Glückwunsch an die „Schwarze Geiss“

Erste gute Botschaft: Vor wenigen Tagen, konkret am 18.3., feierte der kreative Konstanzer Buchladen „Schwarze Geiss“ sein 36jähriges Bestehen. Zweite gute Botschaft: Ari, einer von zwei Geschäftsführern, ist auf dem Weg der Besserung und hilft mit wertvollen Lesetipps schon wieder im Laden aus. Dritte gute Botschaft: Hier gibt’s den Artikel aus den „Seeblättern“ von 1977 zur Eröffnung des einzig wahren, manchmal linken, aber immer widerborstigen Buchladens in Konstanz

Schwarze Geiss und rote Bücher

aus: Neue Seeblätter, Mai 1977, Nr. 7

Endlich ist er da! Die Geissen meckern es von den Dächern: Un­ser/euer Buchladen.

Wie kams dazu? Es war zuerst nur eines unserer heißgeliebten Biertisch-Themen, zu denen dann doch so keiner recht Mumm hat, wie: Kneipe aufmachen, auf’s Land ziehn usw. Dann sprachen wir besonders im Kreis der Dezentra­le immer öfter von einem Zentrum für Konstanz. Einem Ort, wo wir uns einfach so, statt Kneipen mit Konsumzwang und sonstigen Aufla­gen, treffen können. Aber das schien uns dann doch eine Nummer zu groß.

Bei der Diskussion ums Zen­trum war deutlich geworden, wie schlecht wir hier in der Provinz informiert sind über das, was so läuft in ändern Städten. Einzel­ne Leute brachten häufig Infor­mationen ein, von denen die an­dern noch nie gehört hatten, oder Bücher, die die andern noch nie gesehen hatten, obwohl es sie schon recht lange gibt. Wie das zusammenfassen? Wie sich gegen­seitig informieren, nicht nur uns in kleinem Kreise? Und dann kam’s: Warum nicht einen Buchladen ma­chen!

Aha, werden da manche sagen: Frühkapitalistische Träumer. Aha, sagen die andern, da gab’s doch schon mal einen Buchladen und wir haben ja gesehen, was daraus geworden ist, das bringt’s nicht . Wir sagten uns, cool bleiben und trotzdem machen, nicht immer nur schwätzen.

Also ging’s los. Ein Glück kommt selten allein: Nachdem sich Leute zusammengefunden hatten wurde auch noch ein Laden frei. Wir mussten Mietrecht studieren, Finanzprobleme lösen, Streichen, Malen, Verhandeln, mitnander aus­kommen. Im Kollektiv gab’s Ver­schiebungen. Manche hörten auf, weil ihnen das Konzept nicht ge­fiel; andere, weil es zu sehr nach Arbeit roch. Andere kamen neu zu uns. Die Tücke der Gruppendynamik hat uns voll am Wickel.

Wir wollen nicht möglichst viele Bücher anbieten, sondern unserer Meinung nach wichtige und interessante zusammenstellen; be­sonders aus Verlagen, die bisher in Konstanz nicht oder nur schwer zu beziehen waren: z.B. Trikont, Frauenoffensive, Atelier im Bauernhaus usw., also Bücher zur Arbeiterbewegung, Emanzipationsbe­wegungen, Bücher für Arbeitsemi­granten, Kinder, über nichteta­blierte Kunst, Lyrik usw. Zeit­schriften soll’s auch geben: Auto­nomie, Courage, Schwarze Proto­kolle, Graswurzelrevolution, Schwuchtel usw., und die nicht nur zum Kaufen, sondern auch zum im Laden lesen. (Und die neuen SEEBLÄTTER gibt es dort auch! red.) Es gibt im Laden nämlich eine Sitzecke, zum Quasseln, Rum­stöbern, Anlesen.

Die Zentrumsidee wollen wir im Kleinen weiterführen – mit einem großen Info-Brett, auf dem Grup­pen ihre Termine kundtun können, andere aushängen was sie kaufen oder verkaufen wollen oder sonst was, so als Anfang. Wir stellen uns vor, dass ihr einfach so in den Laden kommt um zu stöbern, andere zu treffen, zu schaun was es gibt. Ob’s ein Zentrum wird, liegt nicht an uns!

Wir werden uns gegen alle Er­ wartungshaltungen wehren, die nichts beinhalten, als dass wir die Arbeit für andere machen. Wir kriegen nämlich keinen Pfennig! Im Klartext: Alle Arbeit, die wir reingesteckt haben, war umsonst (andere nennen das Selbstausbeutung) und wird es auch noch auf längere Zeit sein. Trotzdem fühlen wir uns nicht als Märtyrer, sondern haben verdammt viel Spass dabei; nur denkt dran – z.B. wenn ihr in so einer repressionsarmen Atmosphäre irre Lust zum Klauen kriegt ……

Noch einiges zum Geld und Or­ganisatorischen: Einzelpersonen zeichnen für den Laden verant­wortlich, daneben gibt es stille Gesellschafter. Schön war’s, wenn ihr einsteigen könntet oder noch Leute wisst, die Geld und Lust hätten, Gesellschafter zu werden; z.B. könnten sich Wohngemein­schaften zusammen tun. Ihr könnt auch Förderer werden: Etwa mit 1O oder 3O DM im Monat für die laufenden Kosten, oder durch Bü­cherabos: Ihr zahlt 49, 99, oder sonstwieviel DM ein und holt Euch im Lauf der Zeit Bücher dafür.

Für Skeptiker: Wir haben pro­fessionelle Hilfe: Steuerberater, Buchhändlerinnen; wir haben uns gut in der BRD bei anderen lin­ken Buchläden umgeschaut und ver­sucht, daraus zu lernen. Aber wir wissen noch längst nicht alles – also bringt eure Ideen, Erfahrun­gen, Informationen haufenweise her.

Für Uni-Leute: Wir können alle Bücher, die ihr fürs Semester braucht, in kürzester Zeit (zwei Tage) bestellen. Sagt’s andern in den Seminaren, dass sie uns unter­stützen sollen; schaut bei uns nach, was es an ‚Gegenliteratur‘ gibt! Wir wollen mit der Zeit in­haltliche Listen zu den einzel­nen Fachgebieten machen – also bringt Vorschläge. Ausserdem wol­len wir eine Referaten-Börse aufziehn: Ihr bringt eure Referate, wir heften sie in einen Ordner und sie stehn allen zur Verfügung (scheue Gemüter können ja ihren Namen unkenntlich machen….).

Für Frauen: Wir arbeiten mit dem Frauenzentrum zusammen, da wir jede falsche Konkurrenz ver­meiden wollen.

Für Gruppen: Wir möchten gern mit mehr autonomen Gruppen zusammenarbeiten; z.B. verschiedenen Arbeitskreisen, Komitees, usw. Setzt euch also mit uns wegen Buchauswahl und gegenseitiger Be­ratung in Verbindung.

Buchladen Zur Schwarzen Geiss GmbH
Obermarkt 12 * D-78462 Konstanz
Tel.: 07531-15433 * Fax: 24264
http://www.geiss.de * info@geiss.de

P.S.: Vom Buchladen gibt’s schö­ne Plakate! (inzw. gesuchte Raritäten, wer hat noch welche?, d. Setzer)

P.P.S.: Schwarze Geiss heißt das Haus seit 1316.