Über den Schlichterspruch von Heiner, dem Scheinheiligen

Mappus triumphiert. Merkel applaudiert. Grube betoniert. Das ist das scheinbare Ergebnis der Geißler-Schlichtung zu Stuttgart 21. Doch der Streit ist nicht geschlichtet – es wird weiter diskutiert und demonstriert bis zum Wahltag. Und darüber hinaus. Welche Argumente zählen, welche Gründe sprachen für Bahn-Investitionen andernorts im Land? Winfried Wolf, bundesweit bekannter Bahn-Kritiker, spricht darüber am 12. Januar in Konstanz.

Seit 17 Jahren wogt der Kampf um Stuttgart 21 (?S21?): Der Untergrundbahnhof in der Landeshauptstadt soll den seit 1925 bestehenden und gut funktionierenden Kopfbahnhof ablösen. Mit ihm soll das jetzige Bahnhofsgebäudes (Bonatz-Bau) teilweise zerstört werden. Seit mehr als einem Jahr demonstrieren in Stuttgart Woche für Woche viele Tausend Menschen gegen S21. Einzelne Demos zählten mehr als 100.000 Menschen. Bis zu zwei Drittel der Stuttgarter Bevölkerung sind gegen S21, mehr als 60 Prozent der Bundesbevölkerung ebenso.

Es sind vor allem die Sachargumente, die gegen S21 sprechen. Dies wurde in der Schlichtung auch für ein Millionen-Publikum deutlich. Dennoch fällte das CDU-Mitglied Heiner Geißler am 30. November 2010 einen Schlichterspruch pro S21. Im Sinne des Bahnkonzerns. Im Interesse der Betonlobby. Zugunsten der CDU-FDP-Landesregierung.

Doch die Bevölkerung in Stuttgart durchschaut Heiner, den Scheinheiligen. Sie geht weiter auf die Straße: Gegen Stuttgart 21. Für einen Entscheid der Bevölkerung. Für eine Verkehrspolitik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

Winfried Wolf kritisiert S21 als ein Projekt der Bahnprivatisierung und der Immobilienspekulation. Er konkretisiert dies mit den ?Sieben Lügen von S21?. Er kritisiert den Schlichterspruch als anmaßend, undemokratisch und unmoralisch. Wolf entwickelt mit ?Schiene BW21? eine Alternative: Es handelt sich um ein Programm mit 20 sinnvollen Schienenprojekten in ganz Baden-Württemberg: Darunter eine alternative Planung für den Stuttgarter Hauptbahnhof. Für eine Optimierung der Verbindung Stuttgart – Ulm. Für Stadt- und S-Bahnprojekte in Mannheim, Heilbronn, Porzheim, Karlsruhe, Tübingen/Reutlingen, Ulm und Freiburg. Für eine Bodensee-S-Bahn.

Dieses Programm kostet nicht mehr als S21 und die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm. Es dient nicht dem Profit, sondern entspricht den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. Es zerstört nicht eine Stadtstruktur und den Schienenverkehr. Es schont die Umwelt und das Klima.

Winfried Wolf war von 1994 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags und Mitglied des Verkehrsausschusses. Er ist Verkehrsexperte. Er ist Autor von ?Verkehr. Umwelt. Klima – Die Globalisierung des Tempowahns? (Wien; 2009) und – zusammen mit Sabine Leidig, Gangolf Stocker und Volker Lösch Mitherausgeber des Buchs ?Stuttgart 21 – Wem gehört die Stadt? (Köln 2011). Er spricht auf Einladung der Partei Die Linke am 12. Januar, 19.30 Uhr, im Hotel Barbarossa, Obermarkt, Konstanz

Autor: PM