Herr, wirf‘ Hirn vom Himmel
Wieso haben manche Leute Marienerscheinungen? Was geschieht im Gehirn beim Beten? Wieso haben Kinder imaginäre Freunde? Wieso meinen Leute, dass ein Gott ihrem Leben Sinn gibt? Die Schweizer Neurologin Maja Strasser erklärt am 30.11. in einem Vortrag, wie es zu solchen Phänomenen kommt: Aufgrund der Evolution des Gehirns neigen wir zu Denkfehlern, zu Fehlinterpretationen der Wahrnehmung von realen und eingebildeten Ereignissen.
Maja Strasser erläutert anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie evolutionär entstandene Gehirnfunktionen zum Glauben an einen Gott geführt haben und zum Glauben an Übersinnliches verführen. In den letzten Jahren haben die Neurowissenschaften faszinierende Erkenntnisse über die Grundlagen der Spiritualität und Religiosität hervorgebracht. Mittlerweile gibt es keinen Aspekt des Glaubens, der durch die Neurowissenschaften nicht erklärt werden kann. Einzelne Wissenschaftler stecken gar ein neues Forschungsgebiet ab, die Neurotheologie.
MM
Wann: Freitag, 30.11.2018, Einlass 18:45 Uhr
Wo: Uni Konstanz, Raum A702
Veranstalter: GBS Bodensee e. V. und GBS-Hochschulgruppe Konstanz
@Dennis Riehle:
An manchen Kommentaren erkennt man schnell, bevor man die Argumentation überhaupt gelesen hat, dass eine Verletzlichkeit aus religiösen Gefühlen heraus erfolgt ist. Das zeigt, dass durch langjährige nicht selbst gewählte, religiöse Erziehung ab der Taufe, über den Religionsunterricht bis hin zum Konfirmations-Unterricht eine Konditionierung des Gehirns erfolgt ist. Die Bereitschaft zur Hinterfragung gewisser Glaubensbekenntnisse ist dann nicht vorhanden. Gott wird hier kein „Hirn herab schmeißen“, sonst ist der Glaube an ihn dahin.
Die beleidigenden Äußerungen von hohen Kirchenvertretern von der Kanzel herab und in Hirtenbriefen gegenüber Ungläubigen sind auch nicht zu tolerieren. Es wird also nicht nur von atheistischer Seite blasphemisch gesprochen. Die Bandbreite der Konfessionsfreien erschöpft sich nicht in den radikalen Atheisten. Manche darunter haben vielleicht Unrecht von kirchlicher Obrigkeit erfahren.
Auch wenn Millionen von Menschen religiös befrachtet sind, beweist dieser Umstand nicht deren Richtigkeit. Millionen von Menschen sind auch Analphabeten. Sollte man die Bildung dieser Menschen deshalb unterlassen?
Es kann doch von Nutzen für Gläubige sein, wenn man ihnen hilft, ihren Glauben zu relativieren, ohne ihn ganz wegzunehmen oder zu verteufeln. Die über Jahrhunderte durch die Kirchen mit Gewalt verhinderte Aufklärung hat der Menschheit nicht geschadet. Die Enzyklopädie von Descartes oder das Wikipedia hat den Menschen großen Gewinn gebracht. Auch dieses wollte die Kirche verhindern.
@Anselm Venedey
Die ›höheren Wesen‹ auf den Schultern gibt es schon längst nicht mehr. Deren Deutungshoheit wurde bereits vor über 200 Jahren durch eine ›aufgeklärte‹ Wissenschaft lückenlos be- und ersetzt (zumindest im Westen).
Die höheren Wesen lasten heute nicht mehr auf den Schultern, sondern sitzen im Kopf. Als vorfabriziertes ›Wissen‹ einmal gelernt und ungeprüft übernommen liefern sie mit ihren Glaubenssätzen fortan Orientierung und Halt.
Unter innerer Freiheit und ›selbstbestimmtem Leben‹ verstehe – zumindest ich – etwas gänzlich Anderes.
@ Lutz E. Krause Vielleicht der größte Denkfehler: Naturwissenschaftler erschaffen keine Natur und definieren keine Naturgesetze .
Sie versuchen nur die Welt -soweit sie im großen und kleinen zugänglich ist – zu beschreiben, wohl wissend dass jede Beschreibung durch eine Bessere ersetzt werden kann.
