Der Rebell Franz Michel Felder – eine Lesung im Gottlieber Bodmanhaus

Er hatte keinen einfachen Start ins Leben. Doch den halb blinden Bauernbuben aus dem Bregenzerwald trieb die Neugier an, und bald brachte Franz Michel Felder Käsebarone und Kirchenmänner gegen sich auf. Nun ehrt das Bodmanhaus in Gottlieben den vor 170 Jahren geborenen Schriftsteller und Sozialreformer mit einer Lesung.

Als Sonderling galt er früh: Obwohl er kaum etwas sehen konnte – das eine Auge war trüb, das andere von einem betrunkenen Arzt komplett ruiniert –, las er alles, was ihm in die Finger geriet. Mit dreizehn bereits bezog der 1839 in Schoppernau geborene Bauernjunge eine Zeitschrift im Abonnement (was damals höchstens den Dorfhonoratioren anstand). Später besorgte er sich, wann immer es die Hofarbeit zuließ, Bücher: europäische Klassiker, agrarwissenschaftliche Abhandlungen, Werke über Ökonomie, Sozialismus und die Genossenschaftsbewegung.

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Je mehr er über die Welt erfuhr, desto klarer erkannte er, dass vieles im Argen lag im Bregenzerwald. Die BäuerInnen waren hier zwar seit Jahrhunderten frei, lebten aber in prekären Verhältnissen – in Unwissenheit gehalten von einem allmächtigen Klerus, ausgenutzt von „Käsgrafen”, die den Milchpreis diktierten und unbezahlbare Kredite vergaben, von Ostschweizer Textilhändlern, die den Heimarbeiterinnen für ihre Stickereien Hungerlöhne zahlten, rücksichtlos ausgebeutet von der Holzindustrie.

Mit fünfundzwanzig legte er los, wie wenn er geahnt hätte, dass ihm nicht viel Zeit blieb. Felder wurde Gemeinderat von Schoppernau, gründete einen Handwerkerverein und eine Käsereigenossenschaft, rief einen Viehversicherungsverein ins Leben, eröffnete eine Volksbücherei mit Lese- und Debattierraum und hob die frühsozialistische Vorarlberg’sche Partei der Gleichberechtigung aus der Taufe, die sich – ein Novum im Habsburger Kaiserreich – für die Interessen der BäuerInnen und ArbeiterInnen einsetzte. Dass er sich dadurch viele Feinde zuzog, bestärkte ihn nur.

Daneben machte er sich als Schriftsteller einen Namen, verfasste sozialkritische Romane und Erzählungen und in seinem letzten, dem dreißigsten, Jahr das Buch „Aus meinem Leben“, das heute als Meisterwerk der autobiografischen Literatur gilt (2004 wiederentdeckt und -aufgelegt von Ekkehard Faude im Libelle Verlag).

Am 23. Januar ehrt das Gottlieber Bodmanhaus den rebellischen Chronisten nun mit einer feinen Veranstaltung. Jürgen Thaler, seit 1999 leitender Literaturarchivar des Franz-Michael-Felder-Archivs in Bregenz, erzählt aus dem Leben des „hochmütigen, gottlosen Voltaire” (wie einst der Dorfpfarrer von der Kanzel herab schäumte). Und der Thurgauer Schauspieler Markus Keller liest aus den Werken des erfreulich unbequemen Zeitgenossen, nach dessen Tod die Frauen der Gemeinde in einen Beichtstreik traten, weil … nein, das wird nicht verraten.

Brigitte Matern (Bild: Wilhelm Hecht (1843–1920). [CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0)])


Wann: Donnerstag, 23. Januar 2020, 20.00 Uhr. Wo: Bodmanhaus, Dorfplatz 1, Gottlieben. Eintritt: CHF 10.–. Ermäßigter Eintritt CHF 8.– für Mitglieder der „Freunde des Bodmanhauses“, CHF 5.–  für Menschen in Ausbildung.