Anti-ACTA-Demo ganz spontan

20120224-203834.jpgSo flott und spontan geht das heutzutage: Über facebook ruft einer zu einer Demonstration und wenige Stunden später haben sich bereits 100 „Followers“ gemeldet. So geschehen heute, Freitag, 16 Uhr. Die Demo ist flugs angemeldet, Megaphone beschafft, die Route abgestimmt. Losgehen soll es morgen, Samstag, um 14.30 am Konstanzer Münsterplatz, enden soll die Aktion mit einer Kundgebung um 16 Uhr auf der Marktstätte. Ach ja, es geht um die „Freiheit im Internet“.

Der Mann, der alles das in die Wege leitet, heißt Gernot Rie, ist 36 Jahre alt, wohnt in Kreuzlingen und arbeitet in Konstanz. Seine Followers, seine Freunde also, heißen Jan Jansen oder McCookie oder sogar Oliver Grüttner. Aber natürlich weiß niemand, ob sie alle auch wirklich so heißen, die heute durch Konstanz ziehen wollen. Und gerade diese Freiheit, solche Anonymität im Internet sehen die Demonstranten gefährdet.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen wollen in Deutschland und anderen europäischen Staaten Menschen gegen das umstrittene Handels- und Urheberrechtsabkommen ACTA demonstrieren. Hierzulande riefen unter anderem die Piratenpartei, die Grünen, die Linkspartei sowie die SPD-Nachwuchsorganisation Jusos und Organisationen wie der Chaos Computer Club zur Teilnahme auf. Laut Organisatoren sind Demos in 130 europäischen Städten geplant, darunter auch in zahlreichen deutschen Städten wie Konstanz. Bereits am 11. Februar hatten Gegner in vielen Staaten gegen ACTA protestiert, so auch in Konstanz (seemoz berichtete).

„ACTA wurde von der Bundesregierung vorerst auf Eis gelegt, vom Tisch ist es deshalb noch lange nicht“, sagt Matthias Schrade vom Bundesvorstand der Piratenpartei. ACTA steht für „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“, was so viel heißt wie „Übereinkunft zur Bekämpfung von Fälschungen im Handelsverkehr“. Das Abkommen soll Produkt- und Markenpiraterie verhindern und weltweit den Schutz geistigen Eigentums verbessern. Es soll für sämtliche Wirtschaftszweige greifen. Kritik entzündet sich aber fast ausschließlich an möglichen Auswirkungen auf das Internet, etwa in Bezug auf illegale Downloads.

Die Bundesregierung hatte die Ratifizierung des Abkommens vor dem Hintergrund der hitzigen Debatten vor kurzem ausgesetzt. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen für die EU-Mitglieder mit den übrigen beteiligten Ländern wie den USA und Japan geführt hatte, erklärte am vergangenen Mittwoch, ACTA dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung auf mögliche Grundrechtsverstöße vorzulegen.

Die ACTA-Gegner kritisieren zum einen, dass das Abkommen die Freiheit im Internet beschneiden könnte. Sie befürchten etwa, dass Internetprovider künftig mit der Musikindustrie kooperieren und bei vermuteten Rechtsverstößen im Extremfall den Anschluss sperren könnten. Neben dem Inhalt des Abkommens stört viele Kritiker zum anderen auch, dass es geheim mit Industrie-Vertretern verhandelt wurde, um einseitig deren Interessen zu wahren – was die EU aber zurückweist. Ratifiziert ist der Vertrag noch von keinem Parlament; Polen und Lettland haben sich bereits gegen eine Unterschrift ausgesprochen.

Das hofft für die Bundesrepublik auch Gernot Rie. „Das Abkommen wurde hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Niemand kennt alle Passagen des Vertrages, niemand weiß, welche Eingriffe ins Urheberrecht abgewehrt, welche zugelassen werden sollen. Ich befürchte hinter alledem einen Deal mit der Medienindustrie“.

Autor: hpk (mit Material von AFP. Soviel zum ungeklärten Urheberrechtsschutz)