Konstanz und seine Flüchtlinge

noch vor Weihnachten sollen 130 Flüchtlinge Unterkunft in der Luisenstraße finden - Foto: © Wolfram Mikuteit

Blick zurück im Zorn: Was Pit Wuhrer 1985 im „Nebelhorn“ beschrieb, spielt sich heute nicht so krass, doch tendenziell unverändert in Konstanz ab: Diskriminierung von Flüchtlingen – mit Gutscheinen abgespeist, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, in Unterkünften kaserniert. Am Montag, 16.12., 16 Uhr, werden darum die Anliegen der Flüchtlinge in die Kreistagssitzung getragen. Ab 18 Uhr gibt es zudem eine Kundgebung am Konstanzer Obermarkt

Die alltägliche Ausländerfeindlichkeit: „Wir schlagen euch tot“

aus: Nebelhorn Nr. 51, August 1985,  von Pit Wuhrer

„Wir können nicht mehr schla­fen, es sind zu viele von uns. Wir haben keine Ruhe mehr, sag‘ das, erzähl das den Leuten.“ Fünf Afrikaner standen um den Bus, der das gemeinderätliche Expe­ditionskorps in den Ratssaal zurückbrachte: „Acht, zehn Leu­te sind zuviel, tell them.“ Die An­wohner des Messhotels sagen das Gleiche: „Wir können nicht mehr schlafen.“ Zwei Welten treffen derzeit in Konstanz aufeinander, reiben sich, es kommt zu Explo­sionen. Der bodenständige deutsche Rassismus feiert fröh­lich Urständ — und die Lokal­presse feiert mit.

Flüchtlinge im Messhotel 1985- Foto: © NebelhornAm 18. Juli wollten es die Konstanzer Stadträte/innen genau wissen: was pas­siert eigentlich dort, wo die Asylanten le­ben, wie leben die, was geht eigentlich vor in dieser Stadt? Ein Lokaltermin schien angebracht, und so strömten sie treppauf, treppab durch die Sammellager in der Jägerkaserne und im Messhotel — endlich mal Kontakt mit den Exoten, auch wenn er kaum über das naserümpfen­de „so leben die also“ hinausging. Eine Peep-Show sozialer Sorte. Zehn Tage vor­her schon hatte sich die Volksseele stür­misch entladen: eine „Interessengemein­schaft der Anwohner des Messhotels“ lud zu einer Diskussionsveranstaltung, weil das Sammellager zu einer „unerträglichen Belastung“ für die Nachbarschaft (sagt auch die CDU) geworden sei.

Nein, eine rassistische Vereinigung seien sie nicht, erklärte der Sprecher der Interessengemeinschaft, Kilian Meier, zu Beginn des Abends, aber die Bedrohung sei so groß, dass man was unternehmen müsse. Bedrohung? Ja, Schlägereien und Saufgelage würden veranstaltet, fürchter­licher Lärm dringe nach außen, Frauen würden angemacht, einige gingen auf den Strich. Nein, gegen Ausländer und Schwar­ze hätte man nichts, um die ging es einem geradezu, um die Studenten aus der Drit­ten Welt beispielsweise, die man von den Asylbewerbern nicht unterscheiden kön­ne. Deren Zahl müsse man jedenfalls dras­tisch reduzieren, schließlich „sehen wir das vor Ort, dass 95 Prozent nicht aus po­litischen, ethnischen oder religiösen, son­dern aus rein wirtschaftlichen Gründen hier sind“, sagte Meier, und schloss seine Ouvertüre mit der Bemerkung: „Die können nicht verfolgt gewesen sein, sonst hätten sie das Land gar nicht verlassen können.“

ehem. "Atrium" in der Luisenstraße - bald Unterkunft für 130 Flüchtlingen - Foto: © Wolfram Mikuteit

Das Atrium in der Luisenstraße. Früher Altenwohnheim; zwischen 2002 und 2004 fanden hier 57 Studenten Platz. Und noch vor Weihnachten hat der Leerstand ein Ende. Aufnahme: Dez. 2013.

