Über Muttersöhne und Revolutionäre

20131127-233555.jpgZwei sehenswerte Filme schon in diesen Tagen im Konstanzer Zebra-Kino; beide aus uns fremden Gesellschaften, in denen sich gewaltige Umbrüche anbahnen: Rumänien, in dem Reich und Arm auseinanderdriften wie sonst nirgendwo in Europa, und Ägypten, das für sich die Demokratie entdeckt. Überdies vielfach prämierte Streifen, die – teils begleitet von Einführungsreferaten – einen abendlichen Besuch in der Chérisy lohnen. Also: Gehn wir mal wieder ins Zebra

Mutter und Sohn

“Bitte, lass mich raus“, ist Barbus letzter Satz in „Mutter und Sohn“. Der 34-Jährige richtet ihn an seine Mutter und am Ende des Films weiß man: Er meint damit nicht nur, dass sie die Türen ihres BMW entriegeln möge, sondern dass sie ihn endlich gehen lassen soll.

Die eigentliche Hauptfigur in Calin Peter Netzers neuem Film, dem Gewinner des Goldenen Bären auf der Berlinale 2013, ist jedoch nicht Barbu, sondern seine ihn krankhaft liebende Mutter Cornelia, die sich nach eigener Aussage die Hand für ihren Sohn abhacken würde (s. Foto). Sie kennt keine andere Erfüllung in ihrem wohlsituierten Leben, als das Glück ihres einzigen Sohnes. Barbu ist allerdings gerade dabei, sich aus ihrer Umklammerung zu befreien. Doch dann ändert sich plötzlich alles. Angetrunken überfährt er einen kleinen Jungen. Unter Schock stehend lässt Barbu seine Mutter gewähren. Wie einem Reflex folgend, denkt sie gar nicht über die Tragweite des Fehlverhaltens ihres Sohnes nach, sondern ausschließlich daran, wie sie ihn vor der Strafe bewahren kann.

Auch wenn Mutter und Sohn vordergründig kein Film über die rumänische Gesellschaft ist, so spiegeln sich deren Ränder (die gutsituierte Architektenfamilie, die sich von jeder Schuld freikaufen kann und die unglückliche, in armseligen Verhältnissen lebende Familie des toten Jungen) darin wider. Cornelia lässt sich dankbar von ihrer einflussreichen Freundin unterstützen, um auf der Polizeiwache die „richtigen“ Schritte einzuleiten. Da stehen die beiden mit maskenhaftem Make-up, pelzverbrämten Mänteln und hochgerüsteten Handys voller wichtiger Telefonnummern und lügen so selbstverständlich, dass sie nicht mal auf die Kohärenz ihrer Lügen achten.

Der Film kulminiert im Kondolenz-Besuch Cornelias bei den Eltern des überfahrenen Jungen. Mit abgezählten Geldscheinen ist sie darauf vorbereitet, die unglückliche Familie davon abzubringen, Klage zu erheben. Doch dann entwickelt sich das Treffen tatsächlich zu so etwas wie einer Begegnung zwischen Eltern.

Aus dem Pressetext: „Wir freuen uns am Sa, den 30.11. um 18.30 Uhr die stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft in Konstanz, Dr. Norina Procopan, als Referentin begrüßen zu dürfen, die eine Einführung zum Film geben wird.“

Spieltermine: Do 28.11. um 20.00 Uhr, Fr 29.11. um 21.15 Uhr,
Sa 30.11. um 18.30 Uhr (mit Einführungsvortrag), Mo 02.12. um 19.00
Uhr

Freedom Bus

Im September 2011 finden in Ägypten die ersten freien Wahlen statt. Doch Ashraf El-Sharkawy hat Angst, dass die Menschen diese historische Chance nicht nutzen werden. Er hat Angst, dass sie sich ihre Stimme mit Waschmaschinen und anderen Luxusprodukten abkaufen lassen und die Revolution umsonst gewesen ist. Deshalb organisiert er zusammen mit Freunden und Mitstreitern die Kampagne namens „Freedom Bus“. Bis zur Wahl wollen sie sechs Monate mit Bussen durch das Land fahren und eine Million Ägypter über Demokratie informieren.

Ashraf El-Sharkawy hat ägyptische Eltern, lebt in München und ist in Deutschland aufgewachsen. Als Manager hat er eine steile Karriere bei der Allianz gemacht und in Ägypten war er nur in den Sommerferien. Doch als die Demonstranten auf dem Thair Platz in Kairo immer zahlreicher werden, hält er es nicht länger aus und fliegt kurz entschlossen nach Kairo. Dort erlebt er den Sturz Mubaraks hautnah mit. Natürlich wird Ashraf mit Problemen, Zweifeln und offenen Fragen zu kämpfen haben. Ihm ist klar, dass seine Kampagne zu jeder Zeit scheitern könnte und dass sie lediglich der erste Schritt auf den langen Weg zu einem freien und liberalen Ägypten ist. Doch die politische Suche des Landes nach Freiheit ist tief verwurzelt in seiner eigenen Suche nach der vollständigen inneren Heimat – und für ihn deswegen unvermeidlich.

Aus dem Pressetext: „Wir freuen uns, mit Freedom Bus den ersten aktuellen Kinofilm von Drop-Out Cinema im Programm zu haben. Drop-Out Cinema ist Deutschlands erster genossenschaftlich organisierter Filmverleih. Das Zebra Kino ist Gründungsmitglied der Genossenschaft.“ Mehr Informationen unter www.dropoutcinema.org

Spieltermine: Fr 29.11. um 19.00 Uhr, Sa 30.11. um 21.30 Uhr, So 01.12. um 20.00 Uhr, Mo 02.12. um 21.30 Uhr

Autor: PM/hpk