren schon Doktor der Medizin und ab 1793 Mitglied der angesehenen wissenschaftlichen Akademie Leopoldina, katholisch war, weiß ich nicht sicher. Dass er zeitweilig Freimaurer war, sollte von der Kirche großzügig übersehen werden. Andererseits bietet gerade die Existenz des Heiligen Geistes als Teil der Heiligen Trinität eine Erklärungschance der Zuckerkugeln. Sagen doch die Anhänger Hahnemanns, dass es immaterielle, „strukturelle“ Information ist, die die Heilung verursacht. Die Tatsache, dass keine physikalische Messmethode irgendeine strukturelle Besonderheit nachweisen kann, weist ja direkt auf das Transzendentale der homöopathischen Mittelchen hin.
Insofern sind auch jene Skeptiker fehlgeleitet, die die Hahnemann’schen Lehren von der Potenzierung und dem Simile-Prinzip für nobelpreiswürdig halten. Fehlt doch den homöopathischen Aussagen jede objektive Reproduzierbarkeit in wissenschaftlichen Tests. Wie albern Behauptungen sind, bei Homöopathie handle es sich um Wissenschaft, kann man leicht erkennen: müsste doch die gesamte Physik und Chemie auf irrigen Annahmen beruhen.
Vernünftigerweise behaupten die Jünger Hahnemanns solches nicht! Mit Stolz und irgendwie trotzig legen sie Wert auf die Nicht-Wissenschaftlichkeit ihrer Methoden. Sie wissen, dass Glauben über dem Wissen steht, und sind sich dabei den Religiösen sehr nahe, die von wissenschaftlichen Beweisen nichts halten. So antwortete auch Mutter Teresa auf Kritik an mangelnder medizinischer Kompetenz ihrer Mitarbeiter: „Nicht der Erfolg, sondern die Treue im Glauben ist wichtig.“
Ist nicht auch das staatlich anerkannte Prinzip der Binnenbestätigung Religionen und der selbsternannten „Alternativ-Medizin“ identisch? In beiden Fällen reicht die Wirksamkeitsbestätigung durch Gleichgesinnte als Beweis aus. Und stammen nicht alle Religionen ebenso wie die Hahnemann’sche Homöopathie aus einer vorwissenschaftlichen Zeit, die noch nicht durch die Aufklärung verunsichert war.
Wie schön, dass auch die Politik diese Nicht-Wissenschaft mit gutem Geld der Krankenkassen unterstützt. Bezahlt sie nicht auch die Gehälter von Bischöfen? Dürfen die kirchlichen Träger von Dienstleistungs-Einrichtungen der Medizin oder Bildung nicht auch mit staatlichem Geld Anhänger ihres Glaubens bevorzugen? Da ist es doch nur gerecht, dass auch Zucker aus öffentlichen Kassenmitteln bezahlt wird, soweit er nicht rieselfähig, sondern in schüttelgemischter Kugelform dargereicht wird. Bachblüten und Grander-Wasser werden zurzeit noch benachteiligt. Das dürfte aber bei der Begeisterung der Politik für „Alternatives“ nicht mehr lange so bleiben. Immerhin sind auch Anhänger solcher Weisheiten Wähler.
Nimmt man all dies zusammen, dann wird mein Vorschlag, Samuel Hahnemann wegen millionenfachen Wunderwirkens heilig zu sprechen, breiteste Unterstützung erfahren.
Ein Wunder, dass vor mir noch niemand darauf gekommen ist.