In der anschließenden Diskussion, in der bis auf Hermine Preisendanz (FWG) Stadträte aller Fraktionen den Unwillen der Anwohner „gut verstanden“ und den wütenden Protesten wenig entgegensetz­ten, kam es dann zu massiven Drohungen. Wenn der Staat nichts unternehme, „müs­sen wir uns selber helfen“, sagte der eine, ,,man kann jemanden auch stolpern las­sen“ der nächste, „reingehen und die rausholen“ der übernächste. Von Unge­ziefer, Alkohol, Krankheiten, Prostitution war immer wieder die Rede, auch in der Schlussresolution: „Der überwiegende Teil der Asylbewerber ist weder aus politi­schen oder religiösen oder ethnischen Gründen in der Bundesrepublik. Wirklich Verfolgte und Bedrohte benehmen sich anders. … Die Asylbewerber sind in geeig­neter Weise auf die Lebensgewohnheiten in Deutschland hinzuweisen und angehal­ten, sich entsprechend zu benehmen.“ Von Leuten, die in Sammellagern einge­pfercht sind, die um Arbeit betteln und nicht arbeiten dürfen, wird Benimm ver­langt.

„Konstanz muss sich wehren“, hatte der Südkurier drei Tage vorher verlangt, nicht gegen die Politik des Landes und des Bundes, sondern gegen die hohe Zahl der Asylbewerber in der Stadt. Im Bericht über die Veranstaltung der „Interessenge­meinschaft“ werden dann die aggressions­geladenen Lynchabsichten unkommentiert wiedergegeben. „Wir sind Ihre Abon­nenten“, hatte es schon auf der Versamm­lung geheißen, nicht die Asylbewerber.

Richtig in die Vollen langen dann aber die beiden Landtagsabgeordneten Klaus von Trotha und Robert Maus, die am 18. Juli zur Gemeinderatssitzung erschienen waren, um die Forderungen der Stadt zu hören und nach Stuttgart weiterzuleiten. „Wir haben das liberalste Asylrecht“, be­hauptet von Trotha meilenweit an der Re­alität vorbei (im Pro-Kopf-Verhältnis Ein­wohnerzahl : Asylbewerber liegt die BRD hinter Ländern wie Schweden, der Schweiz, Belgien, Frankreich, Österreich, …). „Wir“, erklärten beide CDU-MdLs unisono, „haben beste Kontakte, wir wis­sen, was los ist.“ So weiß denn von Trot­ha, dass noch viel mehr ins Land kämen, ,,wenn die Sozialhilfe voll bezahlt würde. Die hätten dann mehr als ein pakistani­scher Staatssekretär.“ Und Maus empört sich wohlwissend, „dass es keine Mehr­heit im Bundestag gibt zur Eindämmung der Asylantenschwemme. Die strömen hier rein, anders kann man es nicht sa­gen.“ Doch, kann man. Ende 1983 gab es laut einer Untersuchung des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlingswesen in der BRD 115.000 Flüchtlinge, in Europa 622.700 und weltweit über 10 Millionen. Länder wie Somalia oder Sudan haben mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle europäischen Staaten zusammen. Aber nach Deutschland strömen sie, und be­sonders nach Konstanz. Warum nach Konstanz, wo doch, wie Maus selber sagt, das Sammellager „in dieser Wohngegend sozialhygienisch nicht zumutbar“ ist? Nun, „nicht alle Städte haben eine Kaser­ne mit einer Mauer außenrum, wo man die wunderschön unterbringen kann“ (Landrat Maus).

Flüchtlingsunterkunft in der Steinstraße - Foto: © Wolfram Mikuteit

Das Messhotel in der Steinstraße, früher Offizierskasino der französischen Brigade und bis heute das Haus, in welchem die Asylbewerber untergebracht sind. Aufnahme: Dezember 2013.

