Stetes Stühlerücken im Konstanzer Gemeinderat
Kaum wurde Klaus-Peter Kossmehl im Mai 2014 für die CDU erneut in das Stadtparlament gewählt, trug er sein Mandat zu den Freien Wählern. Deren Stadträtin Gabriele Weiner wechselte kürzlich zum Jungen Forum. Wer nun glaubt, das Spielchen „Reise nach Jerusalem“ im Konstanzer Gemeinderat sei hiermit beendet, der täuscht sich
Gabriele Weiner, seit rund 16 Jahren für die Freien Wähler Konstanz (FWK) im Gemeinderat, und laut Südkurier eine eher „linke Sozialpolitikerin“, gab ihren Wechsel zum Jungen Forum Konstanz (JFK) schon vor Wochen bekannt. Angeblich, so Weiner, könne sie den Rechtsruck der FWK nicht mehr mittragen. Kommunalpolitischen Beobachtern ist nicht klar, was Weiner genau meint, denn belegen kann sie diesen Vorwurf nicht. Egal, es klingt gut, aber ihre Entscheidung hat völlig andere Gründe.
Jahrelang saß Weiner für die FWK im Haupt- und Finanzausschuss (HFA), was einigen ihrer Fraktionsmitglieder zunehmend weniger gefiel: „Die konnte auch nach Jahren Brutto nicht von Netto unterscheiden“, wurde schon länger garstig in den Reihen der Rechtskonservativen getuschelt und die FWK schickte nach der letzten Wahl ihre Neurätin Susanne Heiß in den HFA. Die, so ein FWK-ler böse-frotzelnd, beherrsche im Gegensatz zu Weiner „wenigstens die Grundrechnungsarten“. Dass man fraktionsintern die unterschiedlichen Ausschüsse immer wieder mal neu besetzt, ist übrigens ein völlig normaler Vorgang.
Was Weiner wirklich auf die Palme brachte: Sie fürchtete auch um ihren Sitz im wichtigen Aufsichtsrat der Stadtwerke Konstanz. Um sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht der Pöstchenschieberei verdächtig zu machen, bemühte sie nun den angeblichen Rechtsruck. Sie sollte ehrlicher sein: Über lange Jahre hinweg hat sie fast alle Entscheidungen ihrer strukturkonservativen Gesinnungsgemeinschaft brav mitgetragen. Ihr Übertrittsgrund zum JFK ist das Resultat sorgsam ausgebrüteter Scheinheiligkeit: Natürlich geht es Weiner um Einfluss und Posten. Bei den kommunalpolitisch unerfahrenen JFK-lern wird sie es leichter haben, eine führende Position einzunehmen und ihr Ego wieder ins Lot zu bringen.
Bereits am 4. Februar gab die JFK auf ihrer Website den Übertritt bekannt. Anderntags räumte JFK-Rat Matthias Schäfer auf Anfrage kleinlaut ein, dass man die eigene Basis dazu noch gar nicht befragt habe. Das soll mittlerweile geschehen sein, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. Man freue sich auf Weiner, zu der eine „programmatische und menschliche Nähe“ bestehe. JFK-Unterstützer der ersten Stunde sehen das anders und murren: „Die nehmen mittlerweile auch jeden“. „Junges“ Forum? Dabei denkt man gewöhnlich an maximal dreißigjährige oder noch jüngere KandidatInnen. Wir wollen hier nicht dem Jugendwahn das Wort reden, aber mit Gabriele Weiner weist das JFK nun einen Altersdurchschnitt von 48 Jahren auf und ist bundesweit das älteste kommunalpolitisch tätige Junge Forum.
Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu hören ist, wird Weiner nicht die letzte Hütchenspielerin gewesen sein, die ihr Mandat zu einer anderen Fraktion schleppt. Folgendes Szenario bahnt sich an: FWK-Rat Kossmehl hat offensichtlich die Faxen dicke und möchte sich endgültig aus der Kommunalpolitik verabschieden. Als Nachrückerin zöge Nicola Voigt, die bei der Wahl im Mai nur ganz knapp scheiterte, ins Stadtparlament ein.
