Kleiner Mann ganz groß
Er war wohl einer der beeindruckendsten und auch ungewöhnlichsten Sänger der neueren Musikgeschichte. Vor wenigen Monaten beendete der international gefeierte Bassbariton Thomas Quasthoff krankheitshalber seine Karriere. Ein ganz Großer trat damit ab, sehr zum Leidwesen seiner Fans auf allen Kontinenten.
Der mit einer Conterganschädigung geborene Quasthoff kam 1959 in Hildesheim zur Welt. Ein Handicap, mit dem der nur 1,34 Meter große Mann vor allem in Kinder- und Jugendjahren zu kämpfen hatte. Solange er in der Obhut seiner Eltern war, ging es ihm gut, er wurde liebevoll umsorgt und wuchs in einer normalen Umgebung auf. Dann aber verbrachte er längere Zeit in einem orthopädischen Rehabilitationszentrum und anschließend kam er in ein Internat. Seine Erinnerungen daran schildert er eindrücklich in seiner 2004 erschienenen Autobiographie „Die Stimme“. Quasthoffs Vater forderte die Schulleitung auf, seinen Sohn in den normalen Schulbetrieb zu integrieren. Das wurde abgelehnt. Und so landete sein Sohn in einer Klasse, in der nur körperlich und geistig behinderte Kinder waren. Damals war es üblich, Menschen mit Handicap von „normalen“ Schülern zu isolieren. Ein pädagogischer Unfug, der heutzutage weitestgehend der Vergangenheit angehört.
Thomas Quasthoff blickt in seinem Buch schonungslos zurück und berichtet über brutale Methoden, unter denen seine Mitschüler und er zu leiden hatten: „An der Tagesordnung sind vierundzwanzig Stunden ohne Essen und das Gurgeln mit Salzwasser (…) bis einem die Lake vollständig in den Magen gelaufen ist“. Und schlimmer noch: „Wen sie (eine Lehrerin, Anm.d. Red) richtig auf dem Kieker hat, den lässt sie abends im Bett festschnallen. Anschließend wird der Delinquent aus dem Zimmer gerollt und die ganze Nacht auf dem hell erleuchteten Flur abgestellt“. So und noch viel schlimmer ging man in dem Internat mit Kindern um, die es wagten, gegen Schikanen aller Art anzugehen. Thomas Quasthoff war einer von ihnen.
Glücklicherweise fanden seine Eltern 1967 eine Regelschule, die ihren Sohn nach zähem Kampf aufnahm. Damals war er acht Jahre alt und fiel bereits durch seine Musikalität auf. Er erinnert sich: „Wir hatten so eine Musiktruhe zu Hause, die mehrere Singles hintereinander wegspielte. Ging meine Mutter zum Einkaufen, konnte ich diese Lieder singen, bis sie wiederkam“. 1972 sang er beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) vor und überzeugte derart, dass er anschließend die ersehnte Gesangsausbildung bekam. Eigentlich hatte man ihm nur fünf Minuten für seinen Vortrag eingeräumt, schlußendlich wurden eineinhalb Stunden draus. Die Juroren waren begeistert.
Doch bis zu seinem Durchbruch als Sänger sollte es noch eine ganze Weile dauern. Thomas Quasthoff studierte nach dem Abitur einige Semester Jura und arbeitete dann mehrere Jahre in der Marketingabteilung der Hildesheimer Sparkasse. Nebenher jobbte er als Radiomoderator und Sprecher beim NDR. Anfang 1984 dann sein erster größerer Auftritt in der Braunschweiger St.-Johannis-Kirche, begleitet vom örtlichen Studiochor sowie Mitgliedern der Bach-Kantorei Helmstedt und des Staatsorchesters Braunschweig.
Sein internationaler Durchbruch kann auf das Jahr 1988 datiert werden. Quasthoff gewann in seinem Stimmfach Bariton einen internationalen Musikwettbewerb. Nun war er ein gefragter Interpret, kündigte beim NDR, machte sich als Künstler selbstständig und gab Gesangsunterricht. Einen bemerkenswerten Auftritt hatte er 1995: Zusammen mit einem Knabenchor führte Quasthoff erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die komplette Matthäus-Passion in Israel auf.
Sein Debüt in der legendären New Yorker Carnegie Hall gab er 1998 mit Gustav Mahlers Des Knaben Wunderhorn. Ein umjubelter Auftritt und fortan sang Thomas Quasthoff weltweit in allen bedeutenden Konzerthäusern. Nahezu genial seine Interpretation des Liederzyklus Winterreise von Franz Schubert mit dem Pianisten Charles Spencer an seiner Seite. Internationale Auszeichnungen blieben nicht aus: Der Karajan- Musikpreis 2009 oder eine Ehrung der Royal Philharmonic Society, um nur einige wenige zu nennen. Auch ein Ausflug in die Welt des Jazz gelang: 2006 nahm er sein erstes und viel beachtetes Jazz-Album mit Till Brönner auf. Vier Jahre später dann die Scheibe Tell It Like It Is, auf der Soul-, Blues- und Popklänge zu hören sind. Kurz darauf erkrankte Quasthoff an einer Kehlkopfentzündung und im Januar 2012 gab er seinen Abschied von der Bühne bekannt. Heute arbeitet er als Professor an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin.
Mit seiner körperlichen Behinderung hat sich Thomas Quasthoff längst abgefunden. „Ich habe gelernt, über mich zu lachen“, erklärte er in einem Interview. Mitleid kann er gar nicht ab: „Viele denken, ein Behinderter muss doch leiden, traurig und verzweifelt sein. Aber das bin ich gar nicht. Die Verzweiflungen habe ich hinter mir, ich bin sehr lebensbejahend. Und ich versuche, es den Leuten leicht zu machen, mit mir umzugehen“. Und damit zurück zur Überschrift.
Autor: hr
Neben allen anderen Fehlern in dem kleinen Satz: Ist mit „Furts“ der crepitus oder flatus, im Volksmund „Furz“ genannt, gemeint?
Eine solche Lebenseinstellung wie Sie Hr.Quasthoff hat, muss man bisweilen bei sogenannte „Nichtbehinderte „sehr lange suchen“ die wollen ja schon bedauert werden, wenn sie ein Schoas (Furts) drückt.