Die Forderung nach Auflösung der Sammellager, besonders der Sammelunterkunft Messhotel, kam ziemlich einhellig von allen Fraktionen, mit unterschiedli­chen Nuancen natürlich. Helga Jauss-Meyer (SPD), Hermine Preisendanz (FWG) und Bärbel Köhler (FGL) erklären die Asylpolitik des Landes, die auf dem Prin­zip der Abschreckung basiert, für geschei­tert, fordern Arbeitserlaubnis für die Asylsuchenden und menschengerechte Behandlung, während Ute Pietrzak ver­langt, die Asylbewerber mal „zu belehren, wie Sitten und Gebräuche hier aussehen“. Maria Weiner (FWG) und Hermine Prei­sendanz (FWG) sind die einzigen, die Ge­naueres über die Zustände in den Lagern berichten können. Die Stadtverwaltung, die laufend das Argument von der fehlen­den Zuständigkeit vor sich herschiebt (so Rechtsdirektor Menges auf der Veranstal­tung der Interessengemeinschaft, so OB Eickmeyer im Gemeinderat) hat durchaus einen Ermessensspielraum. In Konstanz wird beispielsweise den Flüchtlingen 115 Mark abgeknöpft, wenn sie die Stadtgren­ze verlassen (sie müssen sich immer im Be­reich des Ausländeramtes aufhalten); in anderen Städten gibt es beim ersten Mal eine Verwarnung, beim zweiten Mal ein Bußgeld von 30, 40 Mark. In anderen Städten werden Reinigungs- und Putzmit­tel gestellt, in Konstanz müssen die Flücht­linge mit ihren 70 Mark Taschengeld die Kosten dafür tragen.

Ohne Ausländer keine Ausländerfeindlichkeit

Ein Drittel der Flüchtlinge würden an­erkannt, ein weiteres Drittel würde aus den verschiedensten Gründen geduldet, sagte von Trotha, und betonte im näch­sten Atemzug, wie viele doch kämen, weil es sich hier auch eingesperrt gut leben las­se: „Das sind nicht die Allerärmsten, die können sich ja ein Flugticket kaufen“. Ei­nig war sich so der Rat auch in der Forde­rung nach einer „drastischen Reduzie­rung“ der Asylbewerber in Konstanz. „Die Konstanzer sind nicht ausländer­feindlich“, meinte CDU-Rat Helmut Späth, aber bei diesen hohen Zahlen? Der Meinung war die Verwaltung auch; So­zialbürgermeister Hansen schlug gar ein anderes Wort vor: statt „Ausländerfeind­lichkeit“ würde sich doch die Formulie­rung „erhebliches Konfliktpotential zwi­schen Deutschen und Ausländern“ anbie­ten. Nicht mehr sagen, was ist, nicht das Übel bei der Wurzel packen, sondern die Zahl der Ausländer reduzieren, dann schwindet auch die Feindlichkeit. Die Sammellager abzuschaffen, ist eine Forde­rung, die Zahl der Flüchtlinge in Kon­stanz zu begrenzen, eine andere (gleich­wohl steht die Formulierung „Keine Zu­weisung von mehr als 50 Personen an eine Gemeinde“ in einem Positionspapier der Ausländerinitiative (das Nebelhorn hat dieses Papier nicht mitunterstützt, wie irrtümlich behauptet wurde – und in der Resolu­tion der FGL).

„Verschwindet Ihr gelben Asiaten“

In den beiden Konstanzer Ausländer­wohnheimen, wie die Sammellager euphemisch umschrieben werden, geht derweil die Angst um. „Die Leute fürchten sich“, sagt Doris Künzel, die seit Jahren die Flüchtlinge betreut. In den letzten Wo­chen kamen anonyme Anrufe und Briefe (siehe Faksimile), der letzte enthielt in Stanniol verpackte Scheiße.

Drohbrief, adressiert an: "Asylanten Mes Hottel, Konstanz" - Foto: © Nebelhorn

Die Flücht­linge wissen von der an sie adressierten Post („Asylanten, Mes Hottel, Konstanz“) und erleben, wie vor allem am Wochenen­den Autos vor den Heimen geparkt wer­den, die Leute aussteigen, und sie begucken kommen. „Sie fühlen sich hier wie im Zoo“, beschreibt Doris Künzel die Stimmung im Lager, „ ‚we are not animals, we are not monkeys’ sagen sie und fühlen sich miserabel“. Wenn’s so weiter­geht, fürchtet auch die Konstanzer Kripo, kommt’s noch zu Toten. Dabei, Kriminal­komissar Lang verweist auf die historische Entwicklung, „hat es immer Flüchtlinge gegeben, weltweit und in Deutschland“. In den 20er Jahren die Fremdarbeiter im Ruhrgebiet, nach dem Krieg Millionen Vertriebener. Im Vergleich dazu wird die heutige Situation „in unzulässiger Weise dramatisiert“.

