Roma im Europa der Menschenrechte: Ausgegrenzt. Abgeschoben

Herbert Heuss berichtet in Konstanz über die Situation der Roma in Europa: Und da gibt es vieles zu berichten und noch mehr zu kritisieren. Nicht nur aus dem Frankreich der massenhaften Abschiebung, nicht nur aus Ungarn, wo derzeit die Pogromstimmung einen neuen Höhepunkt erreicht – auch aus Deutschland, auch aus Baden-Württemberg:

Roma leben am Rande der Gesellschaft. Sie leiden unter massiven Diskriminierungen. Es mehren sich Antiziganismus, Übergriffe von Neofaschisten und rassistische Gewaltverbrechen. Oft werden die Rechte auf Wohnen, Arbeit, medizinischer Versorgung und Bildung verwehrt und die Staatsbürgerschaft verweigert. Roma sind Opfer von Zwangsumsiedlungen und ihre Kinder werden in „Spezialschulen“ oder gesonderten „Romaklassen“ nur unzureichend unterrichtet. Aus vielen Ländern Westeuropas werden Roma vertrieben.

Auch aus Deutschland sollen nun 10.000 Roma, die in den letzten 20 Jahren hier eine neue Heimat gefunden haben, in den Kosovo abgeschoben werden. Besonders Kinder und Jugendliche, in Deutschland geboren und aufgewachsen, sind dort von Elend und Perspektivlosigkeit betroffen.

Herbert Heuss, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentralrat deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, referiert am Donnerstag, 6. September, um 19.30 Uhr in der vhs/Astoria-Saal über dieses Thema. 6,00 € Eintritt

Autor: PM/hpk

Dazu passend eine Pressemitteilung vom 27.8. 2012 aus Freiburg:

Regierungspräsidium drängt Flüchtlinge zur „freiwilligen Ausreise“

Das Regierungspräsidium Karlsruhe verstärkt bei der Erteilung einer Duldung erneut den Druck auf Menschen, um sie zu einer „freiwilligen Ausreise“ zu bewegen. In einem „Hinweisblatt“ wurde erklärt, sie seien „zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet“. Wer nicht freiwillig ausreise, dem drohe die polizeiliche Abschiebung. Die Betroffenen sollen ankreuzen, ob sie bereit sind, „freiwillig“ oder „nicht freiwillig“ auszureisen. Letzteres sollen sie begründen.

Das Schreiben soll direkt auf der Ausländerbehörde unterschrieben werden – ohne Übersetzer und Rechtsbeistand – andernfalls werde keine Bescheinigung der Duldung erteilt. Damit wird auch das lebensnotwendige „Taschengeld“ entzogen. Das Schreiben enthält weiterhin keinerlei Angaben darüber, welche rechtlichen Konsequenzen die „Unterschrift des Ausländers“ für laufende Bemühungen zur Verlängerung des Aufenthalts in Deutschland hat. Den Betroffenen wird nicht dargelegt, welche Gründe eine „freiwillige Ausreise“ verhindern könnten.

Die „freiwillige Ausreise“ ist nichts anderes als eine stille Abschiebung. Unter Duldung lebende Menschen werden mit dem „Hinweisblatt“ vom Regierungspräsidium Karlsruhe zu einer Unterschrift genötigt, deren Konsequenzen weder für Betroffene noch für nun involvierte Anwälte absehbar sind. Nach Ansicht mehrerer Anwälte ist das gesamte Hinweisblatt rechtswidrig, da mit dem Hinweisblatt schon bei der Erteilung einer Duldung Druck aufgebaut und mit polizeilicher Abschiebung und Abschiebehaft gedroht wird.

Die grün-rote Landesregierung forciert damit erneut ihr erklärtes Ziel, die „freiwillige Ausreise“ als politisch korrekte und „humane“ Form der Abschiebung zu propagieren. Für die Betroffenen dagegen ist die „freiwillige Ausreise“ nichts als die Flucht vor der Abschiebung: Wer nicht freiwillig geht, wird ein paar Tage später von der Polizei nachts aus den Betten gerissen, ins Gefängnis zur Abschiebehaft transferiert und ausgeflogen. Im Falle einer Abschiebung wird den Betroffenen ein fünfjähriges Einreiseverbot für die gesamte EU erklärt, bei einer Wiedereinreise werden außerdem die Kosten für die erfolgte Abschiebung, meist mehrere Tausend Euro, in Rechnung gestellt.

In Freiburg sind derzeit über 300 Menschen von der Abschiebung bedroht, hauptsächlich Menschen, die der Minderheit Roma zugeordnet werden. Viele leben seit über 10 Jahren in Deutschland. Sie sollen nach dem Willen der Landesregierung in den nächsten Monaten in ihre Herkunftsländer, hauptsächlich den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, abgeschoben werden. Dort ist ein menschenwürdiges Leben für die Minderheit der Roma nahezu unmöglich, vielen Kindern wird beispielsweise der Schulbesuch verwehrt. Die Diskriminierung der Menschen, denen in Deutschland jeder Schutz verwehrt wird, wird in ihren Herkunftsstaaten auch staatlich forciert. So erließ Mazedonien vor kurzem ein Gesetz, das Menschen zu Straftätern erklärt, welche nach einem abgelehnten Asylantrag aus einem EU-Land abgeschoben wurden. Den Betroffenen kann danach der Reisepass entzogen werden. Serbien und andere Staaten erwägen ähnliche Maßnahmen.

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung (freiburger.forum@aktionbleiberecht.de)