Von diesen Beschreibungen wird verlangt dass sie Vorhersagen ermöglichen um eine gewisse Gültigkeit zu erlangen.
Man kann sich eine Physik der Raumfahrt aus den Beschreibungen ausdenken – keine Frage – aber wenn diese Regeln es z. B. ermöglichen einen kleinen Landungskörper auf einem sehr weit entfernten winzigen Kometen landen zu lassen, das ist das mehr als nur subjektive Einbildung. Die Funksignale und Bilder sind real.
vielleicht wäre Husserl ja vom Glauben abgefallen wenn er das noch erlebt hätte.
Subjektiv sind nicht die Erkenntnisse sondern deren Akzeptanz, vor allem dort wo sie Ideologien wanken lassen z. B. Grüne vs Gentechnik
Herr Wagner sie haben recht . Und unrecht zugleich. Ihr Kommentar liest sich als klare Schuldzuweisung, an die Religionen, aber das wird der Sache ganz nicht gerecht. Es ist etwa so als ob man den Gebrauch von Autos nur über die Verkehrsopfer definiert.
Der Glaube an höhere Mächte, an etwas was über den Tod hinaus geht, ist dem Menschen wohl in die (vielleicht genetische) Wiege gelegt, es ist ein frühester Teil der Kultur. Grabbeigaben sind die Zeugnisse dafür. Dazu kommt dass Gemeinsames eint und verbindet. Was halten wir für die Grundpfeiler einer Nation ? Glaube und Brauchtum,
bei uns also Weihnachten ,Oktoberfest und Kehrwoche.
Einigkeit verleiht aber auch Macht, über andere, sowohl Fremde wie Abweichler in den eigenen Reihen. Untrennbar von Macht ist auch deren Missbrauch Das funktioniert(e) in allen Systemen, egal ob atheistisch- materialistisch oder Theistisch. Opfer waren immer die Machtlosen. Hier nur die Religionen zu beschuldigen ist zu kurz gesprungen. Es ist ein Teil von uns.
>In einigen Jahren wird man Spiritualität und Neigung zu esoterischem Verhalten medizinisch erkennen können. Vielleicht wird dann eine psychologische Vorsorge-Untersuchung möglich, um eine Entwicklung zu radikalem Denken und Handeln rechtzeitig zu verhindern.<
Radikales Denken und Handeln ensteht meiner Ansicht nach immer dann, wenn entweder von außen Einfluss auf Menschen ausgeübt wurde, die für eigene Zwecke instrumentalisiert worden waren. Diese Art von Einflussnahme wird von allen religiösen Gruppierungen praktiziert. Der Einsatz von Hypnotika, wie Weihrauch, und mantraartigen Gebeten, verändern mit Sicherheit die Hirnströme. Das Denken wird dadurch bewusst manipuliert.
Oder radikales Denken und Handeln entsteht durch Ausgrenzung. Auch darin sind sich die religiösen Gruppierungen zwar recht einig, es kann aber auch sein, dass sich Menschen von anderen ausgegrenzt fühlen, ohne religiösen Hintergrund. Beispiel Breivick.
Diese wissenschaftlichen "Vorsorge"-Untersuchungen setzen an den Auswirkungen an, anstatt an den Ursachen. Wie dann mit diesen "Andersartigen" verfahren werden soll, gibt Anlass zur Sorge. Der Versuch, diese als krank zu deklarieren, hat doch nur den Hintergrund, diejenigen Menschen aufgrund von Früherkennung "aus dem Verkehr ziehen" zu können.
Der Artikel liest sich zudem so, als ob alle Arten von Erscheinungen, plötzlicher Eingebungen und Erleuchtungen negativ und somit bedrohlich für die Menschheit sind. Warum?
@ Lutz E. Krause
Worunter soll ich als Atheist leiden? Wenn ich meinen Eltern für etwas besonders dankbar bin, dann dafür, dass sie allen religiösen Quatsch von uns ferngehalten haben. Ein religiöser Mensch kann sich nicht im Geringsten vorstellen, wie wunderbar es ist, ein durch und durch selbstbestimmtes Leben, ohne höheres Wesen auf den Schultern , führen zu können.
