Vom Teufel gemalt
Jesus als nackter Junkie in Marias Armen – drunter macht’s der oberschwäbische Künstler Manfred Scharpf nicht. Gemalt auf neun Quadratmeter, überschrieben mit „Wurzacher Passion“ und ausgestellt in einer katholischen Kapelle. Der Pfarrer von Bad Wurzach (Landkreis Ravensburg) protestierte prompt, der CDU-Bürgermeister musste von der „Schande für die Stadt“ hören, und der böse Bube konnte wieder vom Leder ziehen. Gegen die Kirche, die auch nach 2000 Jahren nichts kapiert habe
Die Provokation ist oben auf Schloss Zeil, im alten Schulhaus neben dem Fürsten Waldburg-Zeil, zu Hause. Dort lebt und arbeitet Manfred Scharpf, Jahrgang 1945, zusammen mit seiner schönen Frau Renata (s. Foto) und dem Töchterchen Sophie Beatrice (vier), und dort macht er sich so seine Gedanken über die Welt. Meistens schlechte, weil die Welt schlecht ist. Früher ist er mit dem Sarg durch Oberschwaben gezogen, hat nackte Frauen vor dem tschechischen AKW Temelín gemalt und abgestürzte Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg ausgegraben, um ihre Restbestände in Bildern zu verarbeiten. Heute muss es ein Altar mit einem Turnschuh-Junkie sein. Alles hat er reingepackt, was ihn so quält.
Die religiösen Gefühle zwischen Ulm und Bodensee
Er höre sie schon, die Stimme des Volkes, sagt Scharpf, die da rufe: „Vom Teufel gemalt, Schweinkram, Schandfleck, Blasphemie.“ Auf der Straße droht ihm eine gottesfürchtige Frau mit dem Jüngsten Gericht: „Eines Tages werden Sie vor dem Herrn stehen.“ Schweinkram ginge ja noch, weil der gebürtige Kißlegger ein begnadeter Vertreter erotischer Malerei ist. Ein echter Scharpf, entblößte Busen, hängt sogar im Amtszimmer des Ravensburger Landrats Kurt Widmaier, der schwer katholisch und schwarz ist. Aber mit den religiösen Gefühlen zwischen Ulm und Bodensee ist es immer noch so eine Sache.
Andererseits ist Scharpf ein Mann vom Fach. Als ausgebildetem Kirchenmaler ist ihm sakrale Kunst vertraut. Kaum einer beherrscht die alten Maltechniken so gut wie er. Jedes Gotteshaus könnte der 68-Jährige schmücken mit seinen prachtvollen Farben, mit seinem feinen Pinselstrich, der die Gesichter so eindrucksvoll lebendig werden lässt. Manche nennen ihn auch den Rubens von Oberschwaben.
Immerhin: Als Vorlage für seine Passion diente ihm der Wurzacher Altar von Hans Multscher (1400–1467), dessen übrig gebliebene Bildtafeln heute in der Staatlichen Gemäldesammlung in Berlin hängen. Sie zeigen das Leben Marias und die Leidensgeschichte Christi. Die Scharpf’sche Neuschöpfung ist freilich eine andere. Die unbefleckte Empfängnis kommt aus der Retorte, die Himmelfahrt ist eine Organtransplantation, die Gottesmutter eine Prostituierte und die Wiedergeburt eine Barbiepuppe. Und der Jesus ist von Einstichen übersät, trägt einen Dornenkranz aus Spritzen und einen hellblauen Turnschuh. Klappt man ihn auf, den Altar, schummern einem, dunkel und schwach violett, Szenen aus dem KZ Auschwitz, aus mit Atommüll verseuchten Landschaften und aus dem amerikanischen Foltercamp Abu Ghraib entgegen. Er folge damit, sagt Scharpf, Dantes Höllenkreisen. Jugendliche Betrachter sprechen, eher unbefangen, von einem Wimmelbuch.
„Der Weg aus dem Dunkel“
Wäre da nicht die neu interpretierte Maria, die bei Scharpf Beatrice heißt, liefe man Gefahr, augenblicklich depressiv zu werden. Das Elend dieser Welt, eingefangen in acht Flügelbildern von je 140 mal 148 Zentimetern, der zerstochene Jesus (der in Wahrheit ein 19-jähriger drogenabhängiger Knacki war, der sich in der JVA Ebrach das Leben nahm), das ist eigentlich nicht auszuhalten. Beatrice (eine Halbpalästinenserin) aber ist eine Schöne. Traurig ihr Blick, aber auch gütig und mitfühlend. Und ihr Mantel ist voller Leben und Farben: grüne Wiesen, blau-lila Iris, Sommerfarben auf dem Müll. Nicht von ungefähr nennt Scharpf sein Monumentalwerk, an dem er zwei Jahre bis zur Erschöpfung gearbeitet hat, „Beatrice – Weg aus dem Dunkel“.