Die Stimmung ist explosiv, auch unter den Asylbewerbern. Wenig Wunder, zu­sammengesperrt wie sie sind: 175 Perso­nen in der Jägerkaserne, 168 im Mess­hotel, darunter 109 Menschen aus Ghana, 41 aus dem Libanon, 46 Tamilen, 31 aus Pakistan. 63 Kinder unter 18 Jahren sind dabei, aus 18 Ländern kommen sie. Und sie sind zur Untätigkeit verdammt: „Je­den Tag stehen sie hier im Büro und fra­gen nach Arbeit“, erzählt Sozialarbeiter­in Künzel; auf einer Veranstaltung der Ausländerinitiative formulierte der Ghana-Flüchtling Paul unumwunden seine An­klage: „Leute stehlen, die zuhause noch nie gestohlen haben. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, heißt es. Aber uns wird das ja nicht erlaubt. Wer arbeitet, geht nach der Arbeit nicht zum Stehlen.“

Der Gemeinderat kümmert sich kaum

Die Leute im Lager spüren die Feind­lichkeit der Umgebung. Vor kurzem ha­ben zwei Ehepaare aus der Umgebung des Messhotels die Asylbewerber zu un­ken versucht; um „handfeste“ Beweise für deren Anmache zu bekommen, schickten sie ihre Töchter vor. Provokation und be­redte Klage gibt es in ausreichendem Maße. Wie würden denn 168 einkaser­nierte deutsche Männer reagieren, fragt DRK-Verwalter Lauinger, „wenn 20 Me­ter vom Gebäude entfernt dauernd Mäd­chen im Bikini lägen?“ Und was den Lärm anbetrifft: „In jedem Kindergarten werden Musikinstrumente verteilt, warum nicht auch an die Asylbewerber?“

Die Besichtigungsvisiten Konstanzer Bürger haben in letzter Zeit erheblich zu­genommen, sagt Doris Künzel, „kein Wunder bei der platten Information, die sie aus den Zeitungen erhalten.“ Abge­sehen von Hermine Preisendanz, die sich um die Asylbewerber kümmert und dabei enorm viel Initiative entwickelt, haben sich nur wenig Gemeinderatsmitglieder direkt mit den Flüchtlingen auseinander­gesetzt. „Frau Weiner und Frau Jauss-Meyer kamen noch vorbei, und boten Hil­fe an“, erzählt die Sozialbeauftragte des Roten Kreuzes, „aber sonst war nicht viel. SPD und die Freien Grünen reden zwar, haben sich aber kaum blicken lassen.“

Dabei gibt es die alten Probleme wei­terhin. Das Kochverbot zum Beispiel. Als 70 Asylbewerber Anfang Februar dem zu­ständigen Beamten vom Regierungspräsi­dium „fast an die Gurgel“ gingen, bot er eine Übergangslösung an und sag­te eine Grundversorgung in der Jägerka­serne zu. Grundversorgung heißt: die Leu­te bekommen das Rohmaterial und koch­en selber. Das Regierungspräsidium hatte dabei allerdings das Messhotel mit seiner großen Küche im Hinterkopf. Als im Mai die Direktive kam, jetzt könnten ja alle über das Messhotel versorgt werden, „kam es hier fast zum Aufstand, die Leute fühl­ten sich betrogen, weil die Zusage ge­brochen wurde“ (Doris Künzel). Das Kochverbot herrscht immer noch: Im Messhotel herrscht Unzufriedenheit, in der Jägerkaserne sind die Bedingungen normaler. „Die Leute hier sind richtig stolz auf ihre Kochkünste, Essen ist ein wichtiger Teil ihrer Kultur, und sie laden Leute ein, Konstanzer, am Wochenende ist hier einiges los.“ Viele der Asylbewer­ber, die seit längerem hier sind, haben von sich aus Kontakte nach außen geknüpft, spielen Fußball mit Konstanzern, fangen an, sich über all die Hürden, die die Lan­desregierung aufgebaut hat, einzuleben. Aber nur in der Jägerkaserne, wo auch Frauen, Kinder, ganze Familien unterge­bracht sind.