Gerd Eisenbeiß (hpd)
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26.07.10 | Ist die Homöopathie eine Alternative zur Schulmedizin?
nun ja, Hahnemann und Placeboeffekt das erscheint mir schon etwas schräg und schrill. Meine erste Erfahrung mit seinen Methoden war die, dass eine meiner Töchter als Baby und Kleinkind ständig Mittelohrentzündung hatte und die Schulmedizin nichts bessereres als ständige Antibiotikagaben zu bieten hatten. Die vielen durchweinten Nächte und der immer schlechtere Zustand des Kindes, hatte uns damals dazu gebracht, nach Alternativen zu schauen. Und siehe da, mit einer Einmalgabe der lustigen Globolie, verbesserte sich der Zustand innerhalb von 30 Minuten, danach, siehe da, gab es nie wieder Probleme. Wunderheilung? Der Placeboeffekt kann es bei einem Kleinkind, nicht gewesen sein, der hätte denn auch bei all den süßen Antibiotikasäften einsetzten müssen. Das hat mich nicht zu einem Gegner der Schulmedizin gemacht, es kommt halt auch drauf an um welche Erkrankungen es sich handelt. Doch war ich damals sehr froh, dass dieser Arztbesuch und die Behandlung auf Krankenschein möglich war, denn ich hatte kaum Geld. Man kann natürlich alles durch den Kakao ziehen, vor allem, wenn es nicht dem eigenen Weltbild entspricht. Aber vielleicht gibt es ja wirklich echte Gründe weshalb sich der Unsinn schon seit über 200 Jahren so hartnäckig hält, auch jenseits des Horizonts engagierter Satiriker. Da Globolie halt doch nur einen Bruchteil der oft teuren schulmedizinischen Medikamente kosten, dürfte es wohl kaum zum Schaden der Allgemeinheit sein, wenn diese Freiheit der Wahl für Patienten erhalten bliebe. Oh, sorry, wie schräg, die wohlhabenderen Bevölkerungsschichten haben diese Wahl sowieso, arme Rentner und Arbeitslose tragen im Gegensatz zu diesen Menschen sowieso nichts zu unerer Gesellschaft bei. Schräg und schrill! Wieso werden die überhaupt noch medizienisch versorgt?
Zum anscheinen riesigen Problem Hahnemann und Freimaurerei: Unser aller Goethe war – mit Unterbrüchen – stets wieder mal in einer Loge als Mitglied gesichtet worden und tauchte selbst bei den Illuminaten auf. Ob das auch irgendwie mit Placebo zu tun hatte, entzieht sich meiner Kenntnis („Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!“ – Geist, Faust, 1. Teil).
@Frank Schmalbach: Neee, Mitglied im Kaninchenzüchterverein wäre cool gewesen. Aber anscheinend weiss niemand etwas von einer Vorliebe für Langohren ;.)
Nein, Frieda Nurvorname, mir muss keiner auf die Füsse treten, dass ich mich äußere.
Ich fand es nur spassig (und der Beitrag ist ja passenderweise auf der schräg+schrill-Seite), dass der Autor (1) bei aller Schräg- und Schrillheit so bemüht ist, alle anderen als die „Schul“mediziner der Beitragsförderung für unwürdig zu erklären. Und (2) mit der Erwähnung der Zugehörigkeit Hahnemanns zu den Freimaurern eine Parallele zieht, die (komischerweise immer noch) für die Presse plakativ genug zu sein scheint, sie zu erwähnen. Eine Mitgliedschaft Hahnemanns beim Kaninchenzüchterverein wäre ja auch eine ziemlich langweilige Nachricht gewesen, oder?
Im Krankheitsfall hilft bekanntlich ab und zu der Placebo-Effekt. Wurde dieser stimuliert, ist es ziemlich zweitrangig, ob nun die Schul- oder die Alternativmedizin (selbst Hahnemann) erfolgreich eingriff. Ein ähnlicher Effekt kann auch auf der religiösen Schiene bewundert werden. Alles nicht so schlimm. Manchmal sogar gut.