In Bad Wurzach ist das Licht noch nicht angekommen. Zumindest nicht in allen Haushalten. Eigentlich wollte das örtliche Salvatorkolleg, dessen Schüler an der Entstehung der „Wurzacher Passion“ beteiligt waren, den Altar in der Stadtkirche St. Verena sehen. Aber das mochte Stadtpfarrer Stefan Maier nicht. Die „Wucht der Bilder“ könne den Gläubigen „nicht zugemutet“ werden, ließ er wissen. Ein Gotteshaus sei ein „Ort der inneren Einkehr“ und deshalb für „reinste Blasphemie“, wie katholische Medien schrieben, nicht geeignet. Ertragen können seine Schäflein eher, laut Homepage seiner Pfarrei, die Wahlempfehlung für die AUF Christen für Deutschland, die gegen die „staatlich verordnete Kinderverführung“ im Bildungsplan der Stuttgarter Regierung hetzt. So wanderte das gemalte „2000-jährige ‚heute-Journal'“ (Scharpf) am 24. Januar 2014 in die kleine Spitalkapelle, die der Stadt gehört und in der die Scharpf’sche Schöpfung ein eher randständiges Dasein fristet.
Ein echter Standortvorteil
Bürgermeister Roland Bürkle (CDU) ist dennoch zufrieden. Sein Städtchen mit 5400 Einwohnern hat nur einen Superlativ: keine SPD im Gemeinderat. Aber jetzt hat es einen Scharpf, der sonst eher in New York oder Berlin ausstellt. Das ist ein echter Standortvorteil, und dafür nimmt er auch böse Briefe („Weiche, Satan“, „Schande“) in Kauf. „Wir kriegen mit Scharpf Qualität und viele Diskussionen“, erläutert der gläubige Katholik. Im Übrigen hat er schon genug Kirchenkunst zu Hause, in Form von opulenten Bildbänden, die ihm die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) regelmäßig zu Weihnachten geschenkt haben. Da kann auch mal etwas „Unschickliches“ dabei sein.
Und auch der Maler selbst hat seinen (vorläufigen) Frieden gemacht. Er wird schon noch eine Weile mit der Kirche hadern, die „unfähig ist, sich den drängenden Fragen zu stellen“. Aber bereits Anfang April 2014 wird die „Wurzacher Passion“ für zwei Wochen in Brüssel aufgeführt, in der baden-württembergischen Landesvertretung, wo sie von der Regierung Kretschmann begrüßt wird. Das mildert den Schmerz. Und jetzt malt er wieder, was ihm am meisten Freude macht: das ewig Weibliche. Das Beste aber geht ohne Pinsel: mit Töchterchen Sophie Beatrice vor dem Fernseher hocken und Sandmännchen gucken.
Autor: Josef-Otto Freudenreich (kontextwochenzeitung. de)
Der Scharpf’sche Altar steht – mit der Brüsseler Unterbrechung im April – bis zum 1. Mai 2015 in der Bad Wurzacher Spitalkapelle. Sie ist von Montag bis Freitag (8–17 Uhr) geöffnet, am Wochenende auf Anfrage. Der Eintritt ist frei. Wer weitere Bilder von Scharpf sehen will, findet sie unter www.passion-of-art.de
Ein Glück, das es noch Künstler wie Scharpf und Lenk gibt in unserer Kultur von Einheitsmeinung und Konsenz-Sauce.
Mit der „heiligen Mutter Kirche“sollten wir nicht so streng sein und uns erinnern an die tapferen Priester der venezuelisch Kirche, die in den Armenvierteln von Caracas die Sozialprogramme von Chavez und Maduro verteidigen und das abgewandelte Jesus-Wort von Chavez verkünden: LOS QUE QUIERAN PATRIA VENGAN CONMIGO – Wer das Vaterland liebt – folge mir nach!
Respekt für den Maler – aber für die die Ausbreitung der Drogensucht kann man die Heilige Mutter Kirche nicht verantwortlich machen – das war das Werk des FBI.
Klingt wie Verschwörungstheorie, aber namhafte US-Autoren wie Angela Davis erklären das so.
Als Ende der 60 iger die schwarze Bürgerrechtsbewegung immer stärker wurde, legte der damalige Gouverneur von Kalifornien Reagen und der FBI-Chef Hoover das Bekämpfungs-Programm COINTELPRO auf, das u.a. vorsah die Ghettos und schwarzen Communities mit Drogen zu fluten, um den politischen Widerstand zu neutralisieren.
Heroin und Kokain von der Mafia.
Die ausgelöste Drogenwelle schwappte über in die weißen Wohnviertel, in die Universitäten, über das ganze Land und eigentlich um die ganze Welt.
Das ist die story. die auch den jetzigen politischen Zustand der Welt etwas erklärt.