@ Gerhard Wagner
Ich stimme Ihren Ausführungen betreff Kirche und Religion absolut zu.
Joachim Ernst Berendt, der große Jazz-Philosoph, betont in seinem Werk ›Nada Brahma – die Welt ist Klang‹, in welchem Maße die Buchreligionen den Menschen abgeschnitten hat von der Quelle individueller Erfahrungen einer kosmischen Ganzheit und stattdessen ›auserwählte‹ Kirchenfunktionäre installierte als ›Mittler‹.
So wurde dem Westen der Glauben anstelle der eigenen Erfahrung aufgezwungen. So wurde der Mensch beraubt, entmündigt und atomisiert, so wurde der Glaubenssatz in die Welt gesetzt, jeder wäre letztlich nur ein bedeutungsloser vergänglicher Molekül-Haufen, ewig getrennt vom Ursprung und allenfalls durch die Gnade eines sehr fernen jüngsten Gerichtes eventuell auserwählt, wieder ein Ganzes zu werden.
Daran leidet bis heute unsere westliche Kultur. Das war und ist der Grund, warum so viele Menschen eine ›re-ligio‹ jenseits der Buchreligionen finden. Und daran leiden im Besonderen diejenigen, die sich selbst als Atheisten bezeichnen und alles abwehren, was mit Kirche, Religion und Spiritualität zu tun hat. Diese drei Bereiche jedoch zu trennen, verhilft – nach meiner Erfahrung – möglicherweise zu einer befriedeten Vergangenheitsbewältigung.
Wir sollen Toleranz gegenüber den untolerantesten Vereinigungen üben, die es überhaupt gibt?
Es ist ziemlich schwierig, gegenüber eine Gruppe Toleranz zu zeigen, die Jahrhunderte lang Millionen Menschen unterdrückt oder gleich auf möglichst grausame Weise getötet hat – nur weil diese es wagten zu denken anstatt jeden Sch*** zu glauben.
Noch schrieriger wird es wenn man sieht, wie diese Gruppen weltweit auf dem Vormarsch sind und überall wo sie Macht erlangen diese auch sofort ausnutzen.
Dabei ist die für normal denkende vollkommen unverständliche Kruzifixaktion von Söder nur eine skurile Spitze des Eisberges. In vielen afrikanischen Ländern müssen Homosexuelle heute mit langjährigen Haftstrafen oder sogar der Todesstrafe rechnen und es kommt seit ein paar Jahren sogar wieder zu Hexenverbrennungen. Das ganze wird von evangelikalen amerikanischen Predigern aufgestachelt und angeheizt. In Indien vertreiben oder töten hinduistische Mobs andersgläubige, nur weil diese es wagten, Fleisch zu essen, während der Staat eine Statue für 400 Millionen baut, und das in einem Land, in dem ein Großteil der Bevölkerung noch nicht einmal eine Toilette hat. Im Himalaya muss eine ohnehin schon arme Bevölkerung noch ein riesen Heer von buddhistischen Mönchen durchfüttern. Auf dem beliebten Urlaubsziel Malediven müssen Menschen damit rechnen wegen Abfall vom „wahren“ Glauben zum Tode verurteilt zu werden, während allen nicht-Muslimen vor ein paar Jahren einfach mal so die Staatsbürgerschaft entzogen wurde. In Russland hat sich ein faschistischer Despot die Unterstützung der Kirche gesichert in dem er Gesetze erlässt, die das anders denken und das anders sein massiv unterdrückt. In den USA ist ein Präsident am Ruder, der gerade versucht an möglichst viele Schlüsselposten evangelikale Betonköpfe zu setzen und frei nach dem Motto „macht euch die Erde Untertan“ die ganze Erde energie- und umweltpolitisch in die 50 Jahre zurück zu werfen und dabei nebenbei alles, wahl nicht streng evangelikal ist als unamerikanisch zu verunglimpfen. Im nahen Osten nimmt sich ein Volk heraus, DAS erwählte Volk zu sein und nimmt sich damit das Recht, seinen Nachbarn alles weg zu nehmen was es haben will. In Nodrafrika ziehen plündernde und frauenraubende Islamisten durch die Lande, die ihrem Propheten nacheifern und alle, die nicht freiwillig konvertieren, dazu zwingen wollen.
