Dienstleistungsabkommen TiSA: Profit ohne Grenzen?
TTIP kommt wieder, CETA könnte scheitern. Aber was ist mit dem Dienstleistungsabkommen TiSA, dem vielleicht gefährlichsten Handelsvertrag der EU? Über die geheimen, trickreichen Verhandlungen zwischen EU und USA berichtet unser Autor Pit Wuhrer, der sich seit Jahren mit der Thematik beschäftigt. Für nächste Woche hat sein Bündnis einen weiteren Experten nach Konstanz eingeladen.
Allmählich spricht es sich herum: TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, kehrt zurück. Das jedenfalls sagen Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström; beide haben in den vergangenen Wochen Washington besucht und unter anderen mit dem US-amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross konferiert. Eine Erkenntnis aus den Gesprächen: Anders als von den Medien vielfach kolportiert, habe sich US-Präsident Donald Trump stets gegen das transpazifische Handelsabkommen TPP und den nordamerikanischen Freihandelsvertrag Nafta ausgesprochen – nicht aber gegen das transatlantische TTIP.
Noch ist offen, wann die Verhandlungen über das Abkommen wieder aufgenommen werden. Nicht vor der Bundestagswahl im September, da sind sich alle einig. Und es wird nicht mehr von TTIP gesprochen; dieses Kürzel, das weiß man in Brüssel, ist aufgrund des europaweiten Widerstands verbraucht.
Europaweiter Widerstand
Beim nicht weniger umstrittenen CETA, dem EU-Handelsabkommen mit Kanada, würde eine Namensänderung nicht mehr funktionieren. Es liegt bereits den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung vor. Wenn alle den Vertrag gutheißen – der Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzstandards senkt sowie Konzernen Sonderklagerechte einräumt – tritt er in vollem Umfang in Kraft. Sollte aber nur ein Parlament, beispielsweise der Bundestag oder der Bundesrat, CETA nicht ratifizieren, landet das Abkommen auf dem Müllhaufen der Geschichte.
Momentan ist der Widerstand in mehreren Staaten groß. In Österreich zum Beispiel hatten Ende Januar rund 560 000 BürgerInnen innerhalb einer Woche ein Volksbegehren gegen CETA unterschrieben. Darüber beraten derzeit parlamentarische Gremien. In den Niederlanden steht eine Volksinitiative gegen CETA bevor. In Belgien haben etliche Regionen (darunter Wallonien) ihre Ablehnung von CETA bekräftigt. „So lange der Vertrag einen Investitionsschutz zugunsten der Multis enthält, werden wir nicht zustimmen“, sagt etwa Walloniens Ministerpräsident Paul Magnette.
Und dann ist da noch der deutsche Bundesrat, in dem (derzeit jedenfalls) die Grünen und Linken über entscheidenden Einfluss verfügen. Sie sitzen in so vielen Länderregierungen, dass der Bundesrat die Zustimmung zu CETA verweigern würde – falls beide Parteien ihre Ablehnung des Vertrags ernst meinen und politisch auch umsetzen.
Die Rückkehr von TTIP bedeutet, dass auch die Gespräche über das Dienstleistungsabkommen Trade in Services Agreement (TiSA) fortgesetzt werden. Dabei geht es um einen Vertrag, der möglicherweise noch gefährlicher ist als TTIP und CETA: Denn er sieht eine weitgehende Deregulierung und schrittweise Privatisierung unserer öffentlichen Lebensgrundlagen vor.
Ausverkauf des öffentlichen Dienstes?
Seit fünf Jahren verhandeln etwa fünfzig Staaten über TiSA, darunter die EU, die USA, Kanada und Japan, aber auch die Schweiz, Pakistan oder die Türkei. Diese Staaten betreiben etwa siebzig Prozent der globalen Dienstleistungen. Droht mit der angestrebten Liberalisierung dem öffentlichen Dienst der Ausverkauf? Könnten demnächst profitorientierte Firmen die Wasserversorgung übernehmen, den Busverkehr, die Friedhöfe, die Müllabfuhr und große Bereiche des Gesundheitswesens?
In diese Richtung wird es gehen, das zeigen von Wikileaks veröffentliche Verhandlungsdokumente. Wie bei TTIP und CETA finden auch die TiSA-Gespräche hinter verschlossenen Türen statt. Was nach außen dringt, klingt beunruhigend: So sollen etwa Länder und Gemeinden nie wieder in die eigene Hand nehmen dürfen, was sie – aus welchen Gründen auch immer – einmal privatisiert haben. Berlin und Paris hatten ihre Wasserversorgung auf den Markt geworfen, nach schlechten Erfahrungen mit Privatunternehmen jedoch einen Rückzieher gemacht. Das soll, falls TiSA in Kraft tritt, nie wieder möglich sein.
Auch die Schweiz sitzt am Verhandlungstisch
In der Schweiz, wo der Widerstand gegen TiSA vom Verband des Personals öffentliche Dienste (VPOD) getragen wird, hat sich einen ganze Reihe von Gemeinden zur TiSA-freien Zone erklärt – darunter Genf, Lausanne, Zürich, Bern und Zug. Was kommt auf die Gemeinden und Regionen zu, die die öffentliche Daseinsvorsorge erbringen? Wer bestimmt künftig über Kindergärten, die Feuerwehr, das Schulessen? Wird der Datenschutz als Hemmnis für den freien Handel mit Dienstleistungen aufgeweicht? Ist künftig öffentlich geförderte Kultur überhaupt noch möglich? Und dürfen Staaten Finanzmärkte gar nicht mehr regeln?
Über die neuesten Entwicklungen und den Widerstand informieren am kommenden Dienstag die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und das Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel – gegen TTIP, CETA und TiSA. Referent ist Cuno Hägele; der ver.di-Geschäftsführer von Stuttgart beschäftigt sich seit langem mit dem drohenden Ausverkauf.
Ort: Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1, Konstanz. 27. Juni, Beginn: 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Pit Wuhrer
Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel – gegen TTIP, CETA und TiSA:
www.konstanz-gegen-ttip.de