Von Linken, Vandalen und Schweizern

Es geht wohl fast allen KollegInnen so: Da hat man einen schönen Text verfasst und dann glotzt man ihn stundenlang an und rauft sich verzweifelt die Haare bei der Suche nach einer geeigneten, im optimalen Falle sogar pfiffigen Überschrift. Mit die fantasievollsten hat über lange Jahre hinweg die Berliner taz geboten, manche erreichten gar Kultstatus. Vergleichbares kann der Südkurier nicht bieten, wie zwei kleine Beispiele verdeutlichen. Und nicht nur das 

Einige Tage ist es her, da tränten historisch einigermaßen bewanderten Südkurier-LeserInnen die müden Frühstücksaugen. „Vandalen beschädigen Toilettentür“, teilte uns eine Überschrift im Lokalteil mit. Nun, liebe Leute von der zuständigen Redaktion: Nicht jeder Schwachkopf, der meint, sein testosterongeschwängertes Dasein an einer hilflosen Toilettentür abreagieren zu müssen, ist gleich ein Vandale. Wir haben den Verdacht, dass bei dieser aufgepeppten Polizeimeldung einem überforderten Praktikanten der sprichwörtliche Gaul durchgegangen ist. Also: Die Vandalen, werte KollegInnen, sind nachweislich Mitte des 6. Jahrhunderts ausgestorben. Dass sich ein kleiner, überlebenstüchtiger Restbestand die letzten 1500 Jahre im Lorettowald verschanzt hat, sich dort klammheimlich vermehrte und nun sein gewalttätiges Unwesen in Petershausen treibt, halten wir für ein ziemlich hanebüchenes Gerücht. Nochmal, zum Mitschreiben: Etwa gegen 560 Jahre nach der Kreuzigung eines weltweit bekannten Wanderpredigers wurden in Nordafrika die letzten Vandalen gesichtet. Andere Behauptungen sind schlicht grober Unfug. Und solange Südkurier-Fotograf Oli Hanser keinen Bildbeweis liefert, glauben wir euch die Story sowieso nicht.

Zudem: Man tut den Vandalen unrecht, wenn ihr Name immer mit sinnloser Zerstörungswut gleichgesetzt wird. Denn so destruktiv waren sie keineswegs, im Gegenteil. Sogar der damalige Bischof von Marseille schrieb lobend über sie: „ Wenn unter (…) Vandalen-Herrschaft jemand ein lasterhaftes Leben führt, dann ist es ein Römer“. Zudem bestätigte er den vermeintlichen Totschlägern und Kulturbanausen einen „hohen Maßstab an sittlicher Reinheit und Geradlinigkeit“. Aber der Begriff Vandalismus hat sich festgefressen und das lässt sich wohl auch nicht mehr ändern.

Eine andere Überschrift der Dorfzeitung führte ebenfalls zu Irritationen: „Linke diskutieren über Zukunft von Venezuela“. Mit dürren Zeilen wurde angekündigt, dass Carolus Wimmer, Vizepräsident des Lateinamerikanischen Parlaments in Panama und internationaler Sekretär der KP Venezuelas, am 4. Juni im Konstanzer Hotel „Barbarossa“ um 19.30 Uhr einen Vortrag hält. Eingeladen wurde Wimmer, der in Konstanz studierte, von der Partei Die Linke und der DKP Bodensee-Hochrhein. Bei soviel systemzerstörerischen Umtrieben hält sich der Südkurier gerne vornehm zurück. Wäre ein unverdächtigerer Ex-Konstanzer mit dem internationalen Flair eines Wimmer im Anflug, würde die Stadt wohl zur Eintragung ins Goldene Buch bitten. Geschenkt, das macht der schwarze Öko-Uli nicht. Dennoch scheint uns hinsichtlich der SK-Überschrift eine kleine Korrektur angebracht zu sein. Nicht nur „Linke diskutieren über Venezuela“, als eingeladen betrachten dürfen sich auch Grüne, Rosarote und sogar Gelbe und Schwarze. Außen vor bleiben müssen braune Dumpfbacken. Ebenso gern gesehene Gäste sind, so die Auskunft der Veranstalter: Kleintierzüchter, ADAC-Mitglieder, Kirchgänger, Brillen- und Zahnspangenträger, Atheisten, Rentner, Schüler, Studenten, Anarchisten, Taubenzüchter, Quer- und Freidenker, Organspender, Buddhisten, Exorzisten, Internationalisten, Müßiggänger – also ziemlich alle, sogar JournalistInnen.

Eigentlich ein Muss-Termin für SK-Redakteurin Kirsten Schlüter. Sie berichtete kürzlich über das bisweilen angespannte Verhältnis zu den benachbarten Eidgenossen, empfahl den Konstanzern vernünftigerweise moderate Töne, verstieg sich dabei aber zu folgendem Satz: „Die rote Fahne weht immer noch am Rathaus“. Verehrteste: Mit der roten Fahne am Konstanzer Rathaus sind Sie einer Verwechslung aufgesessen, soweit ist es noch nicht. Wenn Sie damit die Schweizer Flagge gemeint haben: Rot ist die außen rum, das Entscheidende hingegen symbolisiert das weiße Kreuz in der Mitte. Wenn Sie dazu Genaueres wissen wollen, fragen aber Sie um Himmels willen nicht Ihren Kollegen Michael Lünstroth. Denn der hat am Wochenende die Stadt Kreuzlingen mehr als halbiert, und das können die Eidgenossen überhaupt nicht leiden. In seinem Bericht über die Initiative für einen autofreien Boulevard behauptete der Mann forsch, die „aktuelle Einwohnerzahl“ unserer Nachbarstadt läge bei 8392 Personen. Da hat er kurzerhand rund 11 000 EinwohnerInnen unterschlagen. Mag sein, dass ihn die deutschen Zensusergebnisse stark beeindruckt haben. Wenn nach der aktuellen Zählung rund 1,5 Millionen Deutsche fehlen, dachte Lünstroth wohl, dann kann das ja in der Schweiz nicht anders sein. Man sollte nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Vor allem dann nicht, wenn es die eigene ist.

Autor: H.Reile