Zugegebenermaßen scheinen da die deutschen Probleme mit der nicht vorhandenen Trennung von Kirche und Staat, den Milliarden an allgemeinen Steuergeldern, die sich die Kirchen zusätzlich zur Kirchensteuer unter den Nagel reißen und die Versklavung von medizinischen und sozialen Arbeitnehmern unter dem kirchlichen Arbeitsrecht nicht so groß. Aber stellen Sie sich mal vor, was passieren könnte, wenn jemand wie Markus Söder plötzlich Bundeskanzler wäre. Müssten wir dann damit rechnen, dass überall Kreuze aufgehängt und aufgestellt werden würden, dass die Kirche wieder in den Schulen den Lehrplan vorgeben würde, dass die Ehe für alle wieder gestrichen werden würde, dass wieder Menschen für Blasphemie ins Gefängnis gehen könnten und so weiter und so fort?
Für den Fall, dass Ihr Gläubigen es noch immer nicht kapiert habt, wir Atheisten, Agnostiker und „sonstigen“ haben eine sch*** Angst vor euch!
Wenn Ihr noch mehr Toleranz wollt, dann zeigt erst mal sebst wenigstens ein bisschen Toleranz!
Sehr gut, dass das einmal jemand schreibt! Möchte hier auch auf die Religionspsychologin Victoria Rationi hinweisen, die internationale Statistiken zur Religiosität und etwa Korruption, Friedlichkeit etc. vergleicht.
Es ist unstrittig, dass die Wissenschaft für die Schaffung der äußeren, praktischen Lebenbereiche mit ihren Erkennnissen wichtiges beizusteuern vermag. Doch auch zu grundsätzlichen Fragen des Lebens jedoch werden immer wieder medienwirksame Aussagen gemacht (›Hirn=Bewußtsein‹, ›Gene=Charakter›Spiritualität=Einbildung‹), welche vermitteln, die Wissenschaft könne auch hier Antworten geben. Diesen Anspruch an Universalität und Objektivität heutiger Wissenschaft gilt es zu hinterfragen, zudem Naturwissenschaft sich fast ausschließlich zu einer Laborwissenschaft und damit in deutlicher Distanz zu einer Lebenswirklichkeit entwickelt hat.
Der phänomenologische Ansatz von Edmund Husserl hat einen Irrtum heutiger Wissenschaft aufgezeigt, nachdem die Welt der Erscheinungen durch wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten objektive Realität haben könnte. Formulierte Gesetzmäßigkeiten sind nach Husserl vielmehr eine Aussage über den menschlichen Geist als über die Natur selbst. Jegliches definierte Naturgesetz ist ein Produkt des menschlichen Geistes, da ausschließlich von diesem formuliert.
›Mit Galilei beginnt die Unterscheidung der idealisierten Natur von der anschaulichen Natur und Verwechslung von wahrem Sein mit Methode‹ (Husserl 1986). Die Quantenphysik zeigt, dass die Trennung von Subjekt / Objekt (und damit die Vorstellung einer objektiven und wertfreien Wissenschaft) nicht existiert: Wie sich die Welt erklärt, hängt einzig von der Art der Fragestellung ab. Wenke (2011) geht soweit zu behaupten, das Universum der Wissenschaft sei ein ›reines soziales Phantasieprodukt‹. Wissenschaft existiert daher immer mit dem Bewusstsein des Fragenden als Teil eines Ergebnisses, der Bedeutungszuweisung der Gesellschaft und – dem ökonomischen Gewicht eines Auftraggebers. Real sind nicht Hirnstoffwechsel-Modelle, sie sind ausschließlich Ideen eines vom Menschen geschaffenen Systems, dessen Bedeutung außerhalb der menschlichen Beobachtung nicht belegbar ist und daher auch als nicht als allgemeingütig definiert werden kann. Nicht die Natur bestimmt Kultur, wir selbst erschaffen diese aktiv selber. (Wenke 2011).
Realität sind ausschließlich die reinen Phänomene, das reine ES IST (Merleau-Ponty). Die Frage eines ›Warum‹ ist bereits die Vorentscheidung einer subjektiven Auswahl aus einer unendlichen Zahl von Möglichkeiten. Wissenschaft ist daher auch keinesfalls weltanschaulich neutral. Eine Differenzierung ›objektive‹ Wissenschaft vs. ›subjektive‹ Kunst/Religion bzw. die Dualität ›Wissen‹ vs. ›Glauben‹ ist unter diesem Gesichtspunkt kaum haltbar. Hinzu kommt, dass die Ereignisse der Wissenschaft von einer überwiegende Mehrzahl nicht primär, sondern nur medial erfahren wird – und diesen daher ›Glauben‹ schenken muss.
Im Gegensatz hierzu hat die Tradition der indischen und chinesischen Kultur wie auch der christlichen Mystik mit der Betrachtung und der Hineinversenkung in die reinen Phänomene ein erprobtes, jahrtausendaltes Erfahrungswissen durch konkrete Methoden gebildet. Hierbei geht es immer auch um die Entwicklung einer Willensfreiheit im Denken, Fühlen und Handeln, um die Egoität einer temporären Persönlichkeit zu relativieren und so eine Annäherung an ›Wirklichkeit‹ zu erlangen. Wenn heute dies außerhalb der Wissenschaft zunehmend entdeckt und erprobt wird (beispielhaft im Yoga), so ergibt sich die Möglichkeit einer primären, selbsterfahrenen Anschauung der Welt jenseits vorgegebener Antworten vermeintlich objektiver Studien und Ergebnissen. Als weiteres Beispiel sei hier der Gesundheitsbereich genannt mit einer vermehrten Hinwendung auf das Erfahrungswissen der Komplementärmedizin, welche immer die konkrete Eigenbeobachtung des Körpers mit einbezieht statt die Studien Dritter als Masstab für die eigene Gesundheit oder Krankheit zu nehmen.
Die Physik als Grundlage aller Naturwissenschaft ist sich bewußt, dass sie nur einen sehr kleinen Teil einer Gesamtwirklicht kennen (aktuelles Interview mit Carlo Rovelli unter https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/47/carlo-rovelli-physiker-zeit-wissenschaft-entschleunigung-alltag). Die großen Physiker des 20. Jhd. konnten sich aus diesem Bewußtsein und der Erkenntnisse des Nicht-Wissens daher mit einem Platz neben der Philosophie, der Kunst und der Religion bescheiden. Diese Zurückhaltung würde man sich von einigen WissenschaftlerInnen durchaus wünschen.
Glauben = Krankheit? Diese einfache Gleichung wird dem Umstand, dass Milliarden Menschen in der Welt der Überzeugung an eine höhere Macht nachsinnen, sicherlich nicht gerecht.
Ich kann verstehen, dass Atheisten im Ringen um die Wahrheit auch manche generalisierte Verächtlichmachung von Gläubigen in Betracht ziehen – umgekehrt ist es nicht anders. Doch gerade, wenn wir gemeinsam verhindern wollen, dass Glaube zur Radikalisierung führt, scheint es mir zwingend vonnöten, zu differenzieren.
Gerade die wissenschaftsliebende Zunft der Evolutionären Humanisten sollte sich der Wirkung von Pauschalisierungen bewusst sein. Damit werden nicht nur Menschen in ihren ganz persönlichen Grundrechten diskreditiert. Viel eher befördert das aggressive Trennen zwischen „gut“ und „böse“, zwischen „krank“ und „gesund“ den Fundamentalismus selbst – auf beiden Seiten.
Ich würde mir wünschen, dass Atheisten, Zweifelnde und „Liberalreligiöse“ stärker in den Dialog eintreten und einander mit Respekt begegnen. Denn die Suche nach dem Sinn des Lebens, sie eint uns. Dass auf diese komplexe Frage keine einfachen Antworten gegeben werden können, diese Einsicht wünsche ich auch denen, die mithilfe der „Neurotheologie“ lediglich ein abbildendes Erklärungsmuster tiefgreifender Zusammenhänge liefern können.
Laden wir all jene, die Toleranz üben, zum Miteinander über die Grenzen des (Nicht-)Glaubens hinweg ein, sich mit ganz eigenen Erfahrungen in den Diskurs um Religion und ihre Ausformungen einzubringen. Das wechselseitige Zugehen aufeinander, es ist dem Frieden dienlicher als die knallharte Spaltung und Wertung anhand forschender Erkenntnisse.