„ Hier ist die Toleranz unter den Men­schen enorm, Afrikaner spielen mit den Kindern der Libanesen, die Iraker set­zen sich mit den Flüchtlingen aus der Türkei an einen Tisch, und die Pakistaner sprechen mit den Ghanesen.“ Verständi­gung unter Rassen, unter Nationalitäten. Man könnte was davon lernen. Natür­lich klauen sie auch (wie die Deutschen), gehen auf den Strich (wie die Deut­schen), lärmen (wie die Deutschen) – und haben mehr Grund dazu. Das Arbeitsver­bot führt zu Depressionen, „ die Folge ist der Verlust des Selbstwertgefühls“, hat schon Wolfgang Heine in seiner Analyse der Situation der Flüchtlinge in der BRD am Beispiel Konstanz (Wolfgang Heine: „Die rechtliche und soziale Situation politischer Flüchtlinge am Beispiel der Stadt Konstanz“, April 1985) geschrieben. Psychosomatische Erkrankungen kom­men im Gefolge. Solange sie nicht arbeiten können, nimmt die Kreativität der Flüchtlinge andere Wege, die nicht im­mer in den bundesrepublikanischen Moral­kodex passen. Die zwangsverordnete Un­tätigkeit macht erfinderisch, das mini­male Taschengeld, das zu einem men­schenwürdigen Leben nicht reicht, eben­falls.

Kann die Stadt wirklich nichts machen?

Das Sozialamt der Stadt Konstanz hat einen Ermessensspielraum, ebenso die Konstanzer Polizei. Immer wieder, in ei­nem Fall besonders penetrant, tauchten in letzter Zeit Polizeibeamte mit Hand­schellen im Ausländerwohnheim auf – auch dann, wenn der Asylbewerber, des­sen Antrag abgelehnt worden, war, Rechts­mittel eigelegt hatte und das Amtsgericht bestätigte, dass nicht die Gefahr einer Ab­schiebung bestünde. Das Konstanzer Ausländeramt, das die Ausreiseaufforderun­gen und Abschiebeandrohungen ver­schickt, mobilisiert lieber die Polizei, als sich an die Buchstaben des Gesetzes zu halten. Kann die Stadt wirklich nichts tun, außer gebetsmühlenhaft die Reduzie­rung der Flüchtlinge zu fordern? Oder will sie nicht? Der Rat von Großlondon hat 1984 zum „Jahr gegen den Rassismus erklärt und mit Flugblättern, Zeitungen, Broschüren (in denen auch der Rassismus der städtischen Behörden thematisiert wurde), mit Ausstellungen, Konzerten und Diskussionsveranstaltungen gegen den Rassismus in der Bevölkerung anzu­kämpfen versucht. Was in der Riesen­stadt mit den viel größeren Problemen bewältigt werden kann, sollte auch in Konstanz möglich sein. Wenn man will. Die Politik des Landes spielt natür­lich eine große Rolle. Noch 1979 lehnte die CDU-Regierung in Stuttgart die generelle Einrichtung von Sammellagern ab, weil es dadurch zu „erheblichen Schwie­rigkeiten innerhalb des Wohnheims als auch zu Störungen im Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung“ kommen könnte, weil „die wohnheimmäßige Unter­bringung der Asylbewerber kosteninten­siv“ sei, und man nicht ausschließen kön­ne, „daß eine stark zentralisierte wohn­heimmäßige Unterbringung einen Nähr­boden für politische Agitation und Radi­kalisierung abgibt“. 1980 wurden die ers­ten Sammellager eingerichtet. Der Nähr­boden ist da, der Anlass wurde gegeben, und die Argumentation läuft rückwärts: wegen der Ausländerfeindlichkeit muss die Zahl der Ausländer begrenzt werden. So schafft man Stimmung, und die Flüchtlinge haben Angst.

Peter Wuhrer