Das wiederum könnte den rechten Leuchtturm der Freien Wähler, Jürgen Faden, ins Grübeln bringen. Er wird einen Linksruck seiner Fraktion befürchten und umgehend mit Konsequenzen drohen. Kurz darauf aber wechselt Voigt zum JFK und fällt dort ihrer alten Freundin Gabriele Weiner in die Arme. In einer Pressemitteilung wird dann das Junge Forum verlautbaren lassen: „Auch Nicola Voigt passt sowohl menschlich als auch programmatisch wunderbar zu unserer Fraktion und wir freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit“.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H. Reile
Weiterer Text zum Thema:
05.02.2015: Es geht nicht um Politik. Es geht um Pöstchen
…haben wir bei Ihrem letzten Kommentar gerade gemacht, lieber Herr Faude. hpk
aus gegebenem anlass: warum kann man eigentlich bei seemoz nicht wie anderswo in unserer zeit (also facebook und anderen medien) schreibfehler verbessern?)
immer interessant, die innensicht von holger reile aus dem gemeinderat zu lesen. auch wenns um eine verdiente gemeinderätin geht.
aber es ist halt nur eine einzige. und keiner sieht seine umgebung hinreichend genau, und schon gar nicht: gerecht.
also freue ich mich immer über kommentare von leuten, die genau bescheid wissen. – es lebe die kommentarfunktion…. 😉
Lieber Herr Greis,
Danke für den Hinweis, das ist mir schon auch klar. Schauen Sie doch mal auf die Rubrik, unter der mein Text erschienen ist…..:-)
Beste Grüße
H. Reile
ps: Und wie wir gerade erfahren haben, gibt es auch – nun ganz im Ernst – in einer anderen Fraktion eine personelle Änderung.
Das von Ihnen beschriebene Szenario wird so nicht eintreffen können, Herr Reile. Sollte Klaus-Peter Kossmehl zurücktreten, was ich nicht glaube, würde Joachim Filleböck von der CDU-Ergebnisliste nachrücken. Das Wechseln von Gemeinderäten zwischen den Fraktionen ist für die Nachfolgeregelung vollkommen unerheblich.
Lieber Herr Reile,
das ist völlig richtig, das stand am 4. auf unserer Facebook-Seite, mit Link zu dem von mir erwähnten Südkurier-Artikel. In diesem steht allerdings auch, worauf ich hinaus wollte: „JFK-Fraktionsvorsitzender Matthias Schäfer bestätigte, dass erste Gespräche bereits geführt wurden. In eine Entscheidung, ob das JFK Weiner aufnimmt, werde aber auf jeden Fall die Basis einbezogen. Für kommenden Montag sei eine Sitzung geplant.“
Die Basis ist nicht übergangen worden, wie es hier dargestellt wurde. Sie wurde sehr wohl gefragt. Der Beschluss wurde am 9. gefasst, aber das Abstimmungsergebnis war nach interner Diskussion auf der Mailingliste und telefonischer Abstimmung bereits klar.
Hallo Herr Hillmann,
da kann ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen, denn als Pressesprecher des über Nacht älter gewordenen „Jungen“ Forums sollte Ihnen schon bekannt sein, was exakt am 4.2. auf Ihrer Website zu lesen war: „Ja, es stimmt und wir freuen uns über den Neuzugang von Gaby Weiner, die fachlich und menschlich ein großer Gewinn für uns ist“.
H. Reile
Ganz so wie geschildert hat es sich nicht abgespielt.
1. Die Basis war zu diesem Zeitpunkt ganz sicher schon befragt worden. Und zwar ziemlich unverzüglich. Mein Handy dokumentiert einen eingehenden Anruf von Thomas Buck am 2.2.2015 um 20:27. Daraufhin wurde das auch auf unserem Mailverteiler direkt intern kommuniziert. Die _offizielle Abstimmung_ zum Thema fand die Woche drauf statt.
2. An dieser Stelle sei ausnahmsweise mal ein Link auf unsere Webseite erlaubt. Wir haben den Übertritt von Gaby Weiner am 12. Februar bekannt gegeben, nach der offiziellen Abstimmung, nicht am 4.: https://jungesforumkonstanz.de/2015/02/12/stadtraetin-gaby-weiner-wechselt-zum-jfk/
Der Südkurier berichtete früher.
3. Ich finde es großartig, dass wir jetzt eine sehr erfahrene Stadträtin haben. Wenn es ihrem Ego gut tut, uns weiter zu helfen, umso besser. Ihre Fähigkeiten zum Kopfrechnen habe ich bislang nicht prüfen können. Aber da wir einen Physiker, einen Volkswirt, zwei Informatiker und einen Unternehmensberater haben, dürfte eine etwaige Schwäche zu kompensieren sein.
4. Und noch besser wird es, wenn sich die kristallkuglerischen Vorhersehungen in diesem Artikel bewahrheiten sollten. Nicola Voigt ist Bankkauffrau und Finanzbuchhalterin. Außerdem ist sie eine Arbeitskollegin von Thomas Buck. Wir „nehmen ja eh jeden“, da könnten wir auch gleich Personal vom Fach nehmen.
Nach kommunalrecht, würde kossmehls Mandat doch bei Rücktritt, wieder zur CDU gehen ?