@Frank Schmalbach: Ihnen scheint der Autor des Artikels ja böse auf die Füsse getreten zu sein! Aber mal Butter bei die Fische: Weshalb sollte aus den Verbindungen Hahnemanns zu Kirche und Freimaurerei eine „Achse des Bösen“ werden (wieso nehmen Sie eigentlich seine Liebe zu fernöstlichen Glaubenslehren aus der postulierten „Achse“ aus?)? Er war nun mal Mitglied – und? Dass es für Erfolge seiner Heilmethode keine wissenschaftlichen Beweise gibt, stimmt aber eben auch. Damit fallen sie unter „Wunderheilungen“ – oder profaner unter „Placebo-Effekt“. Wenn’s Ihnen hilft, nehmen Sie Globuli – aber wieso soll dafür der gemeine Beitragszahler in die Tasche greifen? Er zahlt ja auch nicht, wenn jemand im Süsswarenladen „Liebesperlen“ kauft, die ungefähr gleich viel Wirkstoff enthalten, wie Globuli mit höherer Homöopathie-Potenz, aber erst noch bunt sind.
Noch was: Dass auch die Medizin irrt und viele Medikamente auf den Markt kommen, die viel kosten, aber wenig bewirken – ausser der Geldvermehrung bei Herstellern und Verkäufern – hat niemand ausser Frage gestellt. Dadurch wird aber Homöopathie nicht wirksamer.
Wenn man mal von den vielen „unteren“ Rängen der Ärzteschaft und den Pflegekräften absieht: Die Medizin und vor allem deren anhänglicher Verbündeter, die Pharmazie, ist ein so mächtiger Industriezweig. Eine wahre Geldvernichtungsmaschine, in der brav unsere Steuergelder, ein guter Teil unserer fleißig abgeführten Lohnnebenkosten sowie – über den Erwerb von Arzneimitteln – auch noch das restliche Bargeld versenkt werden. Zuzüglich Mehrwertsteuer. Und Praxisgebühr. Und Rezeptgebühr.
Und dennoch widmet der Seemoz einem so kleinen und kurzlebigen modischen Trend wie der Naturheilkunde, die frech seit lächerlichen 200 Jahren der „Schul“medizin die Stirn bietet, eine solch wortgewaltige Streitschrift? Na, da muss sich aber ne Menge Frust ob der staatlichen Unterstützung einiger „alternativer“ Heilmethoden aufgestaut haben, der sich elegant hinter sinnigem Sarkasmus versteckt.
Und wenn man dann auch noch zwischen Hahnemann, der Freimaurerei und der Kirche eine Verbindungslinie, gewissermaßen eine Achse des Bösen, ziehen kann – hey, Bingo! Ich vermisse auf dieser Linie noch den Herrn Steiner und seine Waldorf-Verirrungen. Die werden doch auch staatlich finanziert. Noch so ein Frustpotential. Und überhaupt: Hatte der nicht irgendwas mit den Illuminaten am Start?
Was Ihre Begeisterung für die Medizin anbetrifft, die viele ja so gerne mit dem Adjektiv „modern“ versehen, und für die absolut unfehlbare Wissenschaft, die die Menschheit ja noch nie in die Irre geführt hat, kann man es mit zwei Sätzen einer Science-Fiction-Filmfigur sagen: „Seien Sie nicht allzu stolz auf Ihr technologisches Schreckgespenst“. Und: „Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert.“
Naja, wenigstens Hahnemanns Vater war evangelisch und zweimal verheiratet: die 2. Ehefrau war die Mutter Samuels. Samuel selbst soll ja ausser für die Freimaurerei (er gehörte zur Loge „Zu den drei Seeblättern“ in Hermannstadt/Siebenbürgen, später dann zur Loge „Minerva“ in Leipzig) auch eine Schwäche für den Buddhismus gehabt haben. Also man kann es drehen und wenden, wie man will: das mit der Heiligsprechung wird wohl nichts werden. Evangelisch, Freimaurer, Fernost-Religionen – ne, da überfordert man den Papst nun wirklich. Sowas können auch tausende Wunderheilungen nicht aufwiegen – weil nur katholische Wunder echte Wunder sind 🙂