Keine leichte Kost im Zebra-Kino

austerlitzTaugen KZ-Gedenkstätten zur Touristen-Attraktion? Das fragt sich der Regisseur Sergei Loznitsa mit seinem Dokumentarfilm „Austerlitz“, den das Konstanzer Zebra-Kino diese Woche zeigt. Doch auch der zweite Streifen über einen angekündigten Tod, immerhin Preisträger der Filmfestspiele von Cannes, dürfte eher zu den schwer verdaulichen Filmen des Gegenwartskinos gehören.


Austerlitz

DEU 2016, 94 min, Regie: Sergei Loznitsa, FSK 0, Deutsche Originalversion

Sergei Loznitsa beobachtet Besucher von KZ-Gedenkstätten: „Eines der größten Mysterien solcher Orte ist die Motivation der Menschen, ihre Sommer-Wochenenden in ehemaligen Konzentrationslagern zu verbringen und Öfen und Krematorien anzuschauen. Um es zu verstehen, habe ich diesen Film gemacht.“

„Ob diese Form der Erinnerung, des Gedenkens, einen Sinn hat oder den Holocaust nur zu einem weiteren Punkt auf dem Besuchsprogramm macht, den es abzuhaken gilt, könnte man sich fragen. Oder ob es nicht etwas für sich hat, dass so viele Menschen – und an den heißen Sommertagen, an denen „Austerlitz“ entstand, war Sachsenhausen offensichtlich geradezu überlaufen – sich mit dem Holocaust beschäftigen, in welcher Form auch immer. Aber auch, wie die Erinnerung an den Holocaust vermittelt werden kann, an ein Verbrechen, dessen Ausmaße und Perfidität so extrem sind, dass es eben oft, ja, unvorstellbar ist. Klare Antworten auf diese Fragen zu geben, maßt sich Loznitsa nicht an, er beobachtet, stellt zusammen und lässt den Zuschauer selbst Schlüsse ziehen, was Austerlitz am Ende zu so einem so reichen Filmerlebnis macht.“ (Michael Meyns)

Aus der Ankündigung des Zebra-Kinos: „Wir freuen uns, am 12. Januar um 19:30 Uhr Prof. Erhard Roy Wiehn (Uni Konstanz) für eine Einführung zum Thema ‚Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur‘ begrüßen zu dürfen.“

Spieltermine: Do., 12.1., 19:30 Uhr | Fr., 13.1., 21:45 | Sa., 14.1., 19:30 | Mo., 16.1., 19:30.


Einfach das Ende der Welt

FRA/CAN 2016, 97 min, Regie: Xavier Dolan, FSK 12, Französisches Original mit Untertiteln

Der 34-jährige Louis kehrt zu seiner Familie zurück, zu der er vor etlichen Jahren den Kontakt ohne Vorwarnung abbrach. Er hat es zu viel gebracht und ist viel herumgekommen, aber das ist es nicht, was ihn heimführt. Die überraschende Rückkehr versetzt die Verwandtschaft in helle Aufregung – ein Gemisch aus Neugier und Erwartungen – der Nährboden, der die familiäre Zusammenführung in seine hochemotional-quälende Atmosphäre lenkt. Der feierliche Abend um den heimgekehrten Sohn mit Mutter und Geschwistern artet in einen Austausch von Eitelkeiten und Belanglosigkeiten aus; Vorwürfe und Kränkungen brechen los. Die tiefe Zerrissenheit der Familie ist offensichtlich. Mit fortschreitender Stunde wird es immer aussichtsloser, dass Louis seine Familie von seinem unausweichlichen Tod in Kenntnis setzen kann oder will. Die sehr bewegende und sehenswerte Inszenierung einer gescheiterten Abschiedsnahme.

Spannungsreiche Familiendramen sind die Spezialität des jungen, viel gefeierten Regisseurs Xavier Dolan („Ich habe meine Mutter getötet“, „Mommy“), der die filmische Adaption des Theaterstücks von Jean-Luc Lagarce nicht nur überzeugend ins Bild setzte, sondern auch mit exquisiten Schauspielern besetzte. Das ist nicht nur preisverdächtig, sondern preisgekrönt: „Einfach das Ende der Welt“erhielt den Großen Preis der Jury auf den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes.

Spieltermine: Fr., 13.1., 19:30 Uhr | Sa., 14.1., 21:45 | So., 15.1., 19:30 | Mo., 16.1., 21:45.